Textdaten
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Autor: M. Schramm-Macdonald
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Titel: Erika Wedekind
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aus: Die Gartenlaube, Heft 24, S. 771
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1899
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[771] Erika Wedekind. (Mit Bildnis.) Wie ein Meteor ist dieser Name vor wenigen Jahren am Himmel der deutschen Gesangskunst aufgetaucht, aber er ist nicht, wie ein solches, rasch ins Dunkel zurückgekehrt, sondern hat an Glanz gewonnen und strahlt heute bereits weit über die Grenzen unseres Vaterlandes hinaus. Das Talent der jungen Sängerin, die ihn trägt, ist ebenso groß wie das Können, über welches die nicht viel über zwanzig Jahre zählende, hochstrebende Künstlerin verfügt.

Gar viele finden das seltene Glück, welches die Kunstnovize vom Konservatorium sofort, und zwar als Vertreterin erster Partien, auf die Dresdener Hofbühne versetzte, ganz erstaunlich. Sie vergessen dabei, daß Verdienst und Glück gar gern zusammengehen.

In Hannover geboren, verlebte Erika Wedekind auf dem schweizerischen Schlosse Lenzburg, das auf hohem Bergkegel das gleichnamige Städtchen überragt und das ihr Vater, der Arzt Dr. Wedekind, sich nach seinen Weltwanderungen als Ruhesitz käuflich erworben hatte, ihre Kindheit, umgeben von zahlreichen Geschwistern. Des geliebten Vaters segensreichen Beruf ausüben zu dürfen, erschien ihr als das stolzeste Ziel ihrer Mädchenwünsche: sie beschloß, Aerztin zu werden. Das väterliche Veto schnitt jedoch diesem Plan den Lebensfaden ab, und auch Erikas nunmehr erfaßte Idee, sich zur Lehrerin auszubilden, fand bei ihm wenig Sympathie. Sie hatte sich bereits mit ihrem Jugendgespielen Walther Oschwald verlobt, als sie sich über ihren Beruf zur dramatischen Gesangskunst klar ward. Im Jahre 1891 wurde sie Schülerin der einst vielgefeierten Sängerin und jetzigen berühmten Gesangsmeisterin Aglaja Orgeni in deren Spezialgesangsklasse am Dresdener Konservatorium, bei der ihr Talent eine vorzügliche Ausbildung fand.

Erika Wedekind als Regimentstochter.
Nach einer Aufnahme von Hofphotograph W. Höffert in Dresden.

Die Kunstnovize hatte bereits mehrfach bei der Mitwirkung in auswärtigen öffentlichen Musikaufführungen erfolgreich ihre außerordentliche Leistungsfähigkeit in der Kantilene sowohl, wie im kolorierten Gesange bewiesen, als sie bei Gelegenheit eines Wohlthätigkeitskonzertes in Dresden die zahlreiche Zuhörerschaft besonders durch den technisch tadellosen und auch geistig beseelten Vortrag der großen Scene aus „Norma“ zu lebhaftestem Beifall hinriß. Unter den Zuhörern befand sich auch der damals gerade erst zum Generalintendanten der Dresdener königl. Hoftheater ernannte Graf Seebach, der, die Bedeutung der jungen Sängerin und ihre Entwicklungsfähigkeit erkennend, sie sofort zu einem Probegastspiel auf der berühmten Kunststätte einlud, an der einst eine Schröder-Devrient gewirkt und die höchsten Triumphe edelster Kunst gefeiert hatte. Am 15. März 1894 debütierte Erika Wedekind als Frau Fluth in den „Lustigen Weibern von Windsor“. Wie Lerchenjubel erfüllte ihr silberheller, in köstlicher Jugendfrische blühender Sopran das weite Haus, das bald darauf von Beifallsstürmen wiederhallte, wie sie das schmucke Schweizerkind selbst in seinen kühnsten Hoffnungsträumen kaum hatte erwarten können. Erika Wedekind war mit einem Schlag der Liebling des Publikums und für die Kritik eine Persönlichkeit geworden, mit der man rechnen mußte und mit Freuden auch rechnete. Ihr Repertoire ist inzwischen sehr gewachsen; die fröhliche Marie in der Donizettischen „Regimentstochter“, die träumerische Thomas’sche Mignon uno das lustige Humperdinck’sche Gretel, die vornehme Leonore im „Troubadour“, die kokette Nedda im „Bajazzo“ und die zierliche Papagena in der „Zauberflöte“, das neckische Aennchen im „Freischütz“ und viele andere von Erika Wedekind verkörperte Operngestalten haben sich nicht allein durch ihre Wahrheit und Lebendigkeit, sondern auch durch interessante individuelle Züge in diesem Repertoire hervorragende Plätze gesichert. Durch einen neuen Kontrakt hat Graf Seebach die Künstlerin auf Jahre hinaus Dresden zu erhalten gewußt, wo sie jetzt in glücklicher Ehe als Frau Walther Oschwald lebt. M. Schramm-Macdonald.