Ein wahrhaft „Hochwürdiger“

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Titel: Ein wahrhaft „Hochwürdiger“
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aus: Die Gartenlaube, Heft 32, S. 530
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1872
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[530] Ein wahrhaft „Hochwürdiger“. Da liegt ein starkes Heft, und zwar das dritte, eines periodischen Werkes vor uns, welches den Titel führt: „Lichtstrahlen für das in den dunklen Räumen der Religion und Kirche nach Wahrheit suchende Volk“. (Jena, bei Friedr. Mauke). Wir schlagen das Titelblatt um und finden Lessing’s Ausspruch: „Eine Religion kann, so lange deren Priester das Denken ersticken, durchaus nicht zur Wahrheit führen, sondern nur verwirren“ als Ueberleiter zu einem Vorworte, das in Gestalt eines Briefes sich an einen jener Halben im Priesteramt richtet, die den Muth zur ganzen Wahrheit nicht haben. Diesem sagt der Verfasser u. A.:

„Du machst mir den Vorwurf, daß ich mit einer allzu harten und scharf zugespitzten Feder schreibe … Hast Du, der Du die auch in unserer protestantischen Kirche vorhandenen Mängel und Gebrechen nur leichthin gleichsam mit einem Flederwisch berührst und überstreichst, etwas Wesentliches zur Förderung der Aufklärung bewirkt? Hat nicht eine lange Erfahrung uns erwiesen, daß …halbernste und schüchterne Angriffe auf die kirchlich-religiösen Vorurtheile nicht zum Ziele führen? Ist es jetzt, wo die Intelligenz immer stärker wird und wo man in allen Fächern der Wissenschaft sich der Wahrheit immer mehr nähert, nicht hohe Zeit, muthig und ohne Rückhalt dem religiös-kirchlichen Aberglauben die Stirn zu bieten und mit geschärfter Waffe und offenem Visir gegen Die in die Schranken zu treten, welche sich als die Zionswächter der alten Kirche immer noch geschäftig zeigen? Mußt Du von Deinem Standpunkte aus, bei Deinen Ansichten und Deinem Benehmen nicht unsern Luther tadeln, daß er seine Thesen an die Schloßkirche in Wittenberg anschlug, daß er die päpstliche Bulle verbrannte und vor Kaiser und Reich die Worte sprach: ‚Ich kann nicht anders, Gott helfe mir, Amen!‘ –? … Wer den Muth nicht hat, mit mir zu gehen, der bleibe auf seiner angenommenen Stellung, lasse mich aber, so lange ich den Weg zum Lichte der Wahrheit nicht verlasse, ungehudelt!“

Wie alt, oder vielmehr wie jung ist der Mann, der so frisch mit seiner Ueberzeugung heraus und so fest auf sein Ziel los geht? Die Hand, welche die Feder zu obigen Worten geführt, ist sehr alt, aber sie zittert nicht, es ist ohne Zweifel die älteste Schriftstellerhand unseres Vaterlandes, ja wohl unserer Gegenwart: der deutsche Mann, dessen Geist so stark und klar und dessen Herz so warm und tapfer nach mehr als einem halben Jahrhundert redlichen Kampfes und Wirkens sich erweist, ist ein Greis von vierundneunzig Jahren!

Hut ab vor solch einer deutschen Kernnatur des Leibes und der Seele! Wenn wir unter seinem Namen lesen: „Ritter des weimarischen Hausordens“, so freut es uns in diesem Falle, denn ein wahrer Ritter ist dieser Dr. E. L. Hagen, einer der echten Ritter vom Geiste. Nachdem er wohl länger, als das goldene Jubiläum erfordert, zu Rothenstein im Saalthale sein Pfarramt verwaltet hatte, wählte er Jena zu dem, was Andere ihren Ruhesitz nennen. Für ihn war es nur ein Versetzen seines Arbeitstisches aus einem stillen Dorfe in eine alte feste Burg des Protestantismus und des freien Geistes. Sollte es in dem heutigen deutschen Reiche so gleichgültig sein, was eine solche alte ehrwürdige Erfahrung spricht? Wir weisen in dem vorliegenden Hefte nur auf Abtheilungen hin wie: „Eine Dichtung“ – „Mannigfaches aus meinem Tagebuche“ – „Nachtgedanken“ – „Der heilige Geist, betrachtet im Lichte der gesunden Vernunft“ und „Non possumus“ – und sind überzeugt: wer diesen seine Aufmerksamkeit geschenkt, wird dem Manne und seinen übrigen Schriften die Theilnahme zuwenden, die nicht blos sein Alter, sondern die der Mensch – und „Mensch sein, heißt ein Kämpfer sein!“ – verdient.