Textdaten
<<< >>>
Autor: Marine-Lieutenant H.
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Eine gefährliche Stunde
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 23, S. 363–365
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1861
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Jägerlatein aus Südafrika
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[363]

Eine gefährliche Stunde.

Von Marine-Lieutenant H.

Es war im Juli 1856. Die amerikanische Kriegsfregatte „Jamestown“, damals in den afrikanischen Gewässern stationirt, lag auf der Rhede St. Philipp de Benguela, an der westlichen Küste Süd-Afrika’s, ruhig vor Anker, und wir, die Officiere des stattlichen Fahrzeugs, hatten gute Zeit, mitunter auch wohl etwas Langeweile, die wir uns denn, so gut es gehen wollte, zu vertreiben suchen mußten. Einen schönen Abends saßen wir auf dem Kanonendeck der Fregatte beisammen, rauchten gemüthlich unsere Cigarre und plauderten von Diesem und Jenem, als der Besuch des Befehlshabers eines gerade dort auch vor Anker liegenden amerikanischen Handelsschooners eine erfreuliche Abwechselung in unsere Gesellschaft brachte. Capitain Dunlap, eine jener hohen, markigen und knochigen Gestalten, wie man sie nur in Kentucky, seiner Heimath, findet, war bereits über die Mitte der Fünfziger hinaus, und schon begann der Schnee des Alters sein Haar zu bleichen; doch war er noch kräftig und rüstig, und die Strapazen seines vielfach bewegten Lebens hatten nicht vermocht, seine eisenfeste Gesundheit zu erschüttern. Unsere Bekanntschaft war bald gemacht. Der Capitain war als wortkarg bekannt, der nur ungern von seinen Lebensereignissen erzählte. Heute aber hatte er unter unsern Officieren einen alten Jugendfreund gefunden, der Grog that das Uebrige, und so saßen wir bald um ihn gereiht und horchten seinen Mittheilungen.

„Wir verließen die Ufer des Arunga-Flusses,“ begann er eine seiner Erzählungen, „und nahmen unsern Weg nach Süden. Obgleich ich dabei einen großen Umweg in das Innere Afrika’s machte, so glaubte ich doch dabei nichts einzubüßen, weil ich fest überzeugt war, daß ich auf diesem Wege die an den Grenzen des großen Tafellandes, im Gebiete der Shagga-Neger, liegenden Goldminen auffinden und daselbst einen vortheilhaften Tauschhandel mit den Eingeborenen würde treiben können. Gegen den Abend eines furchtbar heißen Tages, den wir auf einer Wüstenei zugebracht hatten, langte unsere kleine Karawane an einem breiten Gürtel waldigen Gebirges, in der Nähe des Monbaza, an. Ein kleiner Bach schlängelte sich am Fuße der Hügel hin, und die Vegetation war grün und üppig. Es war mit einem Worte ein höchst angenehmer Ruheplatz, und wir schätzten uns glücklich, denselben erreicht zu haben.

Obgleich wir noch ziemlich vier Stunden bis zum Eintritt der völligen Dunkelheit hatten, so war uns doch, ebenso wie unsern Pferden, Ruhe unbedingt nothwendig, und wir beschlossen derselben so schleunig wie möglich zu pflegen. Ein guter Weideplatz für unsere Pferde war bald gefunden. Eben loderte unser Feuer lustig empor, und einige Vögel, die wir am Tage geschossen, drehten sich schon munter am Spieße, ein leckeres Abendmahl in Aussicht stellend, während Einige von uns Wasser aus dem nahen Bache zum erfrischenden Tranke herbeiholten – als plötzlich ein Getöse von der Wüste her uns aufschreckte. Ich sprang sofort auf, ergriff meinen Rifle und eilte nach dem Saume des Waldes, woselbst sich eine Scene vor meinen Blicken entfaltete, welche mein ganzes Innere auf verschiedene Art berührte. Ich war erschreckt, erstaunt und erfreut zu gleicher Zeit.

