Eine Heldenthat deutscher Seemannschaft

Textdaten
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Autor: Gustav Kopal
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Titel: Eine Heldenthat deutscher Seemannschaft
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 6, S. 193–194
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1899
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[193] Eine Heldenthat deutscher Seemannschaft. (Mit den Abbildungen S. 194.) War das eine Freude an der „Wasserkante“ der alten Freien und Hansestadt Hamburg am Freitag, dem 24. Februar dieses Jahres, just zur Mittagszeit, als wie ein Lauffeuer von Mund zu Mund die Kunde ging: „‚Bulgaria‘ in Punta Delgada eingetroffen.“ Nach menschlichem Ermessen war das stolze Schiff bereits als verloren erachtet [194] worden. Aber durch übermenschliche Anstrengung gelang dem wackern Führer und der tapfern Mannschaft die Rettung. Wie stiegen da auf den Schiffen im Hamburger Hafen die Flaggen empor, und wie nahm ganz Deutschland an der Freude brüderlichen Anteil, allen voran Kaiser und Reichstag! ... Nun, es war auch m der That ein Ereignis, das die Brust jedes guten Deutschen schwellen konnte. Die „Bulgaria“ gehört zwar nicht zu den größten Meeresriesen, nimmt aber doch unter den 73 Seedampfern,


Erster Offizier Wilhelm Kuhls, geb. 1865 in Aumund bei Vegesack.
Kapitän Gustav Schmidt, geb. 1842 zu Wismar.
Obermaschinist Robert Bernhardt, geb. 1852 zu Ullersdorf bei Glatz.
Die Führer der „Bulgaria“.

welche die Amerika-Linie besitzt (abgesehen von etwa 50 Strom- und Hafenfahrzeugen), einen ansehnlichen Rang ein: 1898 auf der Hamburger Werft von Blohm & Voss erbaut, ist sie 152,82 m lang, 18,96 m breit, 10,55 m tief, hat zwei Schrauben, die von zwei Maschinen mit zusammen 3600 Pferdekräften bewegt werden; ihr Wert ist auf etwa 2 1/2 Millionen Mark zu schätzen, und so ziemlich der gleiche Betrag kam auf die Ladung; an Bord befanden sich, außer der Mannschaft von 80 Köpfen, ursprünglich 54 Passagiere. In der Nacht vom 1. auf den 2.Februar wurde die „Bulgaria“ während eines heftigen Orkans steuerlos und hatte bei andauerndem Unwetter schwer zu kämpfen. Am Morgen des 5. Februar schien das Schiff zu sinken, als die Dampfer „Weehawken“ und „Bittoria“ in Sicht kamen und einen Teil der Passagiere und der Mannschaft zu retten suchten. Der Sturm trennte jedoch die Schiffe voneinander. Am 12. Februar traf der Dampfer „Weehawken“ mit 16 Passagieren (meist Frauen und Kindern und 9 Mann der Besatzung der „Bulgaria“) in Punta Delgada auf den Azoren ein. Vier Mann der Besatzung in einem zweiten vom Sturm vorzeitig fortgetriebenen Boot nahm der Dampfer „Bittoria“ auf; von ihnen kam die erschreckende Nachricht: „Verließen die ,Bulgaria’ in sinkendem Zustande.“ Dennoch konnte das Schiff mit den noch übrigen 38 Passagieren und 66 Mann Besatzung (ein Matrose war leider durch Sturzseen über Bord gerissen worden) durch eigene Kraft den Hafen auf den Azoren erreichen. Hart genug muß dieser vierundzwanzigtägige Kampf sich gestaltet haben; wütete doch eine ganze Reihe von Stürmen fast ununterbrochen. Schon der erste knappe Drahtbericht des Kapitäns läßt erkennen, wie es auf dem Dampfer ausgesehen haben mag. Das Steuer vernichtet, so daß das Schiff in den Wind drehte, zwei Luken eingeschlagen. 16 Fuß Wasser im Raum Nr. 4 (das Fahrzeug ist durch Schotten in 11 Abteilungen zerlegt), die Ladung stark nach Backbord übergeschossen, so daß „Schlagseite“ (schiefe Lage) entstand, 108 Pferde verendet, die erst am sechsten Tage über Bord geworfen werden konnten, die Pumpenrohre durch Getreide verstopft, sämtliche Boote der Backbordseite weggerissen, alle Reelings und Treppen auf Deck zerschlagen, ebenso die Thüren in den Aufbauten ... aber zäh wie der deutsche Stahl, aus dem das Schiff erbaut, hielten die deutschen Seeleute aus. Was sich von der übergeschossenen Ladung nicht über Bord werfen ließ, ward verbrannt; Weizen und hölzerne Schuhnägel insbesondere wanderten unter die Kessel. Die bewunderungswürdige Mannszucht an Bord gab den Passagieren die Beruhigung, selbst in größter Not mit Zuversicht der Rettung entgegensehen zu können! Wärmsten Dank zollten sie den Offizieren und Mannschaften in einer besonderen Adresse, in der sie drei von ihnen persönlich nannten: den Kapitän Schmidt, den ersten Offizier Kuhls und den Obermaschinisten Bernhardt. Die Bilder dieser Braven seien unsern Lesern vorgeführt! Alles in allem, er war voll berechtigt, der Freudenruf, der Alldeutschland durchflog: Ehre dem deutschen Seemanne!

G. Kopal.

Die „Bulgaria“. Nach einem Gemälde.