Textdaten
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Autor: Otto Hermes
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Titel: Ein heimlicher Hausfeind
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aus: Die Gartenlaube, Heft 22, S. 342–344
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1868
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Ein heimlicher Hausfeind.

Von Otto Hermes.

In der Christnacht des Jahres 1715 hatten sich drei Männer in einem Häuschen der Weinberge Jenas versammelt. Von der Stadt tönten die Schläge der Mitternachtsstunde heraus. Die Leute waren in der Absicht zusammengekommen, Geister zu beschwören, einen Schatz zu heben und sich einen Heckethaler zu verschaffen.

Es herrschte bittere Kälte, draußen und in dem engen Raume, dessen Fenster und Thüren man sorgfältig verschlossen. Sie wollte auch nicht weichen, nachdem man ein Kohlenfeuer angezündet, dessen bläuliche Flamme zu der geheimnißvollen Arbeit unumgänglich nothwendig erachtet wurde.

Die Beschwörung begann. Ein Student der Gottesgelahrtheit zog ein altes wunderbar verschnörkeltes Buch unter dem Brustkleide hervor, schlug die vorher vermerkte Seite auf und fing an, über das trüb leuchtende Feuer gebeugt, murmelnd zu lesen, mehr und mehr seine Stimme steigernd. Die Anderen lauschten bänglich schweigend.

Noch hatte der Frevler die erste Seite nicht vollendet, als sich eine seltsame Veränderung an ihm bemerklich machte. Sein rothes, gedunsenes Gesicht wurde blaß, seine Stimme, die sich bald bis zum höchsten Pathos aufgeschwungen, immer leiser. Bald fühlte er sich nicht mehr fähig, zu stehen; seine Sinne schwanden und, ehe die dritte Beschwörung zu Ende war, stürzte er besinnungslos zu Boden. Seine Begleiter, zwei Bauern, waren eingeschlafen und von der Bank, auf welcher sie Platz genommen, heruntergefallen. Einer von ihnen erwachte noch einmal, war aber so betäubt, daß er nicht aufstehen konnte.

Am nächsten Tage wurde die Behörde von diesem Vorfall unterrichtet. Die von ihr zur Untersuchung geschickten Personen fanden den Studenten dicht an der Thür ohne Bewegung liegend; die beiden Bauern waren todt. Der Student wurde in die Stadt gebracht und hier durch die Anwendung zweckmäßiger Mittel wieder in’s Bewußtsein zurückgerufen. Die Körper der todten Bauern ließ man in dem Häuschen bis zum nächsten Tage liegen. Drei Wächter blieben bei ihnen. Der Kälte wegen zündeten diese in der Nacht ein Kohlenfeuer an. Bald wurden sie müde und betäubt, so daß sie sich niederlegten und einschliefen. Tags darauf fand man auch diese auf dem Boden liegend; zwei waren todt, der dritte wurde mit genauer Noth gerettet.

Die untersuchenden Aerzte erkannten die Todesursache nicht; sie hielten ängstlich mit ihrem Urtheile zurück. Die Herren Geistlichen aber, welche eben gar keine Ahnung von der Wirkung giftiger Stoffe auf den menschlichen Körper hatten, wußten trotz der auffallenden Erscheinungen, unter denen der Tod erfolgt, trotz der erstickenden Atmosphäre in dem engen Raume, ganz genau, daß der – ††† Teufel diese Leute umgebracht habe. Sie ruhten nicht eher, als bis die Körper der Verstorbenen dem Henker übergeben wurden, der sie wie die gemeiner Mörder hinausschleppte und verscharrte.

Als Fr. Hoffmann, der vorstehenden für die Geschichte des Kohlendunstes so interessanten Vorfall uns überliefert, in einer kleinen Schrift gegen diesen Unfug zu Felde zog und nachwies, daß der Kohlendunst die Ursache des Todes gewesen, erhob sich in der gelehrten Welt über diesen Gegenstand ein erbitterter Streit. Und, merkwürdig genug, ergriff gerade ein Arzt in Jena, Namens Andreä, mit allem Eifer die Partei des Teufels. Der Streit endete, nachdem die medizinische Facultät in Leipzig, von der man ein Gutachten einholte, zu Gunsten Hoffmann’s entschieden hatte.

Der Teufel hatte die vier Leute allerdings umgebracht, aber diesem Teufel fehlten der Pferdefuß und die Hörner – der Teufel der Herren Geistlichen, welcher manchem gelehrten Herrn heute noch in dieser Gestalt erschienen sein soll: er war in Gestalt eines Giftgases in die Leute gefahren. Just derselbige Teufel hat erst noch in dem letzten Winter zweiundsechszig Personen in Berlin seine Aufwartung gemacht und manche davon umgebracht!

