Ein feiner Betrug
[403] Ein feiner Betrug. In einer vornehmen Gesellschaft zu Paris kam unlängst die Rede darauf, mit welcher täuschenden Aehnlichkeit jetzt die Diamanten nachgemacht würden.
„Die Kunst ist nicht so neu, als man glaubt,“ sagte ein Fremder, über dessen Landsmannschaft man nicht recht einig werden konnte, „wenn sie auch erst in neuerer Zeit allgemeiner bekannt und verbreitet wurde. Den Beweis für meine Behauptung liefert dieser Ring, der mir als Erbstück sehr werth ist, obgleich mir ein Juwelier dafür nichts geben würde, da die Steine unächt sind, so täuschend sie auch ächten ähnlich sehen.“
Bei diesen Worten zog der Fremde einen alterthümlich gefaßten Ring vom Finger und reichte ihn, zum Belege seiner Worte, einem Herrn, der ein besonderer Liebhaber und Kenner von Diamanten zu sein schien. Kaum hatte dieser das Kleinod erblickt, als er voll Entzücken ausrief.„Die Steine sind ächt, oder es hat niemals ächte gegeben. Dieser Solitär ist von eben so reinem Feuer als Wasser. Wollen Sie mir den Ring für 8000 Franks lassen, so können Sie augenblicklich über das Geld disponiren.“
„Sie irren,“ entgegnete lächelnd der Fremde; „der Ring ist, ich wiederhole es nochmals, unächt; aber dennoch müßte ich Ihr Gebot zurückweisen, denn hat der Ring auch keinen wirklichen Werth, so ist doch der, den er für mich als Andenken besitzt, ungleich größer.“
„Wollen Sie mir ihn auf einige Minuten erlauben, daß ich ihn meinem Juwelier zeige ?“ fragte der Juwelenliebhaber.
„Mit dem größten Vergnügen,“ entgegnete der Fremde, und Jener eilte mit dem Kleinod hinweg. Nach kurzer Zeit kehrte er zurück, gab dem Eigenthümer seinen Ring wieder und sagte, schlau lächelnd: „Mein Juwelier meinte, die Steine schienen ihm ächt zu sein, und auf diesen Schein hin, biete ich Ihnen nochmals 8000 Franks für den Ring.“
„Ich bitte, nicht weiter in mich zu dringen,“ sagte der Fremde zögernd; „ich machte mich gegen mich selbst so wie gegen Sie eines Unrechts schuldig, wenn ich das Gebot annähme, und dennoch ist dasselbe so lockend, daß es mich verführen könnte, da ich in jüngster Zeit von einigen harten Verlusten betroffen wurde.“
Diese Worte gaben dem Liebhaber Hoffnung; er drang eifriger in den Besitzer des Ringes, und nachdem er bis zu dem Preise von 10,000 Franks gestiegen war, zog jener das geliebte Andenken mit trüber Miene und einem schmerzlichen Seufzer vom Finger und übergab es dem Käufer, indem er sagte: „Es wäre in meinen Verhältnissen Wahnsinn, Ihr Gebot nicht anzunehmen; empfangen Sie daher den Ring, wobei ich indeß die sämmtlichen anwesenden Herren zu Zeugen nehme, daß ich Ihnen die Steine als unächt verkauft habe.“
„Schon gut! Schon gut!“ sagte der Käufer freudig; „lassen Sie das meine Sorge sein!“
Dann gab er über die Kaufsumme eine Anweisung auf seinen Banquier und eilte davon. Der Verkäufer verließ unmittelbar nach ihm die Gesellschaft ebenfalls.
Kaum war eine Viertelstunde verflossen, da stürzte bleich und athemlos der Käufer des Ringes herein.
„Wo ist der Herr, von dem ich den Ring kaufte?“ rief er außer sich; und noch ehe man ihm antworten konnte, fügte er hinzu: „Er hat mich schändlich betrogen! Die Steine sind unächt und keine 20 Franks werth.“
„Er sagte Ihnen ja selbst, daß sie nicht ächt wären,“ bemerkte ein schadenfroher Spötter, „und wir sämmtlich sind seine Zeugen, wie Sie wissen.“
„Verdammt!“ rief der Angeführte und stürmte zu seinem Banquier, wo möglichst die Auszahlung der angewiesenen Summe zu verhindern: Fünf Minuten vorher hatte der Fremde sie in Empfang genommen. – Er stellte eine Klage an und wurde abgewiesen und in die Kosten verurtheilt, da sämmtliche Zeugen zu Gunsten des Verkäufers sprachen. Der Betrogene machte nun seinem Juwelier die bittersten Vorwürfe, dieser aber antwortete, stolz im Bewußtsein seiner Kennerschaft:
„Der Ring, den Sie mir zuerst zeigten, war ächt, dafür stehe ich Ihnen; der aber, den Sie kauften, ist unächt und nur dem ersten täuschend ähnlich nachgemacht. – Sie haben es mit einem feinen Betrüger zu thun gehabt, der sich schlau den Rücken zu sichern wußte.“