Eine Heerde Elephanten kam über die Sandfläche getrabt, ihre mächtigen Rüssel hoch erhoben, und dann und wann laute, durchdringende Schreie ausstoßend, während die Wüste unter der Wucht der Tritte ihrer unförmlichen Füße weithin erzitterte. Sie kamen gerade auf den Platz los, wo ich mich befand, und sobald ich meine verworrenen Gedanken einigermaßen ordnen und sammeln konnte, wurde es mir auch klar, warum die wüthenden Bestien gerade dahin ihre Richtung nahmen. Der Platz nämlich, den wir zu unserem Nachtlager erwählt hatten, bot, von der Ebene aus gesehen, den einzigen Zugang zum Walde, denn letzterer bildete bei unserer Annäherung eine förmliche Barriere auf der anderen Seite des Baches, mit Ausnahme des Plätzchens, wo wir unser Zelt aufgeschlagen hatten. Natürlicherweise hatten die Elephanten dies ebenfalls bemerkt und richteten daher ihren Lauf instinctmäßig nach demselben Zugang. Abdar und Mada, meine beiden Gefährten, waren fast gleichzeitig an meiner Seite, und sobald Ersterer die Thiere erblickt hatte, versicherte er mir, daß die Heerde jedenfalls von Jägern angegriffen und zur Flucht gezwungen worden sei. „Es kann nicht anders sein,“ bemerkte er, „man hat die Thiere in einen Schlupfwinkel zusammengetrieben, und sie sind zuletzt, wüthend gemacht, aus demselben entkommen. – Ha! und siehst Du?“ rief er, als sein scharfes Auge die Reihen der flüchtigen, riesenhaften Kolosse überflogen, „dort ist einer mit einem Pfeile im Nacken.“ Ich folgte seiner zeigenden Hand mit den Augen und erblickte bald ebenfalls deutlich genug den hin und her schwankenden Schaft eines gefiederten Pfeiles in der rechten Schulter des Anführers der Heerde. Abdar versicherte mir, die Elephanten wären im höchsten Grade wüthend, und würden jedenfalls, wenn sie uns bemerkten und erreichten, blutige Rache an uns nehmen. Ich hielt mich gerade noch lange genug auf, um deutlich wahrnehmen zu können, daß die Heerde wenigstens aus einem Dutzend Elephanten bestand, ehe ich meinen vorauseilenden Gefährten in athemlosem Laufe nachfolgte. „Die Pferde werden sie nicht belästigen!“ rief Mada, als ich bemerkte, daß es gut sein würde, dieselben los zu binden und frei herum laufen zu lassen, „menschliche Wesen waren es,“ fügte er hinzu, „die sie gereizt und in Wuth versetzt haben.“

Es war keine Zeit mehr zu weiteren Fragen vorhanden, denn die unförmlichen Berge lebenden Fleisches nahten sich wie ein Gewittersturm. Jetzt bemerkte ich nicht weit von mir einen Baum; auf diesen eilte ich zu und schickte mich sofort an, ihn zu ersteigen. „Um Gotteswillen, nicht da hinauf! nicht da hinauf!“ schrie mir Abdar zu, als er an mir vorüberrannte, allein ich verstand ihn nicht, und hätte ich ihn verstanden, so würde ich mich doch nicht haben abhalten lassen, auf den Baum zu klettern, da es mir in jenem Moment überhaupt nicht mehr möglich war, zu denken oder die Ausführung des einmal gefaßten Entschlusses wieder aufzugeben; denn die Elephanten waren schon am Eingang des Waldes.

