Erinnerungen aus meinem Leben/Bischof Willibrord als Lehrer und Hirte seiner Diözesanen

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aus: Erinnerungen aus meinem Leben
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von: Willibrord Benzler
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Bischof Willibrord als Lehrer und Hirte seiner Diözesanen


Gleich am ersten Abend nach seiner Ankunft in Metz hatte der Oberhirte feierlich als sein Programm bezeichnet, allen alles zu werden. Dieses Programm schwebte ihm von Anfang an als Ziel vor Augen.

Die Verhältnisse, die Bischof Willibrord in seiner Diözese vor­fand, erforderten viel Zartsinn und Klugheit. Manche Traditionen waren seit langem bodenständig. Der Oberhirte war gerecht und selbstlos genug, auf sie Rücksicht zu nehmen. Er ließ ruhig beste­hen, was den Kirchengesetzen nicht widersprach und dem Seelen­heile diente. Auch für die nationale Eigenart der Lothringer zeigte er jederzeit liebevolles Verständnis. Wie es seine hohepriesterliche Aufgabe von ihm forderte, wollte er vom ersten Tage an zielbewußt allen wirklich alles werden.

Das Verhältnis zu seinen Diözesanen spiegelt sich vor allem in seinen Hirtenbriefen. In ihnen redet er wie ein Vater zu seinen Kindern, so einfach und schlicht, so herzlich und doch so beredt, daß man fühlt, jedes Wort kommt aus einem liebenden Vaterherzen.

Der Bischof beschränkte sich nicht darauf, zu Beginn der Fasten­zeit Mahnworte an sein Schäflein zu richten. Er benützte auch jede andere passende Gelegenheit dazu, z. B. seine Romreisen, ver­schiedene Jubiläen, so das Jubiläum der Verkündigung des Glaubens­satzes der Unbefleckten Empfängnis Mariä, das goldene Priester­jubiläum Pius' X. Jedesmal wußte er Worte daran zu knüpfen, die seine Gläubigen im Guten förderten. In manchen Jahren ließ er zwei und drei Hirtenschreiben erscheinen.

Der erste Fastenhirtenbrief des Jahres 1902 knüpft sinnig an den Hirtenbrief vom Tage seiner Bischofsweihe[1] an. Darin war der [165] Bischof mit dem Friedensgruß »Pax« vor seine Diözesanen getreten. Nun führt er in packender Weise aus, worin der wahre Friede zu suchen sei. Es heißt da: »Der Friede Christi ist in erster Linie Aussöhnung mit Gott, Tilgung der Sünde. Die Sünde ist in der Tat das große Hindernis des wahren Herzensfriedens: die Sünde hat die ersten Menschen ins Unglück gestürzt, ihnen den Frieden geraubt: die Sünde allein ist es, die auch jetzt noch die Menschen unglücklich macht und sie keinen Frieden finden läßt.«

»Wir sind für Gott geschaffen, Gott ist unser Ziel und unsere Bestimmung; wir können darum auch nur in ihm Ruhe und Frieden finden. Mag man den Fisch, der aus dem Wasser gezogen ist, auf Rosen betten, er kann nicht leben; mag man den Adler, der hoch in den Lüften schwebt, auch in einen goldenen Käfig sperren, er wird die verlorene Freiheit nicht verschmerzen. Was für den Fisch das Wasser, für den Adler die hohe Luft, das ist für das Menschen­herz Gott der Herr; Gott ist das Lebenselement unserer Seele, außer­halb dieses Elementes können wir nicht glücklich sein, nicht Ruhe und Frieden finden. Dem Adler gleich müssen wir uns erheben über die Niederungen der Erde müssen uns zu Gott aufschwingen und in ihm ruhen.«

Im folgenden Jahre belehrte der Bischof seine Gläubigen vor der Fastenzeit über die Aufgabe und den Wert des Gebetes. Er schließt das Hirtenschreiben mit den schönen Worten: »Die große heilige Theresia wünschte sich auf einen Berg, so hoch, daß sie die ganze Welt zu überblicken vermöchte, und eine Stimme so laut, daß alle Menschen sie vernehmen könnten; und ich würde, sagte sie, meine Stimme erheben und mit aller Kraft rufen: O ihr Menschen, betet, betet, betet! Denselben Mahnruf richten Wir in väterlicher Liebe an Euch alle, die ihr Unserer oberhirtlichen Fürsorge anvertraut seid. Möge keiner aus Euch denselben überhören, sondern mögen alle ihn zu Herzen nehmen und treu befolgen ...«

