Textdaten
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Autor: v. F.
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Titel: Eine französische Execution
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aus: Die Gartenlaube
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1871
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[744] Eine französische Execution. Im Augenblick, wo sich die Tagesliteratur mit den wortbrüchigen französischen Generalen beschäftigt, dürfte, nachstehender Charakterzug des Ex-Generals Crèmer nicht ohne Interesse und eine gute Illustration zu dem Wirken dieses Ehrenmannes und der Disciplin seines Corps sein.

Kurz vor der Schlacht bei Nuits, die bekanntlich mit dem Rückzuge dieses Corps endete, plagte und ermüdete Crèmer in Beaune, wo er lag, seine Truppen durch tägliches Alarmiren, so daß zuletzt dem Alarm nur wenig Leute folgten. Ein Artillerist Namens Alexander Chenai aus Nantes (Rue de la Rosière Nr. 8) hielt es auch für überflüssig, dem Alarmsignal zu folgen, und fand es vielmehr für angemessener, dem erhabenen Beispiele seines Generals nachzustreben und sich in einem Weinhaus zu betrinken. Crèmer, der zufällig dasselbe Local zu seinem Hauptquartier ausersehen, sah Mr. Chenai und forderte ihn auf, dem Rufe Frankreichs zu folgen und zu den Waffen zu eilen. Chenai theilte diese Ansicht nicht, sondern sagte kurz, wenn Frankreich in Noth sei, gehöre der General an die Spitze seiner Truppe und nicht in’s Café, er werde dann folgen. Crèmer, über diese Frechheit wüthend, ließ Mr. Chenai am Collet packen, arretiren und Tags darauf durch ein Kriegsgericht zum Tode verurtheilen.

Die Execution sollte sogleich mit dem nöthigen Pompe stattfinden. Die Garnison rückt dazu aus. Mr. Crèmer erscheint wie gewöhnlich un peu grisé mit glänzendem Gefolge. Ein Peloton tritt vor, es wird Feuer commandirt – aber Chenai steht nach der Salve noch aufrecht. Das Peloton hatte zu hoch geschossen. Crèmer ist wüthend und läßt ein zweites Peloton vortreten. Dieselbe Scene wiederholt sich. Alles brüllt: „Gnade! Gnade!“ Das Publicum nimmt eine drohende Haltung an. Crèmer, um sich nicht weiter vor dem Publicum zu blamiren, läßt die Truppen einrücken und spielt den Edelmüthigen. Mr. Chenai wird, mehr todt als lebendig vor Angst, gebunden nach dem Gefängniß geschleppt und wähnt mit Galeerenstrafe das Leben erkauft zu haben. Doch bald sollte er sehen, wie sehr er sich in dem Edelmuthe seines Generals getäuscht. Plötzlich erscheint Crèmer von seinen Generalstabsofficieren begleitet im Gefängniß, läßt Chenai gebunden vor sich führen und befiehlt einem Generalstabsofficier, ihn zu erschießen – dieser folgt nicht nur dem gegebenen Befehl, es gelingt ihm auch, das gefesselte Opfer mittelst einiger Revolverschüsse zu ermorden. – Eines Kommentars bedarf dieser Meuchelmord weiter nicht.

Doch Crèmer sollte wenigstens in etwas schon jetzt gestraft werden. Das Volk und besonders die Weiber, welche für das Opfer Partei ergriffen, waren Crèmer in’s Gefängniß gefolgt, hatten die Schüsse gehört und den Mord erfahren. Als nun Ehren-Crèmer das Local verließ, stürzten die empörten Weiber sich auf ihn und seinen Stab und würden ihn sicher zerrissen haben, wenn ihn nicht seine Gensdarmerie befreit hätte; für diesmal kam er mit ausgerauften Kopf- und Barthaaren davon und wenn ihm damals in Beaune zugleich von dem empörten Volke seine Gradabzeichen abgerissen wurden, so erscheint das Kriegsgericht von heute, das ihn zum Hauptmann degradirt hat, nur als Nachrichter.

Doch die Gunst des französischen Volkes ist wandelbar, schon ein paar Tage nach jener widrigen Scene wurde ein vermeintlicher Sieg von Crèmer ausposaunt, und Ehren-Crèmer ward wieder der Held des Tages. Dieselben Damen, welche ihm den Bart ausgerauft, fanden ihn un peu grisé unwiderstehlich.

Vorstehende Thatsachen wurden mir, zur Zeit wo ich in Beaune stand, von den glaubwürdigsten Magistratspersonen mit tiefer Entrüstung erzählt und vollständig verbürgt.

v. F.