Um so räthselhafter klingt dieser im achtzehnten Jahrhundert zu Jena vorgekommene Fall, als schon den Alten die Thatsache bekannt war, daß der Dunst, welcher von glühenden Kohlen ausgehaucht wird, auf Menschen und Thiere tödtlich wirken kann. Plutarch und Florus erzählen uns, daß schon im Jahre 87 vor Christi Geburt der Kohlendunst zum Selbstmord angewendet worden: Lutatius Catulus, den der grausame Marius tödten lassen wollte, entleibte sich durch Einathmen von Kohlendunst. Der Kaiser Jovian starb in Folge einer Kohlendunstvergiftung und sein Vorgänger Julian würde dasselbe Schicksal gehabt haben, wenn er sich nicht sogleich, als Erbrechen und Umnebelung der Sinne eintrat, an die freie Luft begeben hätte.

In den letzten Jahren haben die durch Kohlendunst erzeugten Vergiftungsfälle in so außerordentlichem Grade zugenommen, daß man mit Recht behaupten kann: es herrscht ein allgemeiner Nothstand. Die Ursache desselben, den Kohlendunst, wollen wir seiner Quelle und seinem Wesen nach zunächst kennen lernen.

Verbrennt ein organischer Körper an der Luft, so ist dies ein chemischer Vorgang, bei welchem sich der Sauerstoff der Luft mit dem Kohlenstoff und dem Wasserstoff des Körpers verbindet. Es bildet sich Kohlensäure, eine Verbindung des Kohlenstoffs mit Sauerstoff, und Wasser, eine Verbindung des Wasserstoffs mit Sauerstoff. Ist bei einer Verbrennung der Sauerstoff nicht in ausreichender Menge vorhanden, so entsteht an Stelle der Kohlensäure das Kohlenoxydgas, eine Verbindung, welche weniger Sauerstoff enthält, als die Kohlensäure. Fehlt also z. B. in einem Ofen, in welchem man Holz oder Kohle angezündet, die zum vollständigen [343] Verbrennen dieser Stoffe nothwendige Luft, was der Fall ist, wenn die Ofenklappe geschlossen oder der Ofen oder Schornstein verrußt ist, so füllt sich zunächst der Ofen mit den theils vollständig, theils unvollständig erfolgten Verbrennungsproducten, dem das Kohlenoxyd enthaltenden Kohlendunste, der dann aus den Oeffnungen des Ofens in die Umgebung dringt. Der Kohlendunst ist also das Erzeugniß einer unvollkommenen Verbrennung. Ueberall da, wo diese vor sich geht, ist die Quelle des Kohlendunstes zu suchen. Bei den Kohlenbecken, die so gerne zur Heizung großer Räume oder zum Austrocknen von neuem Mauerwerke angewendet werden, beim Verkohlen von Dielen, Möbeln oder Kleidungsstücken, beim Glimmen von Dochten oder von Papier und anderen Körpern bilden sich Gase, welche man mit dem Namen „Kohlendunst“ oder „Kohlendampf“ bezeichnet. Wie er aber auch entstanden sein mag, Belege von seiner vernichtenden Wirkung können wir bei allen Arten beibringen. Mehr vereinzelt sind die Fälle der Vergiftung bei dem auf die zuletzt angegebene Weise entstandenen Kohlendunste; daß aber selbst der Rauch eines ausgelöschten Talglichtes oder einer Lampe tödtlich wirken kann, mag folgender Fall lehren.

Am 12. Mai 1650 feierten die Schmiede in Leipzig ihr sogenanntes Quartal. In demselben Raume war ein Kind von zwölf Jahren aus Müdigkeit eingeschlafen. Aus reinem Muthwillen hielt man dem Kinde ein halbverlöschtes Licht unter die Nase; es erwachte, schlief jedoch bald wieder ein, worauf die Schmiede ihre Spielerei mit dem Kinde eine halbe Stunde lang fortsetzten. Kurz darauf bekam das Kind Athemnoth und starb endlich nach drei Tagen.

