Ein deutscher Volksmaler

Textdaten
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Autor: F. H.
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Titel: Ein deutscher Volksmaler
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aus: Die Gartenlaube, Heft 41, S. 645–646
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1861
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Ein deutscher Volksmaler.

Schlage ’mal her!
Originalzeichnung von C. E. Böttcher.

Ein deutscher Volksmaler – so nennen wir unsern C. E. Böttcher. Nachdem durch Männer wie Salzmann, Gellert, R. Z. Becker, Zschokke, Hebel, Auerbach, A. Bernstein u. A. die Würde eines deutschen Volksschriftstellers auf eine hohe Stufe der Achtung im Volke erhoben ist, und besonders seitdem das „Volk“ selbst diesen einst durch die sogen. Leute „von Geburt“ so geschändeten Begriff wieder zu Ehren gebracht hat, wird auch die deutsche Künstlerwelt uns nicht mehr zürnen, wenn wir als den Nächsten an der Seite des Volksschriftstellers den Volksmaler erkennen. Beide, der Schriftsteller wie der bildende Künstler des Volks, arbeiten an derselben Aufgabe: dem Volke sein eigenes Bild vorzuführen, in der Gegenwart wie in der Vergangenheit, in seiner öffentlichen und geselligen Bewegung, wie in seinem Familienleben. Beider Streben ist, mit dem Griffel der Wahrheit dem Volke das Schöne, Edle, Gute in seinem eigenen Wesen vorzuzeichnen und in ihm den rechten Abscheu vor dem Gegentheil von dem Allen zu erregen. Beide verfolgten dasselbe Ziel, so lange auch Jeder seinen eigenen Weg ging; erst die Gegenwart hat ihnen jedoch eine gemeinsame Bahn angewiesen in der illustrirten Volksliteratur.

Es ist zwar nicht immer erforderlich, aber es ist häufig, daß diese schreibenden, dichtenden und bildenden Männer des Volks auch aus den Reihen desselben, ja selbst aus der Armuth stammen und durch eigene Kraft und etwas Glück die Höhe im Leben errungen haben, von der aus sie wieder zurückwirken auf die Schichten ihres Ursprungs. Letztere Schule ist offenbar eine gute, wenn auch eine harte, denn es ist doch wohl Etwas daran, daß derjenige, welcher selbst barfuß lief, am besten weiß, wie das thut und ist.

Aus dieser Schule ging auch Böttcher hervor. Sein Geburtsort ist das Dorf Imgenbroich auf der hohen Veen, im Regierungsbezirk Aachen, sein Geburtstag war der 9. December des Jahres 1818 und er selbst das zwölfte Kind seiner Eltern, die dann noch fünf Mal taufen lassen mußten. Für solch reichen Himmelssegen erwies sich jedoch ihr irdisches Gut als zu gering; die Tuchfabrik des Vaters konnte die steigenden Bedürfnisse der Familie nicht aufbringen, er verkaufte sein gesammtes Anwesen in Imgenbroich und zog nach Württemberg, wo ihn, bei Heidenheim die Leitung einer Fabrik übergeben wurde.

Hier führte die Kunst dem armen Knaben das erste Glück zu. [646] Daß schon in früher Jugend seine Darstellungsgabe mit Griffel und Stift Befriedigung suchte, ist nichts Ungewöhnliches; seine Versuche hatten jedoch in seinem Familienkreise wohl kaum die entsprechende Beachtung gefunden. Da kamen einige seiner Skizzen und Zeichnungen nach der Natur einer menschenfreundlichen Dilettantin vor Augen, einer Frau Zoepritz (geb. v. Hartmann aus Stuttgart), die dem jungen Talent ihre Unterstützung anbot: der strebende Knabe sollte bei ihr Unterweisung im freien Handzeichnen genießen. Noch heute erzählt Böttcher mit Freude, wie jenes Anerbieten ihn in solche Aufregung versetzt habe, daß er dadurch mehrere Nächte um seinen Schlaf gekommen sei.

Gleichwohl stand es um seine Künstlerlaufbahn noch immer schlimm genug. Um seinen Eltern die schwere Sorgenlast zu erleichtern, nahm er nach seinem Austritt aus der Schule einen Schreiberdienst bei dem Gerichtsnotar in Heidenheim an; seine karge Einnahme vermehrte er durch Unterrichtertheilen im Französischen, das ihm von Haus aus geläufig war, und endlich malte er von ihm selbst erfundene Wappen für Jedermann, Stück für Stück zu sechs Kreuzer. Namentlich aus der letztern Einnahme erschwang er sich nach und nach ein Ersparniß von fast vierzig Gulden. Diese Summe in der Tasche und fünfzehn Jahre im Rücken, da war die Welt sein und er entschlossen, in ihr sein besonderes Glück zu suchen. Sein nächstes Ziel war Stuttgart, wohin die für ihn nur halb entschleierten Geheimnisse der Lithographie ihn lockten.

Trotz der Abmahnungen seines Vaters und der Frau Zoepritz führte er seinen Vorsatz aus. Durch die Empfehlungen des Geheimraths v. Hartmann, des Vaters seiner Wohlthäterin in Heidenheim, fand er Beschäftigung für die Georg Ebner’sche Kunst- und Verlagshandlung, er illuminirte, lithographirte, zeichnete Portraits, das Stück zu 24 Kreuzer, wie es eben kam, und besuchte nebenbei noch die Kunstschule. Hier übte er Hand und Auge nach der Antike und dem lebenden Modell und fand an dem Director Sammler, sowie an den Professoren Seibert humane Förderer seines Talents.

Das Jahr 1838 rief ihn in seine preußische Heimath zurück, um der Militärpflicht Genüge zu leisten. In Düsseldorf machte er sein Examen zum freiwilligen einjährigen Dienst, den er jedoch erst im Jahre 1841 anzutreten hatte. Die Zwischenzeit benutzte er zu lithographischen Arbeiten, sowie zum Portraitiren. Erst im Jahre 1844, beinahe sechsundzwanzig Jahre alt, bezog er die Akademie, mit dem Entschluß, sich fortan vorzugsweise dem Genre zu widmen, und er that dies mit raschem Erfolge. Den Anfänger, den wir damals 1844 in der zweiten Malclasse des Professors Theodor Hildebrandt sahen, finden wir schon 1847 als Schüler Schadow’s in der Meisterclasse. Er gehört nun längst zu den besten Künstlern der Düsseldorfer Schule.

Auch als Menschen hat ihn das Glück liebgewonnen; eine glückliche Ehe tritt ihm mit ihren reizenden Bildern entgegen, so oft er die eigenen auf der Staffelei verläßt. Auf diese letzteren werfen wir nun noch einen besondern Blick. Man erkennt in ihnen einen vorherrschend idyllischen Charakter, weil Böttcher seine Volksscenen meist in die freie Natur verlegt, und zwar am liebsten in die des Rheins und der Lahn, des Taunus und des Schwarzwalds. Seine ersten Bilder zeigen uns nur Gruppen von wenigen Figuren, wie „den Invaliden mit seinem Führer“ (Eigenthum des rheinischen Kunstvereins), „Kinder in einem Korbe“, eine „Heimkehr vom Felde“, „die Entlassung eines Gefangenen aus dem Kerker“ (der damaligen „socialen“ Richtung der Düsseldorfer Kunst zugehörig), „die Mutter mit dem Kinde, mit dem Hofhahn spielend“, „die Mutter an der Wiege des Säuglings“, „ein junges Ehepaar vor der Hausthür, mit seinem Knaben kosend“. „der Bursch am Fenster seiner Geliebten“, „Kinder, auf einem Schubