Entwickelung der Erdrinde mit ihren Bewohnern

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Autor: Carl Ernst Bock
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Titel: Entwickelung der Erdrinde mit ihren Bewohnern
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aus: Die Gartenlaube, Heft 9 und 10, S. 138–140 und 153–156
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1872
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[138]
Entwickelung der Erdrinde mit ihren Bewohnern.
I.


Die Erde, wahrscheinlich ein abgetrenntes Stück unserer Sonne (wie auch die übrigen Planeten unseres Sonnensystems), war zu Anfange ein feurig-flüssiger Körper, an dessen Oberfläche sich durch Ausstrahlung der inneren Gluthhitze in den kalten Weltenraum, durch Abkühlung und Erstarrung des obersten Feurigflüssigen, allmählich eine dünne Rinde oder Kruste bildete, welche im Verlauf der Zelt nach und nach etwas an Dicke zunahm, doch nur so, daß sie in der Gegenwart noch lange nicht den hundertsten[WS 1] Theil vom ganzen Durchmesser der Erde bildet und nur etwa fünfzehn bis zwanzig Meilen dick ist. Noch jetzt befindet sich das Innere unseres Erdballes in einem feurig-flüssigen Zustande, in Weißglühhitze (Centralfeuer), und dafür spricht: zuvörderst die Temperatur der Erdrinde, welche nach dem Innern hin stetig zunimmt und zwar so, daß auf jede hundert Fuß Tiefe die Temperatur um einen Grad wächst. In einer Tiefe von zehntausend Fuß siedet das Wasser; bei acht Meilen Tiefe muß eine Hitze von achtzehnhundert Grad herrschen und das Eisen schmelzen, und bei etwa fünfzehn Meilen werden alle festen Stoffe unserer Erdrinde sich in geschmolzenem, feurig-flüssigem Zustande erhalten. Es sprechen ferner dafür: die Quellen, welche aus beträchtlicher Tiefe hervorkommen und Wasser in kochendem Zustande liefern; sodann die Vulcane, welche aus dem Erdinnern feurig-flüssige Gesteinsmassen (als Lava) durch einzelne Erdrinden-Oeffnungen herauswerfen.

Die erste, aus einer geschmolzenen, anfangs Schlacken bildenden Masse hervorgegangene krystallinische Erhärtungskruste wird die ganze Oberfläche der Erde als eine zusammenhängende, glatte, dünne Schale gleichmäßig überzogen haben und von einer glühendheißen, sehr schweren und enormen Druck ausübenden Atmosphäre umgeben gewesen sein, in welcher das Wasser nur in Dampfform existiren konnte, so daß zu dieser Zeit die Luft für die Sonnenstrahlen undurchdringlich gewesen sein und tiefe Finsterniß auf der Erde geherrscht haben muß. Durch die fortschreitende Abkühlung des feurig-flüssigen Kerns verdichtete sich dieser (wodurch der ganze Erddurchmesser sich verkleinerte), die dünne starre Rinde rings um denselben zerborst an vielen Stellen und die Oberfläche derselben wurde dadurch uneben und höckerig. Auch indem die abgekühlte Rinde durch den Erstarrungsproceß sich selbst zusammenzog und so Sprünge und Risse bekam, aus welchen Feuerflüssiges hervorquoll, entstanden Zerklüftungen und Unebenheiten auf derselben.

Erst nachdem die Temperatur auf der äußern Oberfläche des Erdballs bis zu dem Grade gesunken war, daß das Wasser sich aus der Dampfform in tropfbarflüssigen Zustand verdichten konnte, kam die erste Entstehung des Wassers zu Stande und mit dieser, durch Herabfallen des Wassers aus der Luft auf die Erde, eine Klärung der bis dahin trüben atmosphärischen Luft. Natürlich war das Wasser (das Urweltmeer), sowie die mit Kohlensäure und anderen schädlichen Gasen geschwängerte Luft noch in glühend heißem Zustande. – Die erste Rindenschicht, welche den feurigen Erdkern umschließt und die höchst wahrscheinlich zu wiederholten Malen der Zertrümmerung und Auflösung unterworfen war, besteht aus den härtesten Gesteinen (Granit, Syenit, Basalt, Porphyr, Grünstein) und den schwersten Metallen. Wegen ihres Reichthums an Kieselgestein (Silicaten) wird sie auch „Silicatmantel“ genannt. Die sich an die innere Fläche dieses Mantels anlagernden Gesteine erhielten den Namen „Urgesteine, plutonische oder Massengesteine“.[1] – Ueber dem Silicatmantel bildete sodann das durch die Sprünge dieser Erstarrungsschicht hervorquellende und sich mit dem glühendheißen Wasser mengende Feurigflüssige eine zweite (vulcanische) Gesteinsschicht, welche theils durch Abkühlung, theils durch den Druck der Atmosphäre und den großen Druck der nachfolgenden Rindenschichten in krystallinischen Zustand versetzt wurde und sich durch ihr wellenförmiges, schieferiges Gefüge auszeichnet. Diese vulcanisch-neptunischen Bildungen werden deshalb „Schiefergesteine“ (Urthonschiefer) genannt und bestehen hauptsächlich aus Gneiß, Glimmer- und Talkschiefer. Aus diesen, jetzt die erste Erdrindenschicht zusammensetzenden Gesteinen bildete sich nun durch die zerstörende Kraft des Wassers und der Luft Erdboden.

Das in Form von wolkenbruchähnlichem Regen aus der Atmosphäre auf die steinigen, aus dem Urweltmeer hervorragenden Erhöhungen herabstürzende Wasser leitete nämlich mit der atmosphärischen Luft einen Zerstörungsproceß (die Verwitterung) dieser Gebirge ein, spülte das zerstörte Gestein von der Höhe der Berge herunter und lagerte dasselbe als schlammig-steinige Erde zuerst auf dem Boden des Urweltmeeres, später über dem Wasser rings um den Fuß der Gebirge und in den Klüften zwischen diesen schichtenweise ab. Mit Hülfe von Wasserfluthen wurde die steinige Schlamm- und Erdmasse über die Erdoberfläche hin verbreitet, und diese Verbreitung geschah theils so, daß das Wasser gewisse Mineralien auflöste, die sich dann entweder als solche oder mit anderen zu neuen Stoffen verbunden hier und da wieder ausschieden, theils dadurch, daß es dergleichen Stoffe nur mit sich fortriß und später an dieser oder jener Stelle wieder fallen ließ. – Auf dem so entstandenen Erdboden, einem neptunischen Gebilde, kamen sodann, nachdem die hohe Temperatur des Wassers und der Luft insoweit noch gesunken war, daß sie das Leben organischer Körper nicht mehr vernichtete, zuerst Pflanzen und nach ihnen Thiere von der allereinfachsten Organisation zum Vorschein. Beide Organismen entwickelten sich höchst wahrscheinlich durch Urzeugung aus anorganischen Stoffen und verdanken vorzugsweise dem Wasser (aus welchem zu fast vier Fünfteln die Organismen bestehen) ihre Lebensfähigkeit.

Seit dieser Zeit setzt das Wasser seine außerordentlich wichtige Wirksamkeit ununterbrochen fort, erzeugt fort und fort neptunische Umbildungen der Erdrinde und gestaltet dadurch die Erdoberfläche fortwährend, wenn auch langsam, um. Indem es als Regen niederfällt, die obersten Schichten der Erdrinde durchsickert und von den Erhöhungen in die Vertiefungen herabfließt, löst es verschiedene mineralische Bestandtheile des Bodens chemisch auf und spült mechanisch die locker zusammenhängenden Theilchen hinweg. An den Bergen herabfließend, führt das Wasser den Schutt derselben in die Ebene und lagert ihn als Schlamm im stehenden Wasser ab. Ebenso arbeitet die Brandung des Meeres ununterbrochen an der Zerstörung der Küsten und an der Auffüllung des Meeresbodens durch die herabgeschlemmten Trümmer. – Würde dieser Thätigkeit des Wassers nicht durch vulcanische und plutonische Hebungs- und Senkungsprocesse entgegengetreten, so würde im Verlauf der Zeit die Erdoberfläche geebnet und von einer zusammenhängenden Wasserschale umschlossen sein. Aber die Reaction des feurigflüssigen Erdkerns gegen die feste Rinde bedingt ununterbrochen, meistens sehr langsam und allmählich, wechselnde Hebungen und Senkungen an den verschiedensten Stellen der Erdoberfläche. Indem diese Hebungen und Senkungen der verschiedenen Erdtheile im Laufe von Jahrmillionen vielfach mit einander wechseln, kommt bald dieser, bald jener Theil der Erdoberfläche über und unter den Spiegel des Meeres, und es bilden sich durch anorganische und organische Ablagerungen verschieden dicke Gesteinsschichten von der verschiedenartigsten Zusammensetzung, mit Resten von pflanzlichen und thierischen Organismen. Auch Pflanzen und Thiere sind immerfort mit thätig, um den Meeresboden zu erhöhen; in den oberen Meereszonen sind es besonders die Nulliporen, Muscheln und Korallen, in der Abgrundzone die mikroskopisch kleinen Diatomaceen, Polythalamien und Zellenthierchen, welche zu Myriaden vorhanden sind und die Fällung der Kiesel- und Kalkerde vermitteln.

Weil man die Stoffe, welche sich aus dem Wasser und zwar gewöhnlich in Schichten über einander absetzen, „Sedimente, Niederschläge“ nennt, so erhielten alle die Erdschichten oberhalb des Massen- und Schiefergesteins (aus welchem sie durch Verwitterung hervorgingen) den Namen „sedimentäre oder Schichtgebilde, Flötzgebirge, geschichtete Niederschlagsgebirge“. Die wesentlichsten Bestandtheile dieser Schichten sind: Thonerde, Kieselerde und Kalkerde, welche Mineralien die Bildung von Thonschichten, Sand- und Kalksteinen veranlaßten. Diese mehr [139] oder weniger concentrisch (zwiebelschalenartig) über einander lagernden Erdschichten sind an verschiedenen Stellen der Erde von verschiedener Dicke, Form und Structur, auch hier und da verschoben und von unterliegenden Gesteinen durchbrochen. – Zwischen diesen verschiedenen sedimentären Schichten finden sich nun aber nicht etwa schroffe Grenzen, so daß man, wie dies früher angenommen wurde, an zeitweilige Erdrevolutionen oder Katastrophen denken könnte, welche Alles, was zu dieser Zeit bestand, vernichtete, so daß alsdann nach Beendigung der Katastrophe eine vollständig neue Schöpfung stattfinden mußte. Nur ganz allmählich gehen die unorganischen und organischen Bestandtheile einer Sedimentschicht in die andere über. Jedoch zeichnet sich eine jede Schicht vor der andern in Etwas durch ihren anorganischen und organischen Gehalt aus, so daß man allerdings eine bestimmte Reihe auf einander folgender Schichten (Perioden) unterscheiden kann. Niemals finden sich aber in einer dieser Schichten so ganz neue organische und unorganische Körper vor, daß diese von denen der vorhergehenden und nachfolgenden Periode vollständig verschieden wären. Uebrigens bedarf es solcher räthselhafter Revolutionen und Schöpfungsnachschübe zur Erklärung der Veränderungen, welche bis jetzt auf der Erdoberfläche mit dem Erdboden, den Pflanzen, Thieren und Menschen vor sich gegangen sind, gar nicht, da ganz ähnliche Vorgänge noch jetzt unter unseren Augen vor sich gehen. Hebungen und Senkungen des Erdbodens finden fortwährend statt, die Vertheilung von Wasser und Land an der Erdoberfläche befindet sich in ununterbrochenem Wechsel und Land und Meer streiten sich beständig um die Herrschaft; seitdem tropfbar-flüssiges Wasser auf der Erde existirt, haben die Grenzen von Wasser und Land sich immerfort verändert. Ununterbrochen nagt die Brandung an dem Saume der Küsten und was das Land an diesen Stellen beständig an Ausdehnung verliert, das gewinnt es an anderen Stellen durch Anhäufung von Schlamm, der sich zu festem Gestein verdichtet und sich als neues Land über den Meeresspiegel erhebt. Von festen und unveränderlichen Umrissen unserer Continente kann keine Rede sein. – Wenn nun diese Hebungs- und Senkungsprocesse auch so langsam geschehen, daß sie im Laufe eines Jahrhunderts die Meeresküste nur um wenige Zoll oder sogar nur um Linien heben oder senken, so bewirken sie doch im Laufe langer Zeiträume großartige Resultate. Continente und Inseln sind unter Meer versunken und neue sind daraus emporgestiegen; Seen und Meere sind langsam gehoben worden und ausgetrocknet, und neue Wasserbecken sind durch Senkung des Bodens entstanden; Halbinseln wurden durch Versinken der Landenge zu Inseln u. s. f. So hat z. B. früher Afrika mit Spanien, England mit dem europäischen Festlande, Europa sogar mit Nordamerika zusammengehangen; so war einst das Mittelmeer ein Binnensee und die Südsee, sowie der indische Ocean waren Continente. Letzterer Continent, welcher sich von den Sunda-Inseln längs des südlichen Asiens bis zur Ostküste von Afrika erstreckte, wurde von Sclater wegen der für ihn charakteristischen Halbaffen „Lemuria“ genannt. Hier ist wahrscheinlich die Wiege des Menschengeschlechts, wo dieses aus Anthropoiden oder Menschen-Affen hervorging. Der heutige malayische Archipel bestand früher (nach Wallace) aus zwei ganz verschiedenen, durch eine Meerenge getrennten Continenten, von denen der westliche (der indo-malayische Archipel) mit dem asiatischen Festlande, der östliche (austral-malayische Archipel) mit Australien zusammenhing; beide Continente sind größtentheils unter den Meeresspiegel versunken. – In der Jetztzeit steigt die Küste von Schweden und ein Theil der Westküste Südamerikas beständig langsam empor, während die Küste von Holland und ein Theil von der Ostküste Südamerikas allmählich untersinkt. So ist Nantwich in Cheshire (England) seit einigen Jahren fortwährend im Sinken begriffen. – Kurz es haben niemals Umwälzungen über die ganze Erdoberfläche auf einmal stattgefunden, nur örtliche Katastrophen haben sich auf langsame, allmähliche und unmerkliche Weise entwickelt.