Der Baum, den ich mir zu meinem Versteck ausgesucht hatte, war eine Eichenart, schlank, biegsam und dicht belaubt. Ich hatte nur darauf Bedacht genommen, daß er hoch und stark genug sei, um meine Person – dies war mein einziger Gedanke in jenem kritischen Augenblicke – aus dem Bereiche der Elephantenrüssel zu bringen. Eben hatte ich die Krone des Baumes erreicht und da Platz genommen, und eben war ich im Begriff, meinen Rifle über den Ast, auf dem ich saß, zu heben und mir denselben quer über die Beine zu legen, um mich dadurch besser in der Balance zu erhalten, als der vorderste Elephant – derselbe, in dessen Nacken der Pfeil stak – unter mir vorüber rannte. – Ich athmete [364] auf. „Wenn der vorüber läuft, thun’s die andern auch,“ dachte ich. Indessen ich täuschte mich sehr. Zwei andere passirten gleich nach jenem unter mir weg – jetzt kam der Vierte. Mit schwerfälligem Trabe näherte sich der Koloß meinem Baume, blieb bei demselben stehen, stieß ein lautes, fast triumphartig klingendes Geschrei aus und hob dann seinen Rüffel drohend nach mir empor. „Aha,“ dachte ich, „alter Kerl, beinahe hättest Du mich, allein die Natur ist Dir doch ein Bischen zu kurz gewachsen, obgleich Du ein recht ungeschlachtes Vieh bist.“

Das Unthier schien meine Gedanken zu errathen, denn kaum hatte ich sie gedacht, als es seinen furchtbaren Rüssel um den Stamm des Baumes schlang und denselben bedächtig schüttelte. Es war der größte Elephant der ganzen Heerde, selbst größer und mächtiger als der vorderste, von dem Pfeile getroffene, in Wahrheit ein wandelnder Berg. Er ließ mich auch gar nicht lange auf eine Probe seiner riesenhaften Stärke warten. Schon der erste Zug, den er an dem Baum that, versetzte diesen in eine sehr schwankende Bewegung; allein das war noch gar nichts im Vergleich zu dem, was folgte. Er schien nur erst probiren zu wollen, inwieweit der Stamm des Baumes ihm Widerstand zu leisten vermöge. Im nächsten Augenblicke schlang er seinen Rüssel abermals um den Stamm, etwa 12 Fuß hoch über der Erde, und entwickelte nun seine ganze gigantische Stärke. Der Baum zitterte und bog sich wie ein schwaches Rohr. Bei der vierten oder fünften Schwingung ließ ich meinen Rifle fallen, denn ich fühlte bald genug, daß ich entweder diesen, meinen treuen Gefährten, oder mich selber fallen lassen müßte, da ich nur durch möglichst festes Anpacken der Baumzweige mich noch halten konnte. Bis dahin hatte ich gehofft, dem Ungethüm eine Kugel durch’s Auge jagen zu können, aber die Bestie vereitelte mir durch ihr unmanierliches Gebahren diese Hoffnung gänzlich. Es wurde mir klar, daß ich in weniger als einer halben Minute von meinem luftigen Sitze herabgeschüttelt sein würde – etwa wie ein reifer Aepfel oder ein Maikäfer durch einen lüsternen Knaben von einem jungen Bäumchen abgeschüttelt wird – denn das wüthende Thier rüttelte und schüttelte jetzt die Eiche, als ob ein Orkan sie aus dem Boden reißen wolle. Meine Arme und Hände wurden starr und matt, mein ganzer Körper schmerzte, Schwindel erfaßte meinen Kopf, und der Athem fing an mir auszugehen.

In diesem verzweifelten Augenblicke, wo ich wußte, daß ich fallen mußte, kam mir einer jener glücklichen Gedanken zu Hülfe, die öfters die finstere Nacht der Seele eines in der äußersten Todesgefahr schwebenden Menschen wie Blitze erleuchten.

