Ein schönes, buntes, zwei Meter langes seidenes Kopftuch – umsonst!

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Titel: Ein schönes, buntes, zwei Meter langes seidenes Kopftuch – umsonst!
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 4, S. 68
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1887
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[68] Ein schönes, buntes, zwei Meter langes seidenes Kopftuch – umsonst! „Das ist Schwindel!“ rufen gleichzeitig hundert jugendliche Leserinnen, die den Abstand zwischen kurzem Taschengeld und langen Kopftüchern schon längst mit Schmerz erkannt haben, „reiner Schwindel!“ Mit Eurer Erlaubniß, Ihr lieben schönen Kinder, nein, es ist kein Schwindel, sondern vollste Wirklichkeit. Das Kopftuch liegt hier vor mir, weich und leicht, quergestreift, roth, blau und grün auf gelbem Grund, auf den ersten Blick von einem echten, orientalischen gestreiften Tuche nicht zu unterscheiden und gleich diesem am Rand unregelmäßig ausgefranzt. Aber wenn man es in die Hand nimmt und genau betrachtet, welche Ueberraschung! Das sind ja – Cigarrenbänder, gelbe, rothe, blaue und grüne Floretseidebänder, wie sie die Cigarrenpäckchen in den Auslagen umgeben und vom Verkäufer bei der Einzelabgabe zurückbehalten werden! Hundertundzwanzig Cigarrenbänder, von geschickten und geduldigen Fingerchen mit feiner gelber Seide überwendlich zusammengenäht, aber nicht zu fest, daß man die Naht glätten kann, immer zwei gelbe, ein rothes, wieder zwei gelbe, ein blaues, dann später ein grünes, ganz nach Geschmack und Neigung, nur daß das Gelb im Fond immer überwiegt. Acht Tage Arbeit in ein paar Ueberstunden täglich und das Tuch ist fertig und schmückt das Köpfchen seiner glücklichen Besitzerin allerliebst.

„Und woher die Cigarrenbänder nehmen?“

Nun, das ist ja eben der Hauptreiz an der Sache. Alles, was raucht und nicht raucht in der ganzen Verwandtschaft und Freundschaft, wird um eines solchen Tuches willen in Bewegung gesetzt. Einkäufe beim Materialwaarenhändler besorgt man selbst, statt das Dienstmädchen zu schicken, und erobert mit einer freundlichen Bitte von dem geschmeichelten Ladenjüngling gleich eine Hand voll der ersehnten Bänder. (Daß sie auch gerade die zum Kopftuch nöthige Breite und Länge haben, ist ein nicht genug anzustaunendes Naturwunder.) Man sieht plötzlich Bruder Gustav’s früher so scharf getadelte „unpassende Liebenswürdigkeit“ gegen das hübsche Cigarrenjettchen in der Ecke drüben mit milden Augen an: hat er doch neulich alle Taschen voll Bänder heimgebracht, genug, um zwei ganze Tücher davon zu nähen! Lucie und Julie haben sie genäht; allerdings riechen sie in der ersten Zeit etwas nach Cigarren; aber, merkwürdig, der Geruch war gar nicht unangenehm. Außerdem verflog er sehr bald, und dann wurden die Tücher vorsichtig und klug parfümirt und sind nun wirklich entzückend!

Welches Glücksgefühl nach ihrer Vollendung, und welcher Triumph gegenüber der rauchenden Männerwelt, die stets über den Aufwand der Frauen schilt, ein solches Tuch zeigen zu können als positiven Gewinn aus ihrer Verschwendung, die wohl Hunderte von Cigarrenpacketen in blauen Dunst aufgehen läßt, aber noch nie auch nur ein einziges Bändchen zu nutzen verstand!