Es lag dem eifrigen Oberhirten ungemein am Herzen, seine Schäf­lein im Glauben zu festigen und vor den Gefahren zu schützen, [166] die diesem Fundamente des christlichen Lebens drohen. Vor solch einer Gefahr wollte der Fastenhirtenbrief des Jahres 1904 warnen. Er schildert in eindringlicher Weise das furchtbare Verderben, das die schlechte Presse anrichtet, und klingt aus in den ernsten Worten: »Die Zukunft unserer Diözese wird zum großen Teil da­von abhängen, was in derselben gelesen wird. Wenn die guten Schriften und Tagesblätter die schlechten verdrängen, dann wohl uns, würden aber die schlechten die Oberhand gewinnen, dann wehe uns; es wäre geschehen um den christlichen Geist in weiten Kreisen der Bevölkerung. Wollen wir, daß unser katholisches Volk den Glauben und die christlichen Sitten bewahre und auf die Nach­kommen vererbe, dann müssen wir mit allen Mitteln dem zerstörenden Einflusse der schlechten Presse entgegenarbeiten.«

Damit war der Bischof noch nicht zufrieden. Schon am 10. August des gleichen Jahres ließ er auf allen Kanzeln noch einmal in einer Unterweisung alle auf die ernste Gewissenspflicht aufmerksam machen, die schlechte, glaubensfeindliche Presse nicht zu unter­stützen, vielmehr zu meiden. Dieses Mahnwort mußte von da an in jedem Jahr am zweiten Sonntag im September den Gläubigen vor­gelesen werden. In einem Rundschreiben an seinen Klerus vom 21. Januar 1912 klagt Bischof Willibrord wieder über die schlechte Presse, die »jeden Tag in Stücke schlägt, was priesterlicher Eifer mit vieler Mühe in den Seelen aufbaut«, und bittet seine Priester, ihn im Kampfe gegen die schlechten Preßerzeugnisse energisch zu unter­stützen durch Belehrung des Volkes und Gründung von guten Volksbibliotheken.

Im Jahre 1905 suchte der Bischof das kostbare Gut des Glaubens im Fastenhirtenbrief positiv zu fördern. Er handelte von der Gleichgültigkeit im Glauben und von dessen Pflege durch Katechese, Predigt und gute Lektüre.

Eine andere große Gefahr für den Glauben bildete den Gegenstand des Hirtenbriefes vom Jahre 1909, die gemischten Ehen. Der Bischof belehrte in praktischer, leicht verständlicher Form über [167] die Mischehen und die Gefahren, die sie für den Glauben der Katho­liken im Gefolge haben. Von gewisser Seite hat man dem Bischof den Freimut, womit er darin seinen Finger auf eine Eiterbeule legte, sehr verübelt. Vor allem hat ihn deshalb der Evangelische Bund in scharfer, zum teil gehässiger Weise angegriffen. Der Bischof ließ sich aber dadurch nicht beirren, er blieb auf der einmal beschrittenen Bahn und verordnete, daß auch dieses Hirtenmahnwort jährlich von der Kanzel verlesen werde.

Über eine andere Wunde am Volkskörper handelte der Fasten­hirtenbrief des Jahres 1910. Nachdem auf der Diözesansynode 1909 genaue statistische Angaben über den Mißbrauch des Alkohols eingefordert waren, konnte der Bischof in diesem Hirtenbrief aus den Erfahrungen in seiner eigenen Diözese das furchtbare Unheil des unmäßigen Alkoholgenusses schildern und geeignete Schutz­mittel dagegen anempfehlen.

Im Hirtenbrief des Jahres 1906 sprach der Bischof über den christ­lichen Tod. Er fügte praktische Winke an, wie man sich in der Todes­stunde verhalten solle; recht eindringlich empfiehlt er den Gläubigen, den Priester zu den Sterbenden zu rufen[2]. Er betont da unter an­derem: »Es ist Unser innigster Wunsch, wie es auch der Wille der Kirche ist, daß, soviel dies nur immer möglich ist, die Sterbenden unter dem Beistande ihres Seelsorgers von hinnen scheiden. Wie der Priester es ist, der uns alsbald nach der Geburt durch die heilige Taufe in die Kirche Gottes aufgenommen hat; wie der Priester es ist, der uns durchs ganze Leben geleitet und in allen Lagen uns die Gnaden und Segnungen der heiligen Kirche spendet, so soll der Priester auch gleichsam unseren letzten Atemzug entgegennehmen und die durch seinen heiligen Dienst gereinigte und begnadigte Seele Christus, dem himmlischen Könige zuführen«.

»Wenn in einzelnen Pfarreien unserer Diözese es bisher nicht üblich war, den Seelsorger zu den Sterbenden zu rufen, um ihnen im Augen­blicke [168] des Todes beizustehen, so wünschen wir dringend, daß in Zukunft die Gläubigen nichts versäumen, um sich und den Ihrigen im Sterben die große Gnade des priesterlichen Beistandes zu sichern. Kein gewöhnlicher Christ, und wäre es auch der frömmste und erfahrenste, kann in der Todesstunde den Priester ersetzen. Eure eifrigen Seelsorger, dessen sind wir sicher, werden sich glücklich schätzen, den ihnen anvertrauten Seelen in der letzten schweren Not helfend zur Seite zu stehen und sie ins bessere Leben hinüber zu geleiten. Darum möget Ihr alle, auch diejenigen, welche es bisher nicht zu tun pflegten, Euch vertrauensvoll an Euren Seelsorger wen­den, um ihn zu den mit dem Tode ringenden Angehörigen zu rufen. Eure Seelenhirten werden Euch Dank wissen, wenn Ihr ihnen also die Erfüllung einer heiligen Hirtenpflicht erleichtert. Nehmet Euch ein Beispiel an den Gläubigen in anderen Gegenden, die alles daran­setzen und vor keinem Opfer zurückschrecken, um im Tode das Glück des priesterlichen Beistandes sich zu verschaffen ...«