Die chemische Analyse giebt uns Aufklärung über die Stoffe, welche in dem Kohlendunste enthalten sind, von denen uns besonders diejenigen interessiren, auf welchen die Wirkung des Kohlendunstes beruht. Im Durchschnitt kann man annehmen, daß derselbe vierundzwanzig Procent Kohlensäure, zwei und einen halben Procent Kohlenoxydgas und geringe Mengen von Kohlenwasserstoff enthält. Der gefährlichste dieser Stoffe ist das Kohlenoxydgas, welches zwar in geringerer Menge als die Kohlensäure in dem Kohlendunste vorhanden ist, jedoch bei den Vergiftungen die wesentlichere Rolle spielt. Am leichtesten erhält man es aus der Oxalsäure, welche zu diesem Ende für sich oder mit Schwefelsäure erwärmt werden muß. Neben dem Kohlenoxydgase bildet sich hierbei Kohlensäure, welche man entfernt, indem man Kohlenoxydgas und Kohlensäure durch Kalkwasser oder Kalilauge leitet. Von diesen Körpern wird die Kohlensäure aufgenommen, während das Kohlenoxydgas in mit Wasser angefüllten gläsernen Cylindern aufgefangen werden kann.

Das so erhaltene reine Kohlenoxydgas hat weder Farbe, noch Geruch, noch Geschmack; es ist etwas leichter als die atmosphärische Luft und brennt mit blaßblauer Farbe. Die blauen Flämmchen des Kohlenfeuers sind brennendes Kohlenoxydgas. Thiere, in dies Gas gebracht, sterben fast augenblicklich; sie sterben sogar schnell, wenn man sie in eine Luft bringt, die nur einige Procente des Kohlenoxydgases enthält. Ist in der Athmungsluft nur ein halbes Procent Kohlenoxyd vorhanden, so stellt sich bei den Thieren schon nach wenigen Athemzügen ein ängstliches Benehmen und schnelleres Athmen ein. Nach einem kurzen Zeitraum der Beruhigung folgt eine reichliche Absonderung der Thränenflüssigkeit, des Nasenschleims und des Speichels; willkürliche Bewegungen hören auf. Das Thier schwankt, taumelt und sinkt um, häufig unter Krämpfen. Die Athemzüge werden tiefer und langsamer, dann unregelmäßig, bis sie ganz aufhören. Athmen Menschen das Kohlenoxydgas ein, so fangen sie zunächst wie Betrunkene an zu schwanken, und stürzen dann meist unter Zuckungen besinnungslos zu Boden.

Die Wirkung des Kohlendunstes auf den Menschen ist eine ähnliche; natürlich treten die Erscheinungen langsamer ein, da das Kohlenoxydgas meist nur in geringen Mengen in der Athmungsluft enthalten ist. Zuerst stellt sich schnell sehr heftig werdender Kopfschmerz ein, dann Schwindel, Schläfrigkeit, Umnebelung und Abstumpfung der Sinnesthätigkeit, bis schließlich vollständige Besinnungslosigkeit eintritt. Der Taumel, in dem die Vergifteten sich befinden, ist so groß, daß sie, wenn sie auch aus diesem erwachen, doch nicht die Kraft besitzen, den gefährlichen Ort zu verlassen. Doch sind die Erscheinungen nicht gleichmäßig; oft schwindet das Bewußtsein ganz plötzlich, mitunter stellt sich Uebelkeit und Erbrechen ein, dem ein Gefühl von Ohnmacht oder Schläfrigkeit folgt. Auch kommen in dem Zustande der Betäubung häufig krampfhafte Zuckungen vor und auf dem gedunsenen Gesichte zeigen sich violette oder hochrothe Flecken. Verläuft die Vergiftung tödtlich, so erfolgt der Tod meist ruhig und immer ohne vorherige Wiederkehr des Bewußtseins. Bei nicht tödtlichem Ausgange bleiben oft ganze Theile des Körpers auf Lebenszeit gelähmt.

Wir erkennen aus den Erscheinungen, welche die Vergiftung begleiten, daß der Kohlendunst einer der gefährlichsten Feinde des thierischen Lebens ist. Gewöhnlich geht dieser heimtückische Geist des Nachts an seine Verderben bringende Arbeit; ohne sich durch ein Geräusch oder durch den Geruch zu verrathen, ohne irgend ein warnendes Zeichen für die nahende Gefahr zu geben, zieht er ein in den Körper:

„Dem Menschen tausendfältige Gefahr
Von allen Enden her bereitend.“

Den guten Geist des Blutes, den Sauerstoff, überwältigend, verdrängt er ihn aus dem Blute – ganz allmählich bis zur völligen Vernichtung aller Lebensgeister.