Da die Hebungen und Senkungen der verschiedenen Erdtheile im Laufe von Jahrmillionen vielfach mit einander wechselten, so giebt es wahrscheinlich keinen Oberflächentheil der Erdrinde mehr, der nicht schon wiederholt über und unter dem Meeresspiegel gewesen wäre. Durch diesen vielfachen Wechsel erklärt sich die Mannigfaltigkeit und die verschiedenartige Zusammensetzung der zahlreichen neptunischen Gesteinsschichten, welche sich an den meisten Stellen in beträchtlicher Dicke über einander abgelagert haben. – Die verschiedenen übereinander abgelagerten Schichten der neptunischen Gesteine, welche zusammen eine Rinde von etwa hundertdreißigtausend Fuß bilden und in sehr mannigfaltiger Weise aus Kalk, Thon und Sand zusammengesetzt sind, werden von den Geologen in Gruppen oder Perioden eingetheilt und davon fünf große Hauptabschnitte (Terrains, Zeitalter) bezeichnet, jeder mit mehreren untergeordneten Schichtengruppen (Systemen), die wieder aus kleineren Gruppen (Formationen) bestehen. – Die Hauptabschnitte sind: das primordiale, primäre, secundäre, tertiäre und quartäre Zeitalter.

Die Zonen-Unterschiede, welche zur Zeit auf unserer Erde, in Folge der Verdickung der Erdrinde und der Einwirkung der Sonnenwärme, sehr auffallend hervortreten, bestanden vor der Quartärzeit noch nicht und es herrschte damals auf der ganzen Erde, veranlaßt durch den feurig-flüssigen Erdkern, nur ein Klima, und zwar ein gleichmäßig heißes, welches dem heißesten Tropenklima der Jetztzeit nahe stand oder dasselbe noch an Wärme übertraf. Wie die versteinerten Reste von Pflanzen beweisen, war damals der höchste Norden mit Palmen, Tulpenbäumen, Lorbeern, Myrthen und anderen Tropengewächsen üppig bedeckt und Tiger, Rhinocerosse und Elephanten wandelten unter ihnen. Nur sehr langsam und allmählich nahm späterhin dieses Klima ab und erst im Beginn der Tertiärzeit erfolgte, wie es scheint, die erste wahrnehmbare Abkühlung der Erdrinde von den beiden Polen her und damit die erste Sonderung verschiedener klimatischer Zonen. – Innerhalb der Tertiärperiode ging dann allmählich die Abkühlung so weit, daß an beiden Polen der Erde das erste Eis entstand. Dieser Klima-Wechsel übte einen enormen Einfluß auf das organische Leben aus und zog theils Aussterben von Organismen, welche sich der Kälte nicht anpassen konnten, nach sich, theils veranlaßte es Auswanderungen derselben nach wärmeren Gegenden. – In der Diluvialzeit sank die Temperatur von den Polen her noch immer fort, ja selbst noch weit unter den heutigen Frostgrad herab. Vom Nordpol breitete sich die Kälte über das nördliche und mittlere Asien, Europa und Nordamerika aus und erzeugte hier eine zusammenhängende Eisdecke, welche bei uns bis gegen die Alpen gereicht zu haben scheint. Vom Südpol erstreckte sich das Eis über einen großen Theil der südlichen Halbkugel. So blieb zwischen diesen beiden Eismeeren nur noch ein schmaler Gürtel übrig, auf welchem noch genug Wärme für Organismen vorhanden war. Diese im ersten Abschnitt der Diluvialzeit auftretende Eisdeckenbildung wird als „Eiszeit, Glacialperiode“ bezeichnet, und während dieser existirte der Mensch schon. – Kenntniß von dieser Eiszeit erhielt man durch die sogenannten Wander- oder Irrblöcke (erratische Steinblöcke) und die Gletscherschliffe, deren Bedeutung zuerst von Schimper, dann von Charpentier, Agassiz und Forbes aufgeklärt wurde. Die Irrblöcke wurden als durch Eisschollen von ihrem Wohnorte hier und dahin in entfernte Gegenden transportirte Felsstücke erkannt. – Nur ganz allmählich gewann die Sonne Herrschaft über jene Eismassen und es kamen so die jetzigen Zonen-Unterschiede und die Jahreszeiten zu Stande. – Aber nicht blos einmal scheint eine solche Eiszeit auf der Erde bestanden zu haben, sondern ein wiederholter Wechsel zwischen Eistemperatur und wärmeren Luftzuständen dürfte während der Bildung der obersten Erdrindenschichten existirt haben, und zwar ebenso auf der Nordhemisphäre, wie auf der südlichen Halbkugel der Erde. Diese Eiszeiten bilden jetzt noch das vorzüglichste ungelöste Problem für die geologische Forschung und sie scheinen sich in Jahrtausenden wiederholen zu können.

