Textdaten
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Autor: Louise Otto
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Titel: Ein gekrönter Dichter
Untertitel:
aus: Mein Lebensgang. Gedichte aus fünf Jahrzehnten. S. 188-191
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum: 1850-1860
Erscheinungsdatum: 1893
Verlag: Moritz Schäfer
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Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
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Originalherkunft:
Quelle: Google-USA* und Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
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[188]
Ein gekrönter Dichter.


Gen Augsburg zog der ritterliche Sänger
Ulrich von Hutten, aus dem fernen Süd;
Italien mag dulden den nicht länger,
Der für die Wahrheit und die Freiheit glüht.

5
Der Meuchler Dolche sind für ihn gedungen,

Im goldnen Becher schäumt ein tödlich Gift,
Ein Anathem’ von strengen Priesterzungen
Wirft in den Bann des Neurers Lied und Schrift.

So kehrt er zu dem deutschen Vaterlande

10
Sein treuster Sohn, und vor ihm zieht sein Ruf,

Der Name, den Begeistrung preisend nannte,
Den ihm sein Lied, sein Heldentum erschuf.
Und Augsburgs hochgelahrter Bürgermeister,
Peutinger, öffnet gastlich ihm sein Haus,

15
Hochehrend grüßen ihn verwandte Geister,

In alle Lande schallt sein Ruhm hinaus.

Ein langer Festzug wogt durch Augsburgs Gassen
Bei stolzer Rythmen jubelndem Geleit,
Ein Jauchzen von der Reichsstadt Volkesmassen

20
Preist laut des deutschen Kaisers Herrlichkeit.
[189]
Zum Reichstag war der Kaiser Max gekommen,

Der, noch ein Feuergeist im Silberhaar,
Von allen Fürsten, Habsburg Stamm entglommen
Der edelste, der Held’ und Dichter war.

25
Den Helden und den Dichter will er grüßen,

Ulrich von Hutten, dessen kühner Sang
Und Heldenthaten Anrecht wohl verhießen
Auf einen Dank des Helden Theuerdank.
Trompetenstoß und drauf des Herolds Kunde:

30
Zum Ritter schlug des Kaisers eigne Hand

Vor aller Fürsten feierlicher Runde,
Den Hutten, der begeistert vor ihm stand.

Er beugt sein Knie zu einem süßern Lohne:
Peutingers Tochter naht, die schönste Maid,

35
Und drückt aufs Haupt ihm eine Lorberkrone,

Dem Dichter feierlich zum Ruhm geweiht.
Da loht Begeist’rung hell in seinen Blicken,
Er küßt das Schwert, das ihn zum Ritter schlug,
Er küßt die weiße Hand im Hochentzücken,

40
Die ihm den Lorberkranz entgegentrug.


Wie reich an Wonne diese eine Stunde!
Sein deutscher Kaiser, selbst ein Dichterheld,
Sein deutsches Volk jauchzt ihm mit einem Munde,
Sein Name klingt hinaus in alle Welt.

45
[190]
Und vor ihm sie, die minnigliche Schöne,

Die liebdurchglüht ihm reicht den Lorberkranz
Er weiht das deutsche Mädchen zur Kamöne,
Wie strahlt sein Aug’ von sel’gem Himmelsglanz!

Wo ist ein Held wie er so hochbeglücket?

50
Sein Bildnis mit dem Lorberkranz und Schwert

Im deutschen Land Palast und Hütte schmücket,
Von Fürst und Volk wird er zugleich geehrt.
Und doch! – die sel’ge Stunde zog vorüber,
Nicht Ruhm, noch Glück, noch Liebe hält ihn auf,

55
Bald wird sein Auge wieder trüb’ und trüber

Und immer dorniger sein Heldenlauf.

Was ist ein Held, der nicht in Thaten zeiget,
Daß er ein Ritter, dem das Schwert zur Hand?
Was ist ein Dichter, der erschrocken schweiget

60
Wenn man sein Lied zu kühn und trotzig fand?

Kein Hutten ist’s! ein Hutten kann entbehren
Der Fürsten Huld – ein Hutten überragt
Mit seinem Geistesfluge Glück und Ehren,
Der Wahrheit treu ruft er: „Ich hab’s gewagt!“

65
Ich hab’s gewagt für meines Volkes Sache,

Ich habs gewagt für Wahrheit und für Recht!
Der deutschen Freiheit stellt er sich zur Wache,
Wird keines Kaisers, keines Fürsten Knecht.

[191]
Und sollt er auch der Minne Glück verlieren,
70
Und sollt er flüchten auch vervehmt, verklagt –

Im Unglück noch bleibt ihm sein Triumphieren,
Das stolze Dichterwort: „Ich hab’s gewagt!“