Eine deutsche Todtenfeier in Amerika

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Titel: Eine deutsche Todtenfeier in Amerika
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aus: Die Gartenlaube
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1863
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Eine deutsche Todtenfeier in Amerika.

Die Deutschen in Baltimore feierten am 20. August das Andenken an den Heldensänger Theodor Körner mit ebenso großer Pietät, als es an demselben Tage in Deutschland gefeiert wurde. Es wird den Lesern der Gartenlaube um so willkommener sein, einen Bericht über diese Feier an dem Ufer des Patapasco zu erhalten, als eben die Gartenlaube sehr viel dazu beitrug, die Erinnerung an den unsterblichen Heldensänger durch Wort und Bild lebhaft aufzufrischen.

Der Gedanke, eine solche Feier in unserer Mitte zu veranstalten, ging vom hiesigen „deutschen Union-Volksvereine zur Unterstützung verwundeter und kranker Krieger“ unserer heldenmüthigen Befreiungsarmee aus, dem sich sofort der sozialdemokratische Turnverein, die Turner-Liedertafel und der Arbeiter-Gesangverein anschlossen. Um die Feier so erhebend als möglich zu machen, beschloß das Festcomité, einen ehrwürdigen Kampfgenossen des Heldensängers dazu einzuladen. Dieser alte Lützower ist Dr. W. D. G. Pfeiffer, der seit etwa 30 Jahren in New-Oxford, Adams County, Pennsylvanien, nicht weit vom Schlachtfelde von Gettysburg lebt, und sich als praktischer Arzt, wie als echter freisinniger Patriot unter den Deutschen in Pennsylvanien und Maryland einen wohlverdienten Ruf erwarb. – Unsere deutschen und englischen Blätter brachten inzwischen Artikel über die Bedeutung der Körnerfeier in Deutschland und Amerika, sodaß auch der englisch sprechende Theil der Bevölkerung Baltimores, dem der Heldensänger wenig oder gar nicht bekannt ist, über seine Verdienste als Dichter und Freiheitskämpfer unterrichtet wurde.

Am Abend des 26. August strömte das Publicum herbei, um Deutschlands Liebling den Tribut der Achtung zu zollen. Unter den zahlreichen Gästen befanden sich viele deutsche Krieger für Amerika’s Einheit und Freiheit, die theils aus den umliegenden Forts, theils aus den Spitälern oder ihren Privatwohnungen herbeikamen, und worunter die Invaliden auf Krücken und Stelzbeinen einen rührenden Eindruck machten.

Die geräumige Festhalle, mit Laubgewinden, Eichenkränzen, Leyer und Schwert und prächtigen Sternenbannern geschmückt, bot im Lichtglanz der vielen Lampen einen imponirenden Anblick. An der verhüllten Schaubühne im Hintergrunde erhoben sich Pyramiden von Trommeln, und an den Wänden und andern passenden Stellen schimmerten Waffen, die wie die Sternenbanner vom Quartiermeisteramt der Vereinigten Staaten geliefert wurden. Die Mitglieder des Festcomité’s, sowie die Redner und sonstigen Mitwirkenden trugen Trauerflor am linken Arm und schwarz-roth-goldne Schleifen an der Brust.

Als der Vorhang der Schaubühne unter dem Vortrag von Körner’s „Gebet während der Schlacht“ emporgeschwebt, zeigte sich ein mit Tschako, Degen und Eichenkränzen geschmückter Katafalk, über welchem sich, an eine schwarz-roth-goldne Draperie gelehnt, die Büste des Gefeierten erhob. Sechs Krieger, in der Uniform der Lützower, hielten hier die Todtenwache. Der Prolog von J. Straubenmüller (unter den Deutschen in Amerika durch sein episches Gedicht „Pocahontas“ rühmlich bekannt) machte einen trefflichen Eindruck. Die Festrede, von Dr. Hugo Kühne gehalten, hob die Freiheitsbewegungen der Deutschen in den Jahren 1813 und

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Theodor Körner’s Todtenfeier in Baltimore.
Originalzeichnung eines deutschen Freiwilligen.

[782] hervor, und die Schlußrede von Dr. A. Wiesner (allen Oesterreichern noch in gutem Andenken) schilderte, was der Heldensänger vor einem halben Jahrhundert Deutschland war, und was er gegenwärtig Amerika, dem Asyl der unterdrückten Nationen, ist. Beide Reden fanden ein sehr dankbares Publicum. Auch die musikalischen Partien des Programms wurden sämmtlich mit Präcision und vielem Verständniß vorgetragen. Als jedoch der greise Lützower mit schneeweißen Locken und auf die Brust herabfließendem Bart am Katafalk seines längst verewigten geliebten Führers der Versammlung vorgestellt wurde, fühlte sich Jeder elektrisirt und lauschte in athemloser Stille den Worten des ehrwürdigen Veteranen, der einst für Deutschlands Befreiung focht und jetzt zwei Söhne für Amerika’s Einheit und Freiheit in’s Feld stellte. Stand doch ein Bote aus einer längst verrauschten, ereignißvollen Zeit, ein Kampfgenosse des Gefeierten, einer der so gefürchteten schwarzen Reiter von Lützow’s „wilder verwegener Jagd“ leibhaftig vor der aufgeregten Versammlung. Der wackere Mann, der trotz seines hohen Alters noch physisch und geistig rüstig ist, erzählte unter Andern, nachdem er eine Nachricht dortiger Zeitungen, als sei Körner in seinen Armen gestorben, als unwahr zurückgewiesen, wie er als Oberjäger unter Körner, seinem Lieutenant, diente, und wie er, nachdem der jugendliche Held am 20. August durch eine Kugel aus dem Hinterhalt erschossen worden, bei Nacht an dessen Leiche wachte, um sie vor Verunglimpfung durch den noch in der Nähe weilenden Feind zu schützen. Körner, theilte er ferner mit, erhielt einen ordentlichen Sarg, während die mit ihm gefallenen Cameraden in nothdürftig zusammengezimmerte Kisten gelegt wurden, um ihrem Führer in’s Grab zu folgen.

Als der Veteran unter den Zeichen der lebhaftesten Sympathie den Katafalk verlassen hatte, dauerte es noch eine Weile, bis die Versammlung sich von ihrer Aufregung erholen konnte.

Unter den lebenden Bildern, die nun folgten, zeichnete sich die „trauernde“ wie die „siegreiche Germania“, von Frau Mojean dargestellt, durch treffliche Auffassung und überraschende Wirkung aus. Auch das Körnermonument nahm sich recht gut aus.

Unter den Klängen der Musik, welche amerikanische und deutsche Volkshymnen spielte, endete das schöne Todtenfest, das Allen, die demselben beiwohnten, unvergeßlich bleiben wird. Viele der Gäste konnten sich nicht so leicht von dem greisen Lützower trennen, sondern folgten ihm in sein Hotel, wo sie im Gespräch über Körner, seine und unsere Zeit, noch lange verweilten, wobei noch manches Glas perlenden Rheinweins auf Deutschlands und Amerika’s Freiheit und Einheit geleert wurde.

Die Todtenfeier wurde, wie ich zum Schluß noch bemerken muß, ohne Festsetzung eines Eintrittspreises, zum Besten unserer verwundeten und kranken Krieger gegeben, und die freiwilligen Beiträge des Publicums reichten nicht blos hin, die bedeutenden Kosten der Feier zu decken, sondern ließen auch noch einen Ueberschuß, der wieder Mittel gewährt, viele unserer braven deutschen Invaliden in den Spitälern mit erwünschten Gaben zu erfreuen.