Innerhalb der Erdrindeschichten, welche durch Niederschläge aus dem Wasser gebildet wurden, finden sich nun Ueberbleibsel von Organismen, und zwar von so verschiedener Art, daß man daraus mit Sicherheit ersehen kann, wie jede dieser Schichten von verschiedenen Pflanzen und Thieren bewohnt wurde. An diesen Ueberresten, welche aus Kalkschalen, Muscheln, Knochen, Knochentheilen, Haaren, Federn, Zähnen, Fußspuren, Abdrücken, versteinerten Kothüberresten und dergleichen bestehen, läßt sich aber ebenfalls ganz deutlich ersehen, daß keine Erdrevolutionen oder Katastrophen vor sich gegangen sind, welche alle die eben vorhandenen Thiere und Pflanzen vollständig vernichteten, so daß nach ihrer Beendigung eine vollständig neue Schöpfung von Organismen nöthig geworden wäre und nun eine ganz neue Welt von Pflanzen und Thieren, ganz und gar verschieden von denen der früheren Periode existirt hätte. Wie bei den Schichtgesteinen läßt [140] sich auch an den versteinerten (fossilen) Ueberresten von Pflanzen und Thieren mehr oder weniger deutlich ein allmählicher Uebergang dieser Organismen aus den tieferen in die höheren Schichten erkennen und zwar in der Art, daß es unzweifelhaft ist, wie die Organismen der einzelnen Schichten von denen der nächst vorhergehenden Schicht abstammen und nur die veränderten Nachkommen dieser sind. Gleichzeitig läßt sich aber auch erkennen, daß in den tieferen Schichten die Reste von weit einfacheren und unvollkommeneren Pflanzen und Thieren lagern, als in den höheren Schichten, und daß also, je tiefer wir von unserer jetzigen Erdoberfläche in der Erdrinde hinabsteigen, alle Organismen um so unvollkommener, einförmiger und einfacher werden und sich um so auffallender von den jetzt noch lebenden verwandten Organismen unterscheiden, während sie den Organismen der Gegenwart um so ähnlicher werden, je höher oben in der Erdrinde sie ihre Lage hatten. Mit Zunahme[WS 2] der Dicke unserer Erdrinde durch neue Schichten müssen demnach auch die lebenden Wesen an Vollkommenheit mehr und mehr zugenommen haben. In der Tiefe, wo das Leben begann und sich an das unorganische Reich anreiht, trifft man natürlich auf die allereinfachsten Pflanzen und Thiere. Es bestätigen also die fossilen Funde, daß zu allen Zeiten des organischen Lebens auf der Erde eine beständige Zunahme in der Vollkommenheit der organischen Bildungen stattgefunden hat und daß dies auch mit dem menschlichen Organismus der Fall ist, wie die aufgefundenen fossilen Menschenreste beweisen.

In Folge des vielfachen Wechsels zwischen den Hebungen und Senkungen der verschiedenen Erdtheile im Laufe von Jahrmillionen kamen nun die ganz charakteristischen Ablagerungen der untergegangenen Thiere und Pflanzen zu Stande, welche auf den verschiedenen Erdschichten existirten. Wenn nämlich die Leichen derselben auf den Boden der Gewässer hinabsanken, drückten sie ihre Körperform in dem weichen Schlamme ab und unverwesliche Theile (wie harte Knochen, Zähne, Schalen etc.) wurden unzerstört in denselben eingeschlossen, so daß diese nun in dem zu neptunischem Gestein verdichteten Schlamme als „Versteinerungen, Petrefacten, Vorwesen“ gefunden werden. - Die Paläontologie oder Vorwesenkunde, die wir besonders Cuvier verdanken und welche Tag für Tag an Material reicher wird, giebt uns nun mit Hülfe dieser Petrefacten Auskunft über den Entwickelungsgang, den die großen Thier- und Pflanzenstämme vom Beginn des organischen Lebens an genommen haben. Sie scheidet nach den fünf neptunischen Schichtengruppen auch die Organismengruppen unserer Erdrinde in fünf große Hauptabschnitte, nämlich in eine primordiale, primäre, secundäre, tertiäre und quartäre Periode.

Vom Menschen finden sich versteinerte Knochenreste nicht blos in der Quartärzeit, sondern sogar vor der Eiszeit in der (mittleren) Tertiärperiode, gewöhnlich in Gemeinschaft mit mehr oder weniger vollkommenen Werkzeugen, Geräthschaften und Waffen (welche anfangs von rohem Stein, später von polirtem Stein und sodann aus Bronze, Kupfer, gebranntem Thon und zuletzt aus Eisen gefertigt waren), mit Abfällen von Nahrungsmitteln, Unrath und mit thierischen Ueberbleibseln. Von fossilen Menschentheilen wurden besonders Kinnladen (Unterkieferknochen) und Schädel aufgefunden. An beiden zeigte sich in der frühesten Periode ein ausgesprochen affenähnlicher Charakter. An den dicken und runden Unterkieferknochen (Kinnlade von la Naulette, von Martin Quignon, Hyères, Arcis-sur-Aube) fehlte nämlich das Kinn fast ganz (während doch das vortretende Kinn ein charakteristisches Kennzeichen der Menschlichkeit ist); ferner folgten die drei hintern Backzähne bezüglich ihrer verhältnißmäßigen Größe gerade so aufeinander, wie bei den menschenähnlichen Affen. Während nämlich bei dem echten und hochstehenden Menschen der erste dieser Backzähne der größte und der hinterste der kleinste ist, war dies hier umgekehrt; bei niederen Menschenracen (Papuas, Neger) sind alle drei Backzähne von gleicher Größe und überhaupt größer. Auch war die thierische Schiefzähnigkeit (Prognathismus) deutlich an diesen Kiefern ausgesprochen. – Ebenso bestätigt der Neanderthalschädel, welcher mit einem fossilen Menschengerippe in einer Kalksteinhöhle des Neanderthales zwischen Düsseldorf und Elberfeld gefunden wurde, die affenähnliche Beschaffenheit des Kopfes unserer Vorfahren. Derselbe zeigt eine sehr schmale, flache und ganz bedeutend niedergedrückte Stirn mit enorm hervortretenden Augenbrauenbogen; das Gerippe glich in seiner Bildung der Knochenbildung tiefstehender Menschenracen, (die Knochen waren außerordentlich dick und ihre Vorsprünge ungewöhnlich entwickelt). Dagegen zeigt der Engisschädel (aus der Engishöhle bei Lüttich) schon eine bessere Stirnbildung, deutet jedoch immer noch auf eine sehr niedere Hirnbildung. – Der fossile Mensch von Denise und der von Natchez am Mississippi müssen mit dem Mammuth zusammen gelebt haben. – Uebrigens giebt es noch menschliche Ueberreste aus früherer Zeit, welche in der Thierähnlichkeit die heutigen thierähnlichen Menschenracen (Papuas, Hottentotten, Kaffern) noch weit übertreffen.

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aus: Die Gartenlaube 1872, Heft 10, S. 153
[153]
II.

