Erinnerungen aus meinem Leben/Des Bischofs Sorge für die Gotteshäuser und den Gottesdienst
Daß sich in einer Diözese mit soviel Industriebevölkerung, wie sie der Metzer Sprengel in sich schließt, da und dort eine Kirchennot einstellte, ist begreiflich. Manche neue Kirchengemeinde bildete sich, an anderen Orten reichte das alte Gotteshaus nicht mehr aus für die stets wachsende Zahl von Pfarrangehörigen. Diesen dringenden Bedürfnissen abzuhelfen, hielt Bischof Willibrord für heilige Pflicht.
Am 12. April 1913 richtete er ein eigenes Hirtenschreiben über die Kirchennot in der Diözese an seine Gläubigen. Er lobte ihren Eifer für die auswärtigen Missionen, legte ihnen aber ans Herz, zuerst an die Bedürfnisse der eigenen Heimat zu denken. Das sei gewissermaßen eine Familienpflicht; denn, wie er sagt, »die Pfarreien ein und derselben Diözese sind durch innige Bande miteinander vereint; sie bilden eine große Familie, an deren Spitze der Bischof als Vater steht; ohne seine Dazwischenkunft wird keine Pfarrgemeinde gegründet, alle verdanken seiner väterlichen Gewalt ihr Dasein. Müssen darum nicht auch alle Pfarreien einer Diözese sich wie Kinder einer Familie fühlen, wie Geschwister sich lieben? Wenn in einer guten Familie das eine oder das andere Glied in Not ist, dann machen die übrigen sich eine Pflicht daraus, ihnen zu helfen, ihnen wenigstens das Nötige zu verschaffen. Tun wir desgleichen, kommen wir gerne den Pfarrgemeinden zu Hilfe, die, wenn sie sich selber überlassen blieben, noch viele Jahre eines genügenden Gotteshauses entbehren müßten. Zeigen wir uns hochherzig und seien wir überzeugt, daß Gott uns dafür einen reichen Lohn geben wird.«
Das Mahnwort des geliebten Oberhirten fand gute Herzen. Die Opferwilligkeit der Metzer Katholiken zeigte sich auch auf diesem Gebiete in glänzender Weise. An zahlreichen Orten konnte der Kirchennot dauernd abgeholfen werden. Von 1902–1914 war es dem Bischof vergönnt, nicht weniger als einundvierzig Kirchen in [159] seiner Diözese neu zu konsekrieren. Wie herrlich bekunden diese Kirchenbauten den Eifer der Metzer Diözesanen!
Man hört oft darüber klagen, daß wertvolle Altertümer von Kirchen, Kapellen und kirchlichen Anstalten oder auch Privatpersonen verschleudert und von Kunsthändlern um einen Spottpreis aufgekauft werden. Bischof Willibrord suchte diesem Mißstande abzuhelfen. Auf der Diözesansynode von 1911 sprach er zum erstenmal von seinem Plane, Altertümer, die für die Geschichte der Diözese wertvoll sind, in einem eigenen Diözesanmuseum zu sammeln. In einem Schreiben an seinen Klerus vom 2. Juli 1911 gibt er darüber genauere Anweisungen. Das Museum soll alte Kunstgegenstände aufnehmen, die Eigentum der betreffenden Kirchen oder Anstalten bleiben können, ferner alte liturgische Bücher der Diözese und Veröffentlichungen, die sich auf die Geschichte der Diözese und ihrer Kirchen beziehen. Gewiß hat diese Anregung großen Nutzen gestiftet.
Nicht bloß um das Äußere der Gotteshäuser kümmerte sich Bischof Willibrord, auch die Schönheit des Gottesdienstes lag ihm sehr am Herzen. Wenn man die Berichte über die jährlichen Diözesansynoden liest, ist man erstaunt, wie oft und ernst die neuen und neuesten liturgischen Vorschriften Roms eingeschärft werden. Alles sollte in der Liturgie so gehalten werden, wie Rom es wünschte. Der Bischof ging darin seinem Klerus mit dem besten Beispiele voran.
Er ließ für die Diözese ein neues Kalendarium (Festverzeichnis) aufstellen, das am 11. April 1913 und in entgültiger Form am 2. Januar 1914 die Billigung der Ritenkongregation erhielt. Das gleiche Jahr 1914 brachte das Diözesanproprium zum Brevier und Meßbuch, im Jahre 1917 folgte die Herausgabe der Choralmelodien zu den besonderen Metzer Festen.
