Eine Märtyrerin der Expeditionen ins nördliche Eismeer

Textdaten
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Titel: Eine Märtyrerin der Expeditionen ins nördliche Eismeer
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 44, S. 787–788
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1886
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originaltitel:
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Expedition des Ehepaars Prontschitscheff
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[787] Eine Märtyrerin der Expeditionen ins nördliche Eismeer. Nicht als eine Emancipirte, um Ruhm zu erwerben, wissenschaftliche Probleme zu lösen oder die eisumgürteten Küsten der nördlichen Erdhälfte zu untersuchen und festzustellen, zog Anna Prontschitscheff nach den Polarländern und setzte sich den endlosen Entbehrungen, Mühsalen und Gefahren der Nordpolfahrer aus, sondern, dem echt weiblichen Berufe getreu, stand sie als liebende Gattin ihrem Gemahl Prontschitscheff auf seiner Reise zur Seite. Dieser war der Erste, der es unternahm, die Küsten Sibiriens festzustellen. Bis zum Jahre 1734 hatte man Reisen nach und in Sibirien lediglich zu Handelszwecken unternommen. Kühne Jäger, die dem kostbaren Pelzwild nachstellten, hatten allerdings die ungeheueren Flächen des riesigen asiatischen Nordlandes bis zur Behringsstraße durchstreift, waren auch bis zum arktischen Meere vorgedrungen, desgleichen die den „Jassak“ (d. s. die Steuern) von den sibirischen Nomadenstämmen einziehenden Kosaken, Niemand aber waren die Grenzen des Landes bekannt. Da – im Jahre 1734 – unternahm Prontschitscheff zum ersten Mal das Wagestück, die sibirische Küste zu bestimmen. Von der Lenamündung aus wollte er westwärts fahren, um so endlich wieder in den Obi einzulaufen, und die russischen Ansiedelungen an demselben erreichen. [788] Seit Jahren an das Klima Sibiriens gewöhnt, sträubte er sich auch nicht lange, als ihm seine kurz zuvor angetraute junge Gattin ihren festen Entschluß kund gab, ihn unter keiner Bedingung verlassen zu wollen; kannte sie doch auch bereits hinreichend den sibirischen Winter mit all seinen Schrecken. Das Tajnurland, jene ungeheuere Halbinsel, die sich aus Sibirien weit nach dem Nordpole hin vorstreckt, erreichten die Seefahrer wohlgemuth im Laufe des Sommers und brachten unter dem 72. Grad nördlicher Breite das Schiff in den Winterhafen. Da man sich mit Vorräthen aller Art reichlich versehen hatte, so befand sich die Mannschaft unter Frau Anna Prontschitscheff’s weiblicher Fürsorge, den Verhältnissen angemessen, durchaus wohl. Im darauf folgenden Sommer nahmen die Versuche zur Umschiffung des Tajnurlandes ihren Anfang; allein sie blieben trotz der größten Anstrengungen erfolglos. Leider ging durch die Unvorsichtigkeit einiger Leute von der Schiffsbemannung ein beträchtlicher Theil der Vorräthe verloren; Mangel und Entbehrung zehrten die übermäßig in Anspruch genommenen Kräfte der Männer mit großer Schnelligkeit auf. Einer nach dem andern verschied, und kaum blieben noch so viele übrig, um die Rückfahrt bewerkstelligen zu können. Siech und krank trafen sie am Ausgangspunkte wieder ein. Am elendesten von Allen aber war das Prontschitscheff’sche Ehepaar, das in muthigem Ertragen der Beschwerden Allen mit gutem Beispiele vorangegangen war. Bald nach Eintreffen des Schiffes erlag der kühne Kapitän seinen Leiden, und nach wenigen Tagen folgte ihm auch seine treue Lebensgefährtin in den Tod. In den Geschichtsbüchern der Polarreisen dürfte ein zweites Beispiel von solcher weiblicher Entsagung und solchem Heldenmuth sowie von aufopfernder Gattenliebe und Treue nicht verzeichnet sein; deßhalb verdient der Name dieser Heldenfrau nicht der Vergessenheit zu verfallen, vielmehr unter der zahlreichen Reihe von Opfern, welche die Wissenschaft und die Erforschung der arktischen Regionen gefordert hat, genannt zu werden, als die einzige Frau „Anna Prontschitscheff“!