Derjenige Theil unserer Erdrinde, welcher durch allmähliche Ablagerungen von schlammigen, erdigen und steinigen Massen entstanden ist, die sich durch Verwitterung der Ur- und Schiefergesteine gebildet und aus dem Urmeere schub- und schichtenweise auf einander niedergeschlagen hatten (Sedimente, Flötze bildend), enthält zwischen den verschiedenartigsten Gesteinen die fossilen Reste fast aller Organismen, welche auf unserer Erdrinde bis jetzt nacheinander gelebt haben. Die Erdkundigen unterscheiden

Feurig-flüssiger Erdkern (Centralfeuer) mit Erstarrungsrinde aus plutonischen und vulkanischen Gesteinen. Massen- und Schiefergesteine ohne Organismen.

[154] an diesen Wassergebilden (Sedimentär- oder Schichtgebilden) die folgenden fünf Epochen oder Zeitalter, und in jeder Periode trifft man nach Häckel’s geistreicher genealogischer Hypothese die thierischen Urahnen des Menschen in anderer, sich fortwährend veredelnder Gestalt.[2]

1) Die Primordialzeit, das Zeitalter der Schädellosen und Tangwälder (archäolithische oder archäozoische Schichtengruppen), dauerte viel länger als alle übrigen Zeiträume zusammengenommen; ihre Schichten sind gegen siebenzigtausend Fuß dick und bilden drei mächtige neptunische Systeme:

das laurentische System (ältere Primordialzeit) mit Labrador (kieselsaurer Thon- und Kalkerde mit etwas Natron) und der Ottawaformation, dreißigtausend Fuß dick, oben aus Kalkstein mit Kalkschalen von Wurzelfüßern (Rhizopoden) und canadischen Morgenroththierchen, unten aus Gneiß, Quarzit, Conglomerat und körnigem Kalkstein;

das cambrische System (mittlere Primordialzeit), von achtzehntausend Fuß Dicke, aus ober- und untercambrischen Schichten, welches die tiefsten Grauwackenglieder umfaßt, mit Thonschiefer, dem Kalkstein folgt, beginnt und mit Sandsteinen von hellerer Farbe schließt;

das silurische System (neuere Primordialzeit), von zweiundzwanzigtausend Fuß Dicke, aus ober-, mittel- und untersilurischen Schichten mit glimmerreicher Grauwacke, schwarzem Schiefer, mit plattenförmigen, kieseligen Sandsteinen und dunklen Kalksteinen.

Die Primordialzeit enthält in den cambrischen und silurischen Schichten deutlich erhaltene Versteinerungen (besonders von Kreidethierchen, Foraminiferen), welche aber alle beweisen, daß damals noch kein landbewohnender Organismus vorhanden war. Neuerlich sind (von Logan im Jahre 1865) auch in der untersten oder laurentischen Schicht (Ottawaformation) Reste eines Organismus gefunden und „canadisches Morgenwesen, Eozoon canadense“, oder Morgenröthethierchen benannt worden, weil mit ihm für die Wissenschaft die Morgenröthe des Lebens auf Erden beginnt. Zur einfachsten Thierform gehört dieses Thier aber ebenso wenig, wie die Wurzelfüßer (Rhizopoden), weil es schon mit einer kalkigen Hülle oder Schale umgeben ist, während die einfachsten Thiere (die Urthiere, Protozoen, Moneren) nur Schleim- oder Plasmaklümpchen ohne Schale sein konnten. Auch finden sich in den tiefsten dieser Sedimentärschichten Ueberreste eines organischen Körpers, von dem man nicht ganz genau weiß, ob er Thier oder Pflanze war; letzteres ist das Wahrscheinlichere. Dieses Wesen heißt Oldhamia und ähnelt der Blume des Löwenzahn. – Alle Pflanzenreste, welche aus der Primordialzeit stammen, sind zarte Zellenpflanzen und gehören zu den niedrigsten von allen Pflanzengruppen, zu der im Wasser lebenden Classe der Tangen oder Algen. Sie bildeten im warmen Urmeere mächtige Wälder (von Seetang, Seegras) und besaßen eine lederartige Beschaffenheit, waren von bräunlicher oder rother Färbung, ohne Blätter und Blüthen, und schwammen frei im Wasser herum. – Auch die Thiere dieser Periode lebten nur im Wasser; es waren Krebsthiere (Trilobiten, den Kellerasseln ähnlich und die ältesten Krebse); Urfische, welche sich aus den Krustenthieren hervorentwickelten und den Haifischen und Schildkröten ähnlich sahen (Cephalaspiden und Cölacanthinen); Schädellose (Akranien, kopflose Wirbelthiere, unserm heutigen Lanzetthiere verwandt); Unpaarnasen (den heutigen Lampreten ähnlich). Neben diesen: die einfachsten Urthiere (Moneren, Amöben), Infusionsthiere, Weich- und Sackwürmer (Seescheiden), wurmartige Graptolithen, Strahlthiere (Echinosphäriten), Polypen (Haarsterne), Mollusken (Muscheln und Schnecken). Für die silurische Formation sind die merkwürdigen Graptolithen ganz charakteristisch, welche einem spiralförmig aufgerollten Sägeblatte gleichen.

In der Primordialzeit, als sich das organische Material zum Aufbaue des menschlichen Organismus, höchst wahrscheinlich durch Urzeugung aus unorganischen Stoffen (Erde), hervorgebildet hatte, erschienen die allerältesten Vorfahren des Menschen, wie überhaupt aller andern (besonders thierischer) Organismen, als Moneren (Protoplasma-Klümpchen), wie sie heute noch existiren. Aus ihnen gingen einzellige Urthiere (einfache Amöben) und aus diesen (durch wiederholte Selbsttheilung und bleibende Vereinigung dieser Theilungsproducte) vielzellige Urthiere (Synamöben, Amöbengemeinden) hervor, welche letztere zur Entwickelung von Flimmerschwärmern (Opalinen, Magosphären) und mundführenden Wimperinfusorien (mit einfachem Darmcanal) die Veranlassung gaben. Aus den bewimperten Infusionsthieren stammten dann als menschliche Vorfahren: zunächst Strudelwürmer (Turbellarien) mit der ersten Bildung eines Nervensystems, der Augen, eines Verdauungs- und Fortpflanzungs-Apparates; aus diesen: Weichwürmer (mit Athmungs-Apparat, Kiemenkorb) und Sackwürmer (Seescheiden). Die letzten beiden Vorfahren sind ausgestorben und überbrückten die tiefe Kluft zwischen den Wirbellosen und Wirbelthieren, in deren Bereich die menschlichen Vorfahren jetzt eintreten und zwar als Schädellose (Lanzetthiere, Amphioxus) ohne Gehirn, aber mit entwickeltem Rückenmarke und Rückenstrang, sowie mit Trennung der beiden Geschlechter. Die diesen folgenden ersten Schädelthiere, aber mit dem unvollkommensten Gehirn, denen der Mensch sein Dasein verdankt, sind die Unpaarnasen (Rundmäuler: Lampreten, Inger), welche in die Urfisch-Ahnen (mit Haifischähnlichkeit), durch Theilung der unpaaren Nase in zwei paarige Seitenhälften und Bildung zweier Beinpaare (Brust- und Bauchflossen), übergingen.

