Ein märkisches Bad und sein Jubelfest

Textdaten
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Autor: V. B.
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Titel: Ein märkisches Bad und sein Jubelfest
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 34, S. 566–568
Herausgeber: Ernst Ziel
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1884
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Festakt zum 200jährigen Jubiläum des Besuchs des Großen Kurfürsten in Bad Freienwalde 1684
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Ein märkisches Bad und sein Jubelfest.
(Mit Illustrationen von A. v. Rößler.)

Die Mark Brandenburg ist nicht so arm an landschaftlichen Reizen, wie man bei dem Gerede von des Heiligen Römischen Reiches Streusandbüchse gemeiniglich denkt. Potsdam ist eine landschaftliche Perle allerersten Ranges; aber auch die nähere Umgebung Berlins hat große Schönheiten. Es sei ferner an den Spreewald, an die Wälder und Seen im Nordosten erinnert; endlich an die märkische Schweiz, die viel zu wenig gekannte! Ein Hochland, welches in der höchsten Erhebung – an dem Nordabfalle von Falkenberg bis Freienwalde an der Oder und in der Buckower Gegend im Süden – eine wahrhaft imposante Hügelentwickelung mit wundervollen Waldschluchten und eingestreuten Seen aufweist, bietet diese märkische Schweiz in der langen Thalspalte von Falkenberg bis Straußberg eine Kette von Waldseen, welche wenigstens im Blumenthal eine der schönsten Waldpartien säumt, die man durchwandern kann.

Auch einen Bade-Ort hat diese „Schweiz“ der Mark geliefert; eine starke salinische Eisenquelle und ein reichliches Stück salinischen Eisenmoors stellen das Städtlein Freienwalde an der Oder in die Reihe der wirkungskräftigen Heilbäder Deutschlands. Zudem ist dieses Freienwalde landschaftlich der schönste Punkt der märkischen Schweiz nicht nur, sondern vielleicht des ganzen deutschen Ostens, seine Wald- und Hügelwelt reichlich so schön wie die Mittelgebiete unserer vielbesuchten Gebirge.

In Berlin weiß man dies wenigstens in bestimmten Kreisen, welche im Sommer allsonntäglich schaarenweise Besucher, aber auch ständige Sommergäste in Menge liefern, denen die Nähe der Heimath allerlei erwünschten Vortheil bietet. Doch auch von weither kommen Sommerfrischler und Curbedürftige, Leute mit schlechtem Blut und chronischen Erkältungsleiden, besonders gichtisch geplagte und gelähmte, von deren Heilung die Curchronik Wunder erzählt. Leider hat die Verwaltung vor nicht gar langer Zeit die Votivtafeln und die zahlreichen Krücken verbrannt, welche kräftig dafür zeugten. Der Uebergang des Besitztitels vom Fiscus auf die Stadt (1832) war dem Bade bedauerlicher Weise ungünstig; erst die Gründerzeit, welche mit den alten Bauten aufräumte und allen Comfort modernen Badelebens hierher verpflanzte, um das Geschaffene nach dem „Krach“ mitsammt dem Besitzrechte der Stadt zurückzugeben, bezeichnet den Anfang einer Zukunft für das Bad, die seiner Vergangenheit würdig sein dürfte.

Es ist eine Thatsache, welche sonderbarer Weise fast unbekannt geworden, daß dieses Freienwalde an der Oder bis in den Anfang des Jahrhunderts hinein das Privatbad der Hohenzollern gewesen, wie es als Bade-Ort die Gründung eines der größten Hohenzollern ist, welche die Geschichte kennt: des großen Kurfürsten. Als nämlich 1683 zufällige Heilungen in Folge des Genusses von Wasser aus einer der Freienwalder Mineralquellen Aufsehen erregten und die Kunde davon an den brandenburgischen Hof kam (durch Vermittelung des Freienwalder Apothekers Gänsichen), ließ der Große Kurfürst das Wasser chemisch untersuchen und legte alsbald seine Hand auf die Quellen. Er verfügte die Fassung der Hauptquelle und die Einsetzung einer Brunnenverwaltung und zog im Jahre 1684 selbst mit Gemahlin, zwei Prinzen und ziemlichem Gefolge als Curgast in Freienwalde ein.