Es war der lebhafte Wunsch des Bischofs, auch die Gläubigen zur verständnisvollen Teilnahme am öffentlichen Gottesdienste der Kirche zu gewinnen. Den Fastenhirtenbrief des Jahres 1914 [160] benützte er dazu, ihr Interesse für die gemeinsame feierliche Vesper an Sonn- und Feiertagen zu wecken. Wir lassen hier einen Abschnitt daraus folgen:
»Der eigentliche Gottesdienst am Sonntagnachmittag ist die Vesper. Sie ist so alt wie das Christentum und ist stets von der Kirche hoch in Ehren gehalten worden. Die Vesper bildet einen Hauptteil des sogenannten kirchlichen Stundengebetes. Ihr wißt, daß die Kirche Tag für Tag Gott den Herrn durch dieses feierliche, öffentliche Gebet verherrlicht, welches sie den Priestern und Ordensleuten zur Pflicht macht. In den Kathedral- und Klosterkirchen wird dieses Gebet als gemeinsames Chorgebet abgehalten, während die Seelsorger sich meistens damit begnügen müssen, es einzeln für sich zu beten. An den Sonn- und Feiertagen indes wird auch in den Pfarrkirchen die Vesper feierlich gesungen, gerade um dem gläubigen Volke Gelegenheit zu geben, in etwa an dem öffentlichen Gebete der Kirche teilzunehmen. Nächst der Teilnahme am heiligen Meßopfer gibt es keine schönere und würdigere Weise, Gott zu verherrlichen, als mit der Kirche zu beten, einzustimmen in den Gesang ihrer Psalmen und Hymnen.«
»Die Psalmen sind vom Heiligen Geiste dem König David, diesem Manne nach dem Herzen Gottes, wie die Heilige Schrift ihn nennt, eingegeben worden, auf daß die erlöste Menschheit in denselben Gott lobe und preise, ihm danke und ihm ihre Bitten vortrage. Die Psalmen haben die Frommen des Alten Bundes gesungen und in sie all ihr Bitten, Flehen und Seufzen nach dem kommenden Erlöser hineingelegt. Im Neuen Bunde haben die Christen die Psalmen sich alsobald zu eigen gemacht; die heiligen Märtyrer haben aus diesen göttlichen Liedern Stärke geschöpft zum blutigen Kampfe; die Bischöfe und Priester der ersten Zeiten haben durch das Psalmengebet den Segen von oben auf ihr mühevolles Wirken herabgefleht, und all die Jahrhunderte hindurch haben unzählige Heilige und Gerechte in den Gesängen Davids den Gefühlen ihres Herzens Ausdruck gegeben. Doch mehr als das: Unser Herr und Heiland Jesus Christus [161] selber hat in den Psalmen zu seinem himmlischen Vater gefleht und ihnen dadurch die höchste Weihe verliehen. Wie muß sich also der Christ glücklich schätzen, dieselben Psalmen singen zu dürfen, die sein göttlicher Meister auf Erden gebetet hat und die unzählige Heilige dem Heiland nachgebetet haben!«
Auf der letzten Diözesansynode des Jahres 1914 sprach der Bischof mit begeisterten Worten über »die liturgische Bewegung«. Er führte aus, daß der Heilige Vater zu Rom den Priestern ein wahres Apostolat der Liturgie anvertraue. Darum soll der Priester selbst von edler Begeisterung für die Liturgie durchdrungen sein. Er soll seine Kenntnisse von dem Gottesdienst der Kirche vertiefen und das Verständnis dafür durch Wort und Beispiel fördern, um so mitzuhelfen, die reichen Schätze zur Kenntnis zu bringen, die in der Liturgie verborgen sind. Der Priester möge schon die Kinderherzen mit Sinn und Liebe für die heiligen Meßgebräuche und den Goldgehalt der Feste erfüllen und auch für die würdige Pflege des heiligen Gesanges besorgt sein. Dieser Gesang sei nicht eine bloß zufällige Beigabe der Liturgie, im Gegenteil schreibe ihm der heilige Vater Pius X. eine hohe Bedeutung zu. Die Teilnahme des Volkes am liturgischen Gesange befördern, heiße die Gläubigen zur aktiven Teilnahme am Gebetsleben der Kirche erziehen.