Fiel ich nämlich, so mußte ich unfehlbar, da ich die Richtung meines Sturzes dann nicht in der Gewalt hatte, zu Boden stürzen und würde ohne Gnade und Barmherzigkeit von dem wüthenden Elephanten zu Brei zerstampft worden sein; sprang ich aber herab, so war es möglich, den Rücken des Thieres zu erreichen und mich dort vielleicht festzuhalten. Freilich eine sehr unsichere Aussicht auf Rettung, aber es greift ja der Ertrinkende nach dem Strohhalm. Ich benutzte einen verhältnißmäßig ruhigen Augenblick, empfahl meine Seele dem Himmel und sprang in Gottes Namen von dem Baume herunter.

Der Sprung brachte mich glücklich auf den Hals des Elephanten, gerade zwischen Schultern und Kopf, wo ich mich mit der Kraft der Verzweiflung anklammerte.

Als die wilde Bestie den salto mortale begriff und meine schwache Last auf ihrem Körper fühlte, wickelte sie ihren Rüssel von dem Baume los und schlug damit nach mir, – jedoch ohne Erfolg; ich befand mich außer dem Bereiche des gefährlichen Werkzeugs. Der Elephant wiederholte dies Manöver fünf- oder sechsmal, konnte aber seine freundliche Absicht nicht in Ausführung bringen. Zwei- oder dreimal schlug er von der Seite nach mir, so daß die Schläge dicht hinter mir aufklatschten, und zweimal versuchte er es, mich von oben herab zu treffen, indem er den Rüssel senkrecht in die Höhe reckte und dann damit nach hinten schlug; aber auch diese Versuche gelangen nicht, der Rüssel war eben zu kurz, als daß er mich damit hätte erreichen können.

Ich hatte durch einen glücklichen Zufall gerade die Stelle des Rückens oder Halses eingenommen, welche das Thier mit dem Rüssel nur sehr schwer oder gar nicht zu erreichen vermag, und hütete mich wohl, diese Festung freiwillig zu verlassen. Uebrigens mochte die blinde Wuth, in der sich mein Gegner befand, ihm in diesem Momente nicht gestatten, weitere Versuche dieser Art anzustellen, indem es ihm sonst und im ruhigen Zustande wohl noch gelungen sein würde, meiner mit dem Rüssel habhaft zu werden. Kurz – sobald das Thier merkte, daß seine Rüsselschläge ohne den gewünschten Erfolg blieben, stieß es einen entsetzlichen Schrei aus und stürzte in wildem Laufe davon.

Die übrigen Elephanten waren aus dem Gesichtskreise verschwunden, wohin? das wußte ich nicht; sie waren nirgends zu sehen oder zu hören. – Mein riesiges Roß lenkte in einen offenen Weg ein, eine Art sandiger Straße, die durch den Wald führte und das ausgetrocknete Bett eines ehemaligen Flusses zu sein schien. Mit unglaublicher Schnelligkeit raste das Thier vorwärts, schnaubend und brüllend und hin und wieder den Kopf zornig aufwerfend. Ein paar Augenblicke später schimmerte das Wasser eines quer über unsern Weg fließenden Stromes im Abglanz der untergehenden Sonne. Das Ungethüm stürzte unaufhaltsam darauf zu und hinein, so daß das hoch aufspritzende Wasser mich vollständig durchnäßte.

Der Strom war nicht breit, und ein paar Secunden genügten meinem Reitpferde, ihn zu durchschwimmen. Das jenseitige Ufer war niedrig und sandig. Kaum eine Viertelmeile davon begann wieder dichter Waldwuchs, der nur durch eine Fläche sandigen Bodens von dem Flusse geschieden war. Der Elephant sprang mit Leichtigkeit die niedrige Uferbank hinauf, und galoppirte dann ohne Rast gerade auf den Wald los.