Tausende von Menschen haben ihr Leben eingebüßt, weil sie die Macht des heimtückischen Feindes unterschätzten, oder weil sie es nicht der Mühe werth hielten, ihn seinem Wesen nach kennen zu lernen. Wohl warnt die Polizei vor ihm: „Hütet euch, daß er euch nicht umbringe.“ Was aber helfen solche Warnungen, wenn sie nicht beachtet, ja nicht einmal gelesen werden? Wir könnten in Hunderten von Fällen das entsetzliche Elend schildern, das aus reiner Nachlässigkeit über ganze Familien hereingebrochen. Ein Blick in die Zeitungen genügt, uns zu überzeugen, daß hier zwei Kinder, dort eine ganze Familie, dort eine Anzahl Soldaten in ihren Wohnungen vergiftet gefunden worden. In den Berichten über den Volksgesundheitszustand im russischen Kaiserreiche für das Jahr 1856 heißt es: „unter den verschiedenen Arten von Vergiftung war die durch Kohlendunst am häufigsten“. Statistische Angaben über die Anzahl der jährlich vorkommenden Vergiftungsfälle sind unseres Wissens leider nirgends zu finden; dieselben würden aber in mancher Hinsicht von so großem Werthe sein, daß die Statistik verpflichtet wäre, nicht länger damit zu zögern. In Preußen sind die Aerzte unseres Wissens nur dann verpflichtet, der Behörde von einer Kohlendunstvergiftung Anzeige zu machen, wenn dieselbe einen tödtlichen Verlauf genommen. Wie bei der Cholera müßte diese Verpflichtung der Aerzte auf alle, auch die leichteren Fälle ausgedehnt werden. Durch eine Zusammenstellung aller in den beiden Jahren bei der Polizei angemeldeten Vergiftungsfälle in Berlin fanden wir, daß im Jahre 1857 neunzehn, im Jahre 1867 zweiundsechszig Personen durch Kohlendunst vergiftet worden sind. Mit Ausnahme einiger Fälle lauten fast alle Berichte übereinstimmend über die Ursache: „Der Ofen war mit Steinkohlen geheizt und die Ofenklappe zu zeitig geschlossen.“

Die Anzahl der Kohlendunstvergiftungen hat sich, wie der Vergleich der beiden Jahre in Berlin ergiebt, in erheblicher Weise gesteigert; doch nicht Berlin allein, das ganze nördliche Europa krankt mehr an diesem Uebel, seitdem die Steinkohle in den Haushaltungen zum Heizen eine ausgedehntere Anwendung gefunden. Daß diese die Quelle des Kohlendunstes nicht allein bildet, haben wir oben schon erörtert: jedes Brennmaterial erzeugt, bei mangelhaftem Luftzuge verbrannt, Kohlendunst, so daß, wird die Ofenklappe bei Holzfeuerung zu früh geschlossen, ebenso gefährliche Wirkungen entstehen können und häufig auch erfolgen.

Holz, Torf, Braunkohlen etc. verbrennen aber in viel kürzerer Zeit, als die Steinkohlen. In der Asche der letzteren kann man häufig noch nach vielen Stunden glühende Kohlen entdecken, besonders dann, wenn der Schornstein verrußt ist oder Witterungsursachen störend einwirken.

Viele, die Gefahr nicht kennend, schließen die Ofenklappe, auch wenn noch glimmende Kohlen vorhanden sind. Eine besonders die deutsche Hausfrau auszeichnende Tugend, die Sparsamkeit, ist oft die Veranlassung, daß durch das „rechtzeitige“ Schließen der Ofenklappe, welches meist ohne Kenntniß der Gefahr mit peinlichster Gewissenhaftigkeit geschieht, der vernichtende Geist der Kohle heraufbeschworen wird.

Wenn ein Mensch von ihm trunken oder besinnungslos gemacht ist, so sorge man vor allen Dingen dadurch für frische Luft, daß mau ihn in ein anderes Zimmer bringt oder durch Oeffnen von Fenstern und Thüren einen Luftstrom erzeugt. Die eng anliegenden [344] Kleidungsstücke müssen schnell beseitigt und Brust und Füße bis zur Ankunft des Arztes gerieben werden. Sollte dieser, dessen Hülse, wenn er wenigstens kein Homöopath ist, unter allen Umständen dringend erforderlich, nicht gleich zur Stelle sein, so kann man versuchen, dem Vergifteten starken, schwarzen Kaffee einzuflößen. – Wie kann man sich nun gegen die Kohlendunstvergiftung schützen?

In früherer Zeit glaubte man, daß die giftigen Ausdünstungen der Kohlen durch Uebergießen derselben mit Wein aufgehoben werden könnten. Aus demselben Grunde legte man später ein Stück Eisen unter die Kohlen, oder man bestreute sie mit Seesalz, oder zündele etwas Schießpulver in dem Zimmer an. Erstere Methode soll sogar heute noch beim Landvolke in Italien gebräuchlich sein. Das Bestreuen der Kohlen mit Salz geschieht vereinzelt in Deutschland heute noch. Ein eigentliches Schutzmittel gegen die Vergiftung durch Kohlendunst giebt es indessen nicht. Das wirksamste Schutzmittel besteht in der Vermeidung derjenigen Ursachen, welche den Kohlendunst erzeugen können.

