Textdaten
<<< >>>
Autor: J. B.
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Ein neuer Industriezweig
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 41, S. 656
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1864
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Eine neuartige Betrugsmasche
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite

[656] Ein neuer Industriezweig. In der „Hermannstädter Zeitung, vereinigt mit dem Siebenbürger Boten“ vom 28. Juli l. J., Nr. 178 – schreibt uns ein Abonnent der Gartenlaube – ist unter den Annoncen Folgendes zu lesen: „Zur Beachtung. Personen, den besseren Ständen angehörend, ist Gelegenheit geboten, sich mit wenig Mühe einen sichern und rentablen Nebenverdienst zu verschaffen. Gefällige frankirte Offerte beliebe man unter der Chiffre R. S. 12 poste restante Frankfurt a. M. nebst Beischluß von 50 Neukreuzern zu richten.“

Auf eine mit 50 Neukreuzern versehene Anfrage erfolgte umgehend eine „lithographirte“ Antwort nachstehenden Inhalts: „Ew. Wohlgeboren! Frankfurt a. M., Datum des Poststempels. In höflicher Entgegnung Ihrer werthen Anfrage bezüglich der von mir erlassenen Annonce beehre ich mich, Ihnen Nachstehendes zu erwidern. Zur bessern Ausdehnung eines mercantilischen Unternehmens bedarf ich einer großen Anzahl Adressen solcher Personen, welche in ihren finanziellen Verhältnissen derart gestellt sind, daß selbige möglichen Falls eine kleine Ausgabe zu machen im Stande sind.

Es würde nun Ihre Aufgabe sein, derartige Adressen mit sorgfältiger Genauigkeit zu sammeln, deren Vor- und Zunamen, sowie den Wohnungsort nebst Angabe des Kreises oder Bezirks genau zu notiren und mir selbige zu übersenden. Selbstverständlich dürfen derartige Adressen in den bekannten Adreßbüchern nicht enthalten sein, da ich diese bereits zur Genüge besitze. Am erwünschtesten wären mir die Namen von gut gestellten Beamten, Gutsbesitzern, reichen Geschäftsleuten, wohlhabenden Bauersleuten, Fabrikanten, Geistlichen, Gewerbtreibenden etc. ic. Ebenso reflectire ich hauptsächlich auf solche Personen, die in kleineren Landstädtchen, Dörfern, Weilern oder Flecken wohnhaft sind, da von den größeren Städten ohnedies überall Adreßbücher existiren. – Ferner mache ich Sie noch darauf aufmerksam, daß von solch kleineren Plätzen nur höchstens 3–4 Personen verzeichnet sein dürfen.

Für Ihre Bemühungen würde ich Ihnen ein Honorar von Fl. 20. pr. mille aussetzen, und würde es mir angenehm sein, recht bald und recht oft Gelegenheit zu haben, Ihnen Baarsendungen übermachen zu können.

Hochachtungsvoll und ergebenst zeichnet
Rudolph Selle mp. 

Der hiesige Empfänger dieses lithographirten, somit für Viele vorräthigen Briefes sah die ganze Sache einzig und allein als „Schwindelei“ an, schrieb dies in kurzen bündigen Worten an den genannten R. S. 12“ und forderte denselben trocken auf, ihm die gesandten 50 Nkzr. sammt Postportoauslagen frankirt rückzusenden, weil er nicht gesonnen sei, unter solchen Verhältnissen auch nur einen Kreuzer zu verlieren. R S. fand den Brief, so kurz und einfach er auch war, „ungezogen“, schrieb aber einen noch „ungezogeneren“ und meinte, er sende die 50 Nkzr. nur auf eine anständige und manierliche Reclamation zurück. Zu seiner Rechtfertigung gab er an, daß er bereits eine „gewisse Anzahl Privatleute“ habe, die jährlich 1000 bis 1200 fl. auf die im obigen Briefe erwähnte Weise verdienen, und das wäre „folglich ein rentabler und sicherer Nebenverdienst“. Diesem entgegen haben wir nur zu bemerken, daß, wenn sich Jemand auf obige Weise 1200 fl. (20 fl. für das Tausend Adressen) verdienen wollte, er dem R. S. nicht weniger als 60,000 Namen Wohlhabender bekannt geben müßte, worunter aber kein Mann sein dürfte, der in irgend einem Adreßbuche vorkommt und aus Dörfern und Märkten etc. höchstens 3–4 Personen namhaft zu machen wären. Das ist doch schon das „Höhere“ der Industrie!

Da man voraussetzen muß, daß die „Hermannstädter Zeitung“ nicht die allein glückliche ist, welche mit der Annonce „Zur Beachtung“ bevorzugt wurde, so halten wir uns verpflichtet, unsere Landsleute von dieser neuen Art Besteuerung zu Gunsten eines Privatsäckels zu benachrichtigen und auf den Namen Rudolph Selle besonders aufmerksam zu machen, damit, seine ungeheuerlichen Anerbietungen nach ihrem wahren Werthe geschätzt werden.

Es wäre wünschenswerth, wenn auch andere Zeitungen noch von dieser Mittheilung Notiz nehmen und ihren Leserkreis auf diese neue Industrie (bei welcher R. S. für eine von ihm selbst angesuchte Gefälligkeit der Namennennung 50 Nkzr. im Voraus eincassirt!!) hinweisen würden.
J. B.