Jetzt bemerkte ich auch die Fährten seiner vorausgeeilten Begleiter, welche dieselben deutlich genug in dem weichen Sande hinterlassen hatten. Bei diesem Anblicke entschwand mir der Muth. Wenn der Elephant den Wald mit mir erreichte, war ich ohne Rettung verloren. Die Bäume standen so dicht, daß ich sofort durch deren Zweige von dem Rücken des Thierewürde abgestreift worden sein, und dann war ich hülflos der Wuth desselben preisgegeben. Ich verfolgte mit Anstrengung meiner ganzen Sehkraft die Fußspuren der voran-gelaufenen Elephanten, konnte indessen keine Oeffnung in dem Saume des Waldes entdecken, durch welche dieselben hätten eingedrungen sein können. Mein Riesengaul konnte sich wohl mit seinem kolossalen Cadaver leicht eine Bahn in den Wald brechen, da die Bäume verhältnißmäßig nur schwach waren und der Elephant sie mit Leichtigkeit wie Strohhalme geknickt und zur Seite gebogen haben würde; – aber ich? jedenfalls würde mich der erste beste Ast, wie die Sehne den Pfeil, von meinem Sitze geschnellt haben.

Aber es war keine Zeit da zu langem Ueberlegen und Nachsinnen über die Mittel zur Abwendung der drohenden Gefahr, denn mit reißender Schnelligkeit näherten wir uns den verhängnißvollen Bäumen. Noch ein paar Minuten, und ich hatte den Wald erreicht, damit zugleich aber auch das Ende des Daseins, so nicht ein Wunder mich errettete aus der Gewalt des grimmigen Feindes. Da durchzuckte mich der Gedanke, ob es nicht wohl gethan sein möchte, wenn ich mich von dem Elephanten langsam herabließe? Vielleicht würde er das Verschwinden meiner verhältnißmäßig geringen Last gar nicht gewahr, und renne auch ohne seinen Reiter in seinem tollen Eifer vorwärts. Die Furcht aber, daß er meinen Fluchtversuch dennoch entdecken und mir in diesem Falle sofort den Garaus machen werde, hielt mich von der Ausführung dieser Idee zurück.

Die Art und Weise übrigens, wie das Ungethüm nach dem Gehölze zusteuerte, sein kurzes, wüthenden Schnauben, ließen mich sicher genug darauf schließen, daß mein Elephant nur nach Rache dürste und noch etwas ganz Anderen beabsichtige, als sich nur seines Reiters durch das Eindringen in die verschlungenen Baumäste zu entledigen. Was ihm andere Jäger vielleicht Uebles zugefügt, dafür wollte er sich an mir Unschuldigem blutig revanchiren, denn ich war ja auch ein Mensch, und folglich – sein Feind.

Indessen war es höchste Zeit, daß etwas geschehen mußte, wenn ich mich nicht widerstandslos opfern lassen wollte. – In einigen Minuten längstens war der Wald erreicht und ich unrettbar verloren. Mit der größten Anstrengung, mit der Kraft der Verzweiflung, wie sie nur die Todesangst dem Menschen verleiht, hatte ich bis dahin meinen Sitz zu behaupten gewußt. Plötzlich belebte sich meine Seele mit neuer Hoffnung. Ich erinnerte mich nämlich, gelesen zu haben, daß die Elephantenführer in Indien ihre Thiere tödten, wenn dieselben plötzlich rasend werden und auf keine andere Weise zu bändigen und unschädlich zu machen sind.