In den Jahren 1907, 1908 und 1911 behandelte Bischof Willibrord in den Fastenhirtenbriefen den Internationalen Eucharistischen Kongreß, die öftere heilige Kommunion und die frühe Kinderkommunion. Davon wird in einem eigenen Abschnitt die Rede sein. Die Hirtenbriefe der Jahre 1912, 1913 und 1914 wollten An­leitung zur Heiligung des Sonntags geben. 1912 legte der Bischof die Pflicht der Sonntagsruhe dar, 1913 schilderte er die Würde des heiligen Meßopfers und 1914 mahnte er zum Besuche der Predigt, Christenlehre, Vesper[3] und zu frommer Lesung.

Als der Krieg ausgebrochen war und so unsägliches Weh über das lothringische Grenzland brachte, suchte der Oberhirte seine Diözesanen durch herzliche Hirtenschreiben zum Gottvertrauen, zur Leidensstärke und Nächstenliebe zu erziehen. So spricht er im Eingang des Fastenhirtenbriefes 1915:

[169] »Schon sechs Monate läßt Gott der Herr uns die furchtbare Geißel des Krieges fühlen. Der Tod hat reiche Ernte gehalten. Kaum ein Dorf gibt es, in dem der Krieg nicht seine Opfer gefordert hätte. Unsere Diözese hat zum Teil die Schrecken des Krieges unmittelbar an sich erfahren. Zerstörte oder beschädigte Kirchen und Häuser, verlassene Ortschaften, sind die traurigen Wahrzeichen der heißen Kämpfe, die auf unserem Boden stattgefunden haben. Schmerz und Trauer haben überall ihren Einzug gehalten. Die schweren Heim­suchungen, welche meine geliebte Diözese getroffen haben, sind mir tief zu Herzen gegangen, und es ist mir ein großes Leid, daß ich nicht überall Hilfe bringen konnte, wie ich es wünschte und wie es notwendig gewesen wäre. Umso mehr möchte ich Euch allen geistige Hilfe, Ermunterung und Trost spenden. Wohl habt Ihr – und das gereicht Euch zur Ehre – die harten Prüfungen mit Würde und mit christlichem Starkmut ertragen und seid bereit, dies auch in Zukunft zu tun. Aber Belebung des Gottvertrauens tut uns allen not, damit wir nicht erliegen auf dem Kreuzwege, den Gott uns führt, sondern in Geduld und fester Zuversicht ausharren bis zum Ende«. Dann belehrt Bischof Willibrord seine Gläubigen, wie sie den hei­ligen Kreuzweg beten und aus ihm Trost und Kraft in der schwe­ren Zeit schöpfen können.

Der Hirtenbrief des Jahres 1916 will den Gläubigen den Segen der Leiden sichern und schildert daher den Nutzen und Zweck der Heimsuchungen; auch empfiehlt er die öftere würdige heilige Kom­munion, welche die Seele leidensstark mache. Bei der langen Dauer des Krieges war es schon am Platze, daß der Fastenhirtenbrief des Jahres 1917 aufklärende und tröstende Worte über die göttliche Vorsehung brachte, die auch im furchtbaren Weltkriege nicht ver­sagte. Im Jahre 1918 wandte sich der Bischof mit verschiedenen Mahnungen an seine Gläubigen, wie sie die damaligen Verhältnisse notwendig machten. Der letzte Fastenhirtenbrief brachte das große eucharistische Programm des Bischofs zu einem krönenden Abschluß er handelt von der Weihe der Familien an das göttliche Herz Jesu.

[170] Der Oberhirte redete zu seinen Gläubigen nicht allein in den ge­meinsamen Schreiben an alle, auch in persönlichen Verkehr trat er mit seinen Schäflein, vor allem auf seinen Firmungsreisen. Jedes Jahr führte ihn die Spendung dieses heiligen Sakramentes durch eines der vier Archidiakonate Metz, Saarburg - Château-Salins, Saargemünd und Diedenhofen. Damit verband er manche Pfarrvisitationen. Da er der Firmung wegen die Visitationen nicht selbst überall vornehmen konnte, bestimmte er im Jahre 1904 auf der Diö­zesansynode, daß die 35 Erzpriester in seinem Namen alle vier Jahre die kanonische Visitation in den Pfarreien ihrer Bezirke vornehmen sollten.


  1. Siehe S. 146 ff.
  2. Siehe S. 153.
  3. Siehe Seite 160 f.