2) Die Primärzeit, das Zeitalter der Fische und Farnwälder (paläolithisches oder paläozoisches Zeitalter), mit mächtigen Schichten und einer Dicke von gegen zweiundvierzigtausend Fuß, zerfällt:

in das devonische System (ältere Primärzeit) mit Schichten aus Kalk, Mergel und Sandstein, welche ihrer dunkelrothbraunen Farbe wegen (in England) auch Altrothsand, alter rother Sandstein genannt werden. In Deutschland findet sich dieser rothe Sandstein gar nicht entwickelt und dafür Grauwacke mit hellfarbigen Kalksteinen und verschiedenen Thonschichten. Das devonische und silurische System zusammen werden auch als Uebergangsgebirge (Werner) oder als (ältere und jüngere) Grauwackenbildungen bezeichnet;

in das carbonische System (mittlere Primärzeit) mit Steinkohlen, Kohlenkalk und Kohlensand. Dieses System besteht aus Kalksteinen, Thonschichten (Kohlenschiefer oder Schieferthon) und (Kohlen-) Sandsteinen, welche die Kohlenlager in der verschiedensten Weise zwischen sich nehmen; die unterste Schicht bildet der hellfarbige hügelige Bergkalk und Culm (Kohlenkalkstein);

in das permische System (neuere Primärzeit) mit jüngerem rothen Sandstein (Roth- oder Todtliegendem), über dem Kohlen- und unter dem Kupfer- und Mergelschiefer; über letzterem der Zechstein (Stinkstein, Dolomit, Gyps).

Die Primärzeit ist reich an blüthen- und früchtelosen Landpflanzen und zwar an Farnpflanzen (echten Farnkräutern, Farnbäumen, Schaftfarnen, Schuppenfarnen, Schachtelfarnen). Sie bildeten die Hauptmasse der dichten Inselwälder und ihre fossilen Reste sind als Steinkohle bekannt. – Von Thieren besitzt diese Periode einen großen Reichthum an Fischen: Ur- und Schmelzfischen von Haifischform mit dicken Panzern aus Knochen- und Hornplatten und mit Höckern und Stacheln; Flügelfischen mit gepanzertem Körper und Flügeln; Lurchfischen (jetzt Molchfischen); Kiemenlurchen (jetzt Olm, Oxolotl), Schwanzlurchen (jetzt Wassermolchen). Von landbewohnenden Thieren gab es Gliederthiere (Spinnen und Insecten) und einige Wirbelthiere (Amphibien und Reptilien), welche unseren Eidechsen nahe verwandt sind. Der Proterosaurus war ein eidechsenartiges Reptil, der Archegosaurus eine froschähnliche Eidechse. Jetzt scheint überhaupt der Anfang einer Umbildung des fischähnlichen Körpers zu einem amphibienartigen stattgefunden zu haben, nachdem sich die Wirbelthiere aus den Mantelthieren (mit einem knorpligen Rückenstrange, der ersten Anlage der Wirbelsäule) hervorentwickelt hatten. – Die Trilobiten starben in dieser Periode aus und bildeten die Uebergänge zu den Fischen (Cephalaspiden); der kolossale Pterigotus Angelicus, ein riesiger, mit furchtbaren, wie Fischkiefer gezähnten Scheeren bewaffneter [155] Krebs, bildete ein Mittelding zwischen den Krebsen und Fischen.

In der Primärzeit begann die Reihe der durch Lungen athmenden Vorfahren des Menschen durch Anpassung an das Landleben und Umbildung der Schwimmblase zu einer Lunge. Als Lurchfische (den heutigen Molchfischen ähnlich) traten sie hier zuerst auf und machten den Uebergang zu den Lurchen oder Amphibien. Unsere ältesten Vorfahren aus der Amphibienclasse sind die Kiemenlurche (Proteus), bei welchen sich die rudernden Fischflossen zu fünfzehigen Beinen ausbildeten. Sie behielten neben den Lungen noch zeitlebens Kiemen. Die Nachkommen dieser Lurche waren die Schwanzlurche, welche den heutigen Salamandern und Wassermolchen ähnlich waren, die Kiemen verloren und den Schwanz behielten.

3) Die Secundärzeit, das Zeitalter der Reptilien und Nadelwälder (mesolithisches oder mesozoisches Zeitalter), mit drei Schichtsystemen und gegen fünfzehntausend Fuß dick, bestehend:

aus dem Trias-System oder der Steinsalzgruppe (ältere Secundärzeit) mit buntem Sandstein (einem innigen Gemisch feiner kristallinischer Quarzkörner und eisenhaltigen Thons), Muschelkalk mit Steinsalz und Keuper (aus Schichten von Mergeln und Sandsteinen) mit kohlenarmer Lettenkohle;

aus dem Jura-System (mittlere Secundärzeit) oder der Oolithformation (wegen der kugelig-schaligen Form des Kalkes) mit schwarzem Jura- oder Liasschiefer, braunem Jura (mit Eisengehalt) und weißem Jura (mit lithographischem und Korallenkalk);

aus dem Kreide-System (neuere Secundärzeit) aus Kalk- und Sandsteinen, mit Weißkreide, Grünsand, Quadersandstein, Wälderthon, und mit vielen Muschel- und Schneckengehäusen (besonders mit Donnerkeilen oder Belemniten und Ammoniten).