Seitdem hat fast jeder Hohenzoller hier gebaut und hier getrunken und gebadet bis in den Anfang dieses Jahrhunderts. Kein Wunder also, daß die Bürger von Freienwalde den zweihundertjährigen Gedenktag des Einzugs des Großen Kurfürsten, dieses für ihre Stadt so wichtigen Ereignisses, durch ein besonderes Fest feierten. Dank der regen Betheiligung der Berliner Künstlerschaft gestaltete sich dasselbe zu einem der glänzendsten Costümfeste, die in den letzten Jahren gegeben wurden, und verdient auch wohl an dieser Stelle eine kurze Erwähnung.

Die Stadt hatte am 21. Juli, dem Jubeltage, üppigsten Festschmuck angelegt. Grünes lieferte der Stadtforst verschwenderisch; Fahnen und Fähnchen hatte eine kurz zuvor abgehaltene Thierschau in Unmenge hinterlassen. So zog [567] sich dicht Mast an Mast, durch ganze Tannen oder Fichten getrennt und durch Guirlanden verbunden, der Weg vom Bahnhofe bis zum Beginn der alleegrünen Brunnenstraße. Hier und da eine Triumphpforte, einmal sogar ein mit Velarium überdachtes Tempelchen. An den Häusern das Mögliche von Bekränzung, Teppichen, Inschriften, Fahnen.

Kurfürstlicher Artillerist im Festzuge.

Früh langten die Künstler aus Berlin an, mit verdächtigem Gepäcke und aus Staubröcken aufblitzenden Garderobenheimlichkeiten. Sie waren Gäste der Stadt und beeilten sich, ihre Quartiere aufzusuchen. Eine Zeitlang häuften sich die bunten Erscheinungen in dem Straßengewoge der Zuschauer; Wagen mit Damen des 17. Jahrhunderts rollten hin und her, dann und wann trabte der derbe Gaul eines rothblousigen Schlächters Platz heischend durch den Schwarm. Plötzlich hörte das Alles auf: droben beim Schlosse war Probe.

Gegen Mittag erschien der Kronprinz, welcher die Einladung zum Feste angenommen hatte, mit seiner Begleitung, bezaubernd gut gelaunt, sprudelnd von witzigen Einfällen und Artigkeiten, aber fraglos und in stetig wachsendem Maße zugleich wahrhaft überrascht durch das, was sich von nun ab seinem Auge darbot.

Nach dem üblichen officiellen Empfang entwickelte sich im Schloßgarten der erste Festact. Aus verdeckendem Gebüsch kommt Kurfürst Friedrich Wilhelm geritten mit einem glänzenden Gefolge. Ihm folgt im Wagen die Kurfürstin mit ihren Ehrendamen. Während die kurfürstliche Gruppe sich zum Schlosse hin bewegt, defilirt der Zug weiter: kurfürstliche Dragoner unter Führung des alten Derfflinger, Künstler und Gelehrte, wie Schlüter, der Chemiker Kunckel, Leibarzt Mentzel und Andere, ein Magister mit Frankfurter Studenten, berittene Polen, die Negergesandtschaft von der afrikanischen Colonie Groß-Friedrichsburg – eine kostbare Gruppe von täuschender Echtheit mit einem absonderlichen Götzenbilde auf einem der Dromedare des Zoologischen Gartens, mit Palmenfächern und anderen Zuthaten; ferner der kurfürstliche Hofküchenwagen, Bauern mit zwei Schafen und einer Ziege, Badegäste, kurfürstliche Artillerie mit der äußerst gelungenen Nachbildung eines Riesengeschützes aus der Ruhmeshalle, endlich ein Quacksalber auf einem Eselwagen und etliche Landstreicher und Handwerksburschen.

Hierauf folgte auf der andern Seite des Schlosses der zweite Act des Festes: die Begrüßung des Kurfürsten durch die Bürger der Stadt Freienwalde. Ein zweiter nicht minder glanzvoller Zug, die Spitzen, Innungen, Gewerke der Stadt darstellend, bewegte sich die Parkwiese herauf und gruppirte sich vor der Terrasse des Schlosses.

Der Bürgermeister thut einen Kniefall auf der obersten Treppenstufe und spricht den Willkommspruch in den steifen Alexandrinern der Zeit.

Und der Kurfürst spricht dawider seinen Dank und trinkt auf das Wohl der Stadt, während auf ein Hoch des Bürgermeisters Hunderte von Kehlen einstimmen.

Mit der Aufforderung des Fürsten, ihn zu den Quellen zu geleiten, endigt die Scene; jener begiebt sich wieder zu seinem Zuge, dem sich der Städterzug anschließt, um nach einer Promenade durch die Stadt auf dem Festplatze am Brunnen einzutreffen.