Daß Bischof Willibrord auch dem Kirchengesang in seiner Diözese liebevolle Aufmerksamkeit schenkte, ist bei einem Benediktiner leicht begreiflich. Schon bevor Pius X. sein einschneidendes Motuproprio über den Kirchengesang erscheinen ließ, gab der Metzer Bischof ins einzelne gehende Verordnungen auf der Synode von 1903. Um den liturgischen Volksgesang mehr zu verbreiten, erwirkte er im gleichen Jahr bei der Schulbehörde, daß in den Volksschulen während der vorgeschriebenen Gesangsstunden auch Choralgesänge eingeübt werden durften. Im Anschluß an die Bestimmungen Pius X. setzte er am 24. September 1904 eine Kommission von 5 Mitgliedern ein, deren Aufgabe es war, die Ausführung des Motuproprios [162] über den Kirchengesang zu überwachen und auch zu bestimmen, welche Musikstücke in den Kirchen aufgeführt werden dürften. Diese Kommission hatte das Recht, im Namen des Bischofs Verfügungen zu erlassen, und waltete zum Segen der Metzer Kirche getreu ihres Amtes. Kaum waren die offiziellen Choralbücher, das Kyriale und Graduale, erschienen, so erlaubte und empfahl der Bischof deren Einführung (1905, beziehungsweise 1908). Am 8. September 1905 approbierte er ein neues deutsches Gesang- und Gebetbuch, am 27. Februar 1910 ein solches in französischer Sprache für die französisch redenden Teile der Diözese, und schrieb beide für den kirchlichen Gebrauch vor.
Wie manche französische Bischöfe, gab auch Bischof Benzler mehrere Vorschriften, um die französische Aussprache des Lateins in der Liturgie zurückzudrängen. Die erste, hierauf bezügliche Verordnung erging am 30. September 1905 an die Vorsteher der bischöflichen Seminarien. Auf Drängen der Militärbehörden, ersuchte er später am 2. Oktober 1915 die Geistlichen, den »gegenwärtigen Umständen« auch dadurch Rechnung zu tragen, daß sie, vor allem in den sprachlich gemischten Pfarreien, die französische Aussprache der lateinischen Texte im kirchlichen Gesange meiden sollten. Am 12. Juli 1919 schrieb er vor – es war dies die letzte oberhirtliche Bestimmung Bischof Willibrords –, die römische Aussprache des Lateins solle nach und nach allgemein durchgeführt werden beim liturgischen Gesang[1].
Tatkräftig unterstützt wurde der Bischof bei diesen seinen Bestrebungen um die Hebung und Förderung des Kirchengesanges durch den am 20. November 1902 gegründeten »Verband der Pfarrkirchenchöre der Diözese Metz«, den der Oberhirte am 26. Juni 1903 genehmigte und warm empfahl. Dieser Verband ließ 1904–1906 die Diözesan-Fachzeitschrift »St. Chrodegang« erscheinen. Um den Verband noch enger an den großen deutschen Bruderverein anzuschließen, [163] wurde am 23. Mai 1907 der »Cäcilienverein der Diözese Metz« ins Leben gerufen, der bis nach dem Kriege überaus segensreich wirkte. Dann legten es die neuen Verhältnisse nahe, diesen, wie auch andere, nach deutschem Muster aufgebauten Vereine neu zu organisieren. So hob Bischof Benzler im Dezember 1918 die Statuten des Cäcilienvereins auf, nachdem er anfangs Oktober den Domherrn Roupp beauftragt hatte, für die treue Beobachtung der Vorschriften des Motuproprios Pius' X. in der Diözese Sorge zu tragen. Am 30. Januar 1919 ward ein neuer kirchenmusikalischer Verein gegründet unter dem Namen »Oeuvre dœcésaine de St. Chrodegang«. Er läßt seitdem unter der Oberleitung von Domherr Roupp die kirchenmusikalische Zeitschrift »Revue Saint Chrodegang« erscheinen. Bischof Willibrord spendete dieser Zeitschrift am 7. April 1919 Worte herzlicher Empfehlung, da er überzeugt sei von dem wunderbaren Einfluß, den die reinen Harmonien des kirchlichen Gesanges auf die Frömmigkeit und den Eifer der Gläubigen ausüben.
- ↑ Die gleiche Vorschrift erließ Kardinalerzbischof Dubois von Paris am 9. Oktober 1921.