Die Secundärzeit enthält in überwiegender Zahl Reptilien, welche mit den heute noch lebenden Eidechsen, Krokodilen und Schildkröten große Aehnlichkeit hatten. Neben ihnen existirten aber auch noch abenteuerlich gestaltete riesige Amphibien (Meer- und Land-Saurier, Drachen) wie: Labyrinthodonten (Tremato-, Zygo-, Mastodon-, Mosa-, Capito- und Archego-Saurus), welche auf dem Lande lebten und ein Gemisch von Eidechse, Frosch, Krokodil und Schildkröte bildeten. Sie hatten etwa die Größe eines großen Schweines und ihre Fußstapfen (im bunten Sandstein) hatten große Aehnlichkeit mit dem Eindrucke einer Menschenhand. Sie hatten einen schlanken Kopf, langen Schwanz und kurze, plumpe Gliedmaßen, ihr Körper war mit feinen hornigen Ziegelschuppen bedeckt und an der Kehle saßen drei große Knochenplatten (Kehlpanzerplatten). – Die Enalio- oder Meer-Saurier, Meereidechsen, waren fischähnliche, etwa fünfzehn bis zwanzig Fuß lange Eidechsen mit großen flossenförmigen Gliedmaßen und nackter Walfischhaut. Von ihnen gab es mehrere Arten, wie Ichthyosaurier (Fischeidechsen) mit großem delphinähnlichen Kopfe, kurzem Halse, kurzen und breiten Flossen; Plesiosaurier (Nachbareidechsen) mit schmalem kleinem krokodilähnlichem Kopfe, langem Halse, langen und schmalen Flossen; Halidrakonen, Halisaurier (Seedrachen), mit kleinem Kopfe, großen Fangzähnen, langem Halse, Schwanze und Flossen, kurzem Rumpfe. (Aus dem versteinerten buntgefleckten Kothe, Koprolithen, der Meersaurier werden jetzt Schmucksachen gefertigt.) Die Dinosaurier waren riesenhafte, bis hundert Fuß lange, plumpe Landeidechsen oder Krokodile mit Klumpfüßen. – Die Pterodactylen oder Flugsaurier (Lufteidechsen) waren fledermausartige Thiere, nackte fliegende Eidechsen, aber nicht viel größer als unsere Fledermäuse. – Am Ende dieser Periode entstanden die ersten Vögel und zwar, wie der in Jura gefundene Abdruck eines fossilen Vogels mit Eidechsenschwanze (Archaeopteryx macrurus) bestätigt, aus den Eidechsen. – Auch Säugethiere fanden sich ein, nämlich: Uramnioten (zwischen Schwanzlurchen und Stammsäugern), Stammsäuger (jetzt Schnabelthiere) und Beutelthiere (jetzt Beutelratten). – Von Pflanzen bildeten vorzugsweise Nadelhölzer (Coniferen) und Palmfarne (Cycadeen) die Wälder, während die farnartigen Pflanzen zurücktraten.

In der Secundärzeit traten die menschlichen Vorfahren in die höhere Wirbelthierclasse (in die Amnionthiere) ein und zwar zunächst in die Uramnioten, durch gänzlichen Verlust der Kiemen und Bildung des Amnion. Ihnen folgten die den Säugethieren angehörigen Stammsäuger (Schnabelthiere), welche sich durch die Haare und Milchdrüsen auszeichneten und in die Beutelthiere (Beutelratten, Opossum, Känguruh), durch Trennung der Cloake in Mastdarm und Urogenitalsinus, übergingen.

4) Die Tertiärzeit, das Zeitalter der Säugethiere und Laubwälder (cänolithisches oder cänozoisches Zeitalter), mit einer Dicke von gegen dreitausend Fuß, aus drei schwer zu trennenden Molasse-Schichten bestehend:

aus dem Eocän- (alttertiären) System mit Gyps, Grobkalk und Londonthon, Braunkohlen, Bernstein, Erdöl und Erdpech;

aus dem Miocän- (mitteltertiären) System mit Braunkohle (d. s. verkohlte Pflanzen und zwar Palmen, Cypressen und Nadelhölzer), Bernstein (Harz dieser Waldbäume), Erdöl und Erdpech (Asphalt), ebenfalls von diesen Bäumen;

aus dem Pliocän- (neutertiären) System, Molassenformation, mit viel Süßwasserkalk und, als Reste von Infusorien, dem Tripel, dem Bergmehl, Kieselguhr und Polirschiefer. Die oberste Gruppe dieser Schicht heißt auch Tegelformation, die unterste subapenninisches Gebilde.

Die Tertiärzeit nähert sich mit ihren Organismen schon der Gegenwart, denn es überwiegen jetzt unter den Wirbelthieren die Säugethiere und unter den Pflanzen die Decksamenpflanzen. Auch fand in dieser Periode schon die körperliche Entwickelung des Urmenschen aus menschenähnlichen Affen statt. – Von den Säugethieren der Tertiärschicht gehören die meisten zur Ordnung der Dickhäuter, wohin auch unser Elephant, Nashorn, Pferd und Schwein gehören. Im Meere herrschten dem Walfische, Pottfische, Delphine und der Seekuh ähnliche Geschöpfe, auch zwei ganz untergegangene, walfischähnliche Thiere, der Ziphius und das Metarytherium. Am häufigsten waren plumpe tapirartige Pflanzenfresser (Paläotherium) mit einem dichtbehaarten Körper und rüsselförmiger Nase, vorn vier und hinten drei Zehen. Das Anoplotherium, ein zweizehiges grasfressendes Hufthier, ist das erste Thier mit einfach gespaltenem Hufe und einem sehr langen Schwanze; es scheint eine pferdeartige Schnauze gehabt und in schlanker (Xiphodon) und plumper Form existirt zu haben. Das Dinotherium, ein walroßähnliches, pflanzenfressendes Seethier von fünfzehn bis zwanzig Fuß Länge, welches auf einem kurzen dicken Halse einen walfischähnlichen Kopf mit zwei nach unten ragenden Stoßzähnen, und einen spindelförmigen Rumpf mit Flossenfüßen hatte. Das Zeuglodon (Hydrarchos, Basilosaurus), früher fälschlich für einen Saurier gehalten, war ein walfischähnliches Säugethier mit einem seehundsähnlichen Kopfe, welches aber nach neueren Forschungen nur einen Halswirbel haben konnte. (Die anderen Wirbel an unserer Abbildung des Zeuglodonskelets sollen von anderen Thieren herrühren.) Das Sivatherium war ein Wiederkäuer von sehr großer, plumper, giraffenähnlicher Gestalt, dessen Kopf dem des Elephanten glich. – Faulthiere von elephantischer Größe waren: das Megatherium, Megalonyx und Mylodon; kleinere Gürtelthiere: das Glyptodon und der Holophorus; das größte Nagethier war das Toxodon und das dem Pferde am meisten ähnliche, das Hippotherium; dem Elephanten ähnlich war das Mastodon (Ohiothier); das Halitherium, ein kräuterfressendes Walthier. Außerdem finden sich jetzt Schlangen, Frösche und Kröten (zum Theil ungeschwänzte). Die Reste eines Riesensalamanders dieser Zeit hielt man für die eines Menschen (des Andreas Scheuchzer’schen Sündfluthmenschen). Es traten ferner auf: Halbaffen (Lori, Maki ähnlich), geschwänzte Schmalnasen (Nasen- und Schlankaffen), Menschenaffen (Gorilla, Schimpanse, Orang, Gibbon) und Affenmenschen. – Von den Pflanzen bilden die fossilen Ueberreste von Cypressen, Palmen und Nadelhölzern die Braunkohlen.