Der Brunnenplatz ist mit jungen Bäumen bestanden; links begrenzt ihn das Curhaus mit einer Loggia an der ganzen Frontlänge, geradeaus und rechts ein überbauter Säulengang, welcher mit dem Tempelchen über der Königsquelle abschließt. Drei Bogen der Loggia sind für den Kurfürsten bestimmt, eine roth überkleidete Treppe führt vom Platze zu dem roth drapirten Zelt hinauf. Die übrigen Bogen sind für den Kronprinzen, das Gefolge und die Behörden da, die Tribüne, welche sich rechts unter die letzten Bogen hinbaut, gehört den am Zuge betheiligten Damen und bietet ein anmuthiges Bild, welches der Zeichner in unserer Schlußvignette festzuhalten versucht hat. Die Säulengänge sind mit amphitheatralisch ansteigenden Tribünen gefüllt, das Tempelchen durch blaue Portièren für alle Blicke abgeschlossen.

Soeben hat der Kurfürst mit Gemahlin und Prinzen in seinem Zelt Platz genommen. Da bildet sich eine Gasse von der Quelle her bis zur kurfürstlichen Treppe, und nun entwickelt sich aus den blauen Gardinen der Königsquelle, auf improvisirten Treppen über die Balustrade steigend, ein Spalier von dreißig kleinen Wassergeistern in allen Schattirungen von blauem Tarlatan, fleischfarbene Tricotstrümpfe an den Füßen, Seerosenkränze im aufgelösten Haar und Schilfbündel in den Händen, und in diesem Spalier hin bewegt sich eine Gruppe von olympischer Abkunft: Gott Neptunus mit fünf Quellnymphen in der Nymphentracht der Barockzeit (vergl. die Anfangsvignette Seite 566). Sie steigen zum Kurfürstenzelt aufwärts, Neptun stemmt sich gravitätisch gnädig auf den Dreizack und beginnt also:

„Neptunus zeigt sich hier dem fürstlichen Geblüt,
Deß Ruhmb und großes Lob gleich Phöbus Leuchte glüht:
Wie Phöbus’ Pfeil den Ball von Pol zu Pol bestreichet,
Also auch Euer Nam’ das fernste Volk erreichet.
Des Mohren wild Geschlecht, von Hitze schwartz gebrennt,
Kommt Euch zu huld’gen schon aus Affrika gerennt“ –

So geht die bombastische Huldigung weiter, sich zu einer kräftigen und verheißungsvollen Empfehlung der Colonialwirthschaft zuspitzend und mit einer Vorstellung der Nymphen schließend, von welchen dann die drei vornehmsten mit Wechselsprüchen den hohen Badegast grüßen und über ihre Heilkraft Auskunft geben. Nun hebt die „Königsquelle“ ihren böhmischen Glaspokal, gefüllt mit Brunnen, und reicht den ersten Trunk dar:

„Laß wohl dir diesen Trunk, Haus Brandenburgk, gefallen!
Vor Kind und Kindeskind soll Segeil daraus wallen.“

Und der Kurfürst trinkt und bedankt sich etwas sauersüß, und im Hinabsteigen ruft der Wassergott noch ein schallendes Hoch für das Haus Brandenburgk über den Platz, das ein gewaltiges Echo weckt. Dann verschwindet die antike Götterwelt hinter die Portièren zurück, und die Wellen des bunten Lebens und Treibens der Zuggäste, welche nach den durch einen Marschall in Aussicht gestellten Speisen und Getränken verlangen, schlagen hinter ihnen zusammen.

Und damit war auch das Hauptprogramm des Costümzuges zu Ende. Was folgte, war ein butes Allerlei, bei dem sich jeder so gut oder schlecht vergnügte, als es die Umstände mit sich brachten. Ein Festdiner im Cursaale, Spaziergänge nach dem Eichenhain, Abends Ball, Illumination und Feuerwerk, ein heiterer Nachklang und Ausklang am andern Tage in Gestalt von allerlei Vergnügungen der bunten und fröhlichen Jugend, voll lustiger Episoden – das war der befriedigende Abschluß einer Jubelfeier, an welche alle Betheiligten mit farbenfrischer Erinnerung noch lange zurückdenken werden. Möge sie dem aufblühenden wunderschönen Bade so zu Nutz werden, wie sie ihm zur Ehre gereichte!
V. B.

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Festzug in Freienwalde: Mohren aus der Colonie Groß-Friedrichsburg.