Konnte ich nicht das auch thun? Versucht wenigstens mußte [365] es werden. Hatte ich doch mein Jagdmesser, eine starke, zweischneidige Waffe, mit langer, vortrefflicher Klinge noch an meiner Seite. – Ich zog es aus der Scheide und faßte es fest in die rechte Hand. Sodann versuchte ich, mich zu erinnern, wo sich wohl der Fleck befinden möge, unter welchem der verwundbarste Theil der Rückenwirbel liegt. Einen Augenblick überlegte ich; meine, wenn auch nur unvollkommene, Kenntniß der Anatomie thierischer Körper kam mir zu Hülfe. Ich setzte die scharfe, glänzende Spitze auf den Nacken des Elephanten, gerade zwischen Kopf und Schultern. – Einen Moment noch zögerte ich, ungewiß ob ich auch die rechte Stelle gefunden. – Sodann raffte ich alle mir noch übriggebliebene Kraft zu dem tödtlichen Stoße zusammen, stützte beide Hände auf den Griff des Messers und drückte dann mit aller Gewalt der Arme und der ganzen Wucht des Oberkörpers nach unten. Die Spitze durchdrang die dicke, dunkle Haut des Thieres, die Klinge sank tiefer und tiefer in die Fleischmasse ein. Mit einer ungeheuern Anstrengung warf ich jetzt, da das Messer mir einen festen Anhaltepunkt gewährte, mein ganzes Gewicht auf dasselbe, so daß die Klinge bis an’s Heft eindrang.

Der Elephant hielt in seinem Laufe inne und stieß einen durchdringenden Schmerzensschrei aus, zitterte wie ein vom Erdbeben erschütterter Berg und stürzte dann, wie ein vom Beile des Schlächters getroffener Stier, schwerfällig auf den Sand, um sich nicht wieder zu erheben. Ich hatte mich auf den Sturz vorbereitet und sprang wohlbehalten zur Seite auf den weichen Boden. Ich war gerettet!

Wir athmeten hoch auf, denn die Haare hatten uns bei der Erzählung des Capitains zu Berge gestanden – und brachten ihm ein donnerndes Hoch aus, indem wir die Gläser kräftig zusammenklingen ließen. Es war uns ja, als wäre er eben erst dem Leben wieder geschenkt worden, denn er hatte seine Todesgefahren so lebendig geschildert, daß wir gleichsam gegenwärtige Zeugen davon gewesen waren.

„Danke schön, Jungens, für Eure Theilnahme,“ sagte Dunlap, indem er sich eine frische Cigarre anzündete, „und da es schon spät ist, so will ich mich beeilen, an den Schluß meiner Geschichte zu kommen.

Der Koloß also fiel zu Boden, wie einst der Riese Goliath von der Schleuder des kleinen David. Die Erde zitterte von der Wucht seines Sturzes. Eine Minute lang lag er regungslos wie ein Fels. Dann erzitterte der gigantische Körper, konvulsivisch reckten und dehnten sich die säulenartigen Beine, noch einmal erhob sich der ungeheuere Kopf und der furchtbare Rüssel peitschte den Sand. Dann schlossen sich die kleinen Augen, und der Riese war todt.

Eilig trat ich nun den Rückweg an, schwamm durch den Strom und begegnete dann meinen Gefährten, welche schon geraume Zeit mich suchend umhergestreift waren. Sie hatten mich von ihren Verstecken aus auf der Bestie vorbeireiten sehen und mich natürlich verloren gegeben. Um so größer war ihre Freude, mich zwar matt und angegriffen von dem furchtbaren Mazeppa-Ritt, aber doch sonst wohlbehalten und unverletzt wiedergefunden zu haben. Als ich erzählt hatte, wie es mir gelungen sei, das wüthende Thier zu erlegen, machten sie den Vorschlag, umzukehren und dem Elephanten die Zähne auszubrechen. Aexte hatten sie bei sich, und so machten wir uns auf den Weg. Uebrigens war es keine leichte Arbeit, die massiven Elfenbeinmassen dem Todten zu entreißen, und erst nach mehrstündiger Anstrengung war das Werk gelungen. Mit Hülfe eines Taues schafften wir die ungeheueren Hauer über den Fluß und verbargen sie dann im Buschwerk, um sie am folgenden Tage mit unseren Pferden abzuholen und weiter zu transportiren. Sodann begaben wir uns an unsern Lagerplatz zurück, wo ich am Feuer sofort in einen todähnlichen Schlaf versank.“