Eine amerikanische Strandheldin

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Titel: Eine amerikanische Strandheldin
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 1, S. 19,20
Herausgeber: Ernst Ziel
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Erscheinungsdatum: 1881
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[19] Eine amerikanische Strandheldin. Auf den sogenannten Lime-Rocks im Hafen von Newport im Staate Rhode-Island, diesem Ostende der Amerikaner, steht einer der vielen kleinen Leuchtthürme dieses klippenreichen Hafens, er leuchtet auch bei Tag durch seine weißgetünchten Wände weit hinaus. Der Wächter dieses Thurmes starb vor einigen Jahren, und die Wittwe und die Tochter behielten den Wächterdienst. Diese Tochter nun, Ida Lewis, ist durch ihren Muth, durch ihre Thatkraft ein Liebling des amerikanischen Volkes geworden. Das zarte Mädchen hat schon mehr als ein Dutzend Leben gerettet. Wenn der Schaum der Wellen bis zur Lampe emporsprühte, und der Sturm beinahe den Felsen, auf welchem der Leuchtturm steht, erschütterte, band sie doch unverzagt ihr Lebensrettungsboot los, um umgeschlagenen Booten zu Hülfe zu eilen und die Insassen zu retten, was ihr bis jetzt auch immer gelang. Als sie vor einigen Jahren zwei Seesoldaten, deren Boot umgeschlagen war, rettete, hatte der Enthusiasmus seinen Höhepunkt erreicht, und außer Danksagungen erhielt sie auch bei öffentlicher Ansprache und Uebergabe von der Stadt ein reizend ausgestattetes Lebensrettungsboot zum Geschenk nebst verschiedenen Medaillen der Vereinigten Staaten, in demselben Sommer wurde sie von beinahe 10,000 Menschen besucht.

Es interessirte mich, diese Heldin kennen zu lernen, und ich fuhr hin. An der Felsentreppe, an welcher wir unser Boot anlegten, empfing uns ein riesiger Neufundländer mit mächtigem Bellen, was unsern Besuch ankündigte. Gleich an der offen stehenden Thür des Hauses empfing uns Ida Lewis, eine einfache sympathische Erscheinung mit von Wind und Wetter gebranntem Gesichte in sehr netter, bescheidener Kleidung.

Sie führte uns in dem ganz geräumigen, fast peinlich sauberen Hause herum, zeigte uns ohne jedwede Eitelkeit alle ihre Medaillen und Erinnerungszeichen und auf meine Fragen, diese Lebensrettungen betreffend, antwortete sie ganz natürlich und als ob es sich um etwas ganz Alltägliches handle. Sie führte uns auch zur Lampe mit den riesigen Linsen und erklärte uns den Dienst, welcher ihr allein oblag, da die Mutter schon ältlich und schwächlich geworden war. – Auf die Frage, ob ihr denn nie bangte, wenn sie sich so in die tobenden Elemente stürze, antwortete sie:

„Wenn kein Sturm ist, denke ich immer, ich könnte es nie wieder wagen, wenn es aber um mich braust und tobt und ich gar Hülferufe höre, da hält mich nichts mehr, der Drang zu helfen ist stärker, als ich selbst, und wenn ich selbst wüßte, daß ich zu Grunde gehen würde, ich müßte doch hinaus, meine Pflicht zu thun.“

Auf die Frage, ob sie sich nicht sehr einsam auf ihrem Felsen fühle, [20] erwiderte sie: daß das wohl so sei, jedoch käme so viel Besuch, daß sie oft sich freue, wieder allein zu sein, auch habe sie Spaß an ihrem Neufundländer, dem es aber viel langweiliger wäre, als seiner Herrin, sodaß er manchmal einen kühnen Sprung von der Klippe thue und gegen das feste Land schwimme; um das Thier zur Rückkehr zu bewegen, feuert sie ihren Revolver ab und zielt so, daß die Kugel dicht vor dem Hunde einschlägt, was ihn jedes Mal gedemüthigt nach Hause bringt.

Vor kurzer Zeit wurde der Wächterdienst ganz an Ida Lewis übertragen und ihr vom General-Secretär, General Sherman, der Dienst mit einem jährlichen Gehalt von 750 Dollars förmlich übergeben mit den Worten. „Als ein Zeichen meiner Anerkennung Ihrer edlen und heroischen Bemühungen in Anbetracht von Lebensrettungen.“