Die Tertiärzeit, welche in ihrer zweiten Hälfte schon menschliche Gestalten, aber mit affenähnlichem Schädel hervorgebracht hat, zeigt die menschlichen Ahnen in ihrer ersten Hälfte noch als Affen und zwar: zuerst als Halbaffen (Lori, Maki), welche die unmittelbare Stammform der echten Affen bilden und aus den Beutelthieren durch Verlust des Beutels und Bildung einer Placenta hervorgingen. Ihnen folgten als echte Affen die geschwänzten Schmalnasen (Nasen- und Schlankaffen), noch mit dichtbehaartem Körper und langem Schwanze; diesen die schwanzlosen Schmalnasen oder Menschenaffen, Anthropoiden (die Stammväter ebenso des Menschen wie des Gorilla, Schimpanse, Orang, Gibbon), mit Verlust des Schwanzes, theilweisem Verlust der Behaarung und überwiegender Entwickelung [156] des Schädels über das Gesicht. Durch Angewöhnung an den aufrechten Gang, die Entwickelung des Armes und der Hand und die vollständigere Enthaarung der Haut bildeten sich dann aus den Menschenaffen die Affenmenschen, denen bei ihrer niedrigen Gehirnbildung noch die articulirte menschliche Sprache fehlte. Man könnte die Hypothese aufstellen, daß sich die Anthropoiden nach und nach in fleisch- und pflanzenfressende schieden; erstere schritten zum Menschen fort, letztere conservirten sich als Affen (Gorilla etc.).

5) Die Quartärzeit, das Zeitalter der Menschen und Culturwälder (anthropolithisches oder anthropozoisches Zeitalter), nur gegen fünf- bis siebenhundert Fuß dick und an verschiedenen Stellen von der verschiedensten Dicke, besteht aus der älteren Quartär- oder Eiszeit, Glacial-Periode – aus der mittleren Quartär- oder Postglacial-Periode – und aus der neueren Quartär- oder Culturzeit. – Die untersten Schichten, das Diluvium, Aufgeschwemmtes, Schwemmland der Vorzeit (Pleistocen), bestehen aus Sand, Kies, Gruß, Geröllen und Geschieben mit Lehm und Flöß und sind aus den verschiedenen Schichtgesteinen entstanden. Ueber der Diluvialschicht lagert das Alluvium, Angeschwemmtes, Schwemmland der Jetztzeit (Recent), aus Sand- und Schuttlagern (Tuffe), abwechselnd mit Lehm- und Mergelschichten, Moorland und Ackererde.

Die Quartärzeit erzeugte Menschen mit articulirter (gegliederter) Sprache und zeichnet sich überhaupt durch fortschreitende Entwickelung und Ausbreitung des menschlichen Organismus, zumal des Gehirns und Schädels aus. Thiere und Pflanzen wurden von dem vollkommner gewordenen Menschen durch Züchtung veredelt. – Im Diluvium (mit der Eiszeit) finden sich von Thieren: der Höhlenbär (in der ältesten Periode); das Mammuth (vorweltlicher Elephant), eine Art Elephant, aber mit viel längeren und stärker gekrümmten Stoßzähnen und einer borstigen, langbehaarten, der des wilden Schweines ähnlichen Haut. Vom Mammuth wurden in Sibirien im Eise und gefrornen Boden vollständige Thiere mit allem Zubehör so gut erhalten gefunden, daß man deren Fleisch noch essen konnte. Das Nashorn, die Höhlenhyäne, der Höhlenlöwe, der Riesenhirsch mit großem Geweihe, der Auerochs, das Rennthier sind ebenfalls Diluvialthiere. – Das Alluvium producirte aus verwesenden Pflanzen Moorland (Wald-, Wiesen-, Haide- und Moostorf), sowie durch Verwitterung der verschiedenartigsten Gesteine und durch Zersetzung organischer Substanzen die Dammerde, als ein Gemenge von organischen und unorganischen Stoffen.

In der Quartärzeit entwickelte sich beim Affenmenschen das Gehirn (mit Vergrößerung des Schädels, zumal in seinem Stirntheile) immer mehr, die Sprache ging aus der thierischen Lautsprache in die articulirte (gegliederte) Wortsprache über, und höheres Bewußtsein mit Begriffsbildung charakterisirt nun den jetzigen Menschen, aber in den verschiedenen Racen in verschiedenem Grade.

Schließlich muß nun aber nochmals erwähnt werden, daß die genannten fünf Zeitalter durchaus nicht etwa durch scharfe Grenzen von einander geschieden sind, – denn „die Natur macht keinen Sprung“, – sondern ebenso in ihren Gesteinsformen, wie in ihren Organismen ganz allmählich in einander übergehen, und daß also von einem zeitweiligen Eintreten großer, gewaltiger, Alles vernichtender Erdrevolutionen nicht die Rede sein kann.

Bock.

  1. Man pflegt nämlich Gesteine, welche in der Tiefe der Erde aus dem Feurigflüssigen entstanden sind, als „plutonische“, solche dagegen, welche sich an der Erdoberfläche aus Feurigflüssigem bildeten, was aus dem Erdinnern hervorquoll, als „vulcanische“, und Gesteine, bei deren Entstehung das Wasser mithalf, als „neptunische“ zu bezeichnen.
  2. Ueber Häckel’s hypothetischen Stammbaum des Menschen spricht sich Darwin so aus: „Wenn wir die Genealogie des Menschen abwärts in der Thierreihe verfolgen, so kommen wir auf immer dunklere Gebiete der Wissenschaft. Wer hier zu erfahren wünscht, was Scharfsinn und Kenntnisse hervorbringen können, mag die Schriften Professor Häckel’s zu Rathe ziehen.“ – Von Häckel’s „natürlicher Schöpfungsgeschichte“ sagt Darwin: „Wäre dieses Buch erschienen, ehe meine Arbeit niedergeschrieben war, so würde ich sie wahrscheinlich nie zu Ende geführt haben; fast alle die Folgerungen, zu denen ich gekommen bin, finde ich durch diesen Forscher bestätigt, dessen Kenntnisse in vielen Punkten viel reicher sind als meine.“

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: tausendsten (korrigiert nach: Druckfehler. Heft 13, Seite 216)
  2. Vorlage: Zunnahme