Die Medicinalpolizei hat aus diesem Grunde in einigen Staaten Warnungen erlassen, die zugleich eine mehr oder weniger, umfangreiche Belehrung über den Kohlendunst enthalten. Gelesen werden diese Warnungen um so weniger, als sie nur selten und dann meist an einer versteckten Stelle einiger größerer Zeitungen erscheinen, und beachtet werden sie noch seltener. Thatsache wenigstens ist, daß sie in Preußen, insbesondere in Berlin, eine Abnahme der Vergiftungen durch Kohlendunst nicht bewirkt haben. Ob etwa in anderen Ländern oder Städten, entzieht sich unserer Beurtheilung. Wir fürchten, daß das Verhältniß nicht günstiger sein wird, denn immer häufiger melden die Zeitungen aller Orte solche Unglücksfälle. Die Erfahrung ist nicht neu, daß ein großer Theil des Publicums, wenigstens des ungebildeten, sich nicht belehren läßt. Die Ergebnisse der Wissenschaft werden nicht beachtet; man macht diese zur Glaubenssache. Fragte mich doch kürzlich noch ein Schlächtermeister, ob ich denn wirklich an die Trichinen glaube? Er mit seiner Familie kehre sich nicht an den Virchow’schen Trichinenschwindel.

In Fällen, wo es sich um Menschenleben handelt, hat jeder Gebildete die Verpflichtung, mitzuhelfen an der Beseitigung von Vorurtheilen und mangelhaften Zuständen.

Der Uebel größtes aber ist diesfalls die Ofenklappe. Mit deren Verbesserung oder Beseitigung würde die große Anzahl der Vergiftungen durch Kohlendunst auf eine kleine Summe zusammenschmelzen. Verbessern kann man sie dadurch sehr leicht, daß man einige Löcher von Größe eines Zweigroschenstückes in dieselbe bohren läßt, durch welche, ist das Brennmaterial noch nicht völlig verkohlt, der gefährliche Dunst entweichen kann. Noch wirksamer würde die völlige Beseitigung der Ofenklappe sein. Als Ersatz dafür empfehlen sich die in vielen Haushaltungen schon eingebürgerten luftdicht schließenden Ofenthüren. Die Ofenklappe sowohl, wie auch die luftdichte Ofenthür haben den Zweck, den Luftstrom, welcher vom Zimmer aus durch Ofen und Schornstein geht, abzuschneiden und dadurch die schnelle Ausgleichung der erwärmten mit der kälteren Luft zu verhindern. Daher darf auch die luftdichte Ofenthür nicht früher geschlossen werden, als dies bei der Ofenklappe geschehen ist. Erstere beseitigt zugleich die Gefahr, und aus diesem Grunde sollte die Anbringung der Ofenklappe bei Neubauten z. B. gar nicht mehr statthaft sein.

Schließlich wollen wir noch einem ziemlich verbreiteten Irrthum entgegentreten, nämlich dem, daß die Oefen durch die luftdichten Thüren leiden. Nicht jedoch durch die Thüren, sondern durch das zu frühe Schließen derselben leiden die Oefen. Erst wenn das Feuer völlig niedergebrannt ist, schließe man die luftdichten Thüren, dann wird der Ofen, davon halte man sich überzeugt, nicht mehr und nicht weniger leiden, als bei den verhängnißvollen Ofenklappen.

Die Unglücklichen, welche dem giftigen Gase zum Opfer gefallen sind, hatten gegen die ewigen Gesetze der Natur gefehlt, die Jeden unbarmherzig zermalmen, der sich wider ihre Gebote auflehnt. Die Natur gehorcht uns nur da und nicht eines Haares Breite weiter, als wir ihr ihre Gesetze abgelauscht haben.

Wir haben nun das Gesetz kennen gelernt, daß jeder unvollkommene Verbrennungsproceß den giftigen Kohlendunst erzeugt; wir wissen, daß zu geringer Luftzutritt die unvollkommene Verbrennung bewirkt, wir haben es tausendfach gehört und gelesen, daß zu frühe Schließung der Ofenklappen das Leben der Menschen diesem Gifte preisgiebt: nun, so müssen wir uns fragen, wollen wir nicht durch die Beseitigung der Ofenklappen diesen Feind aus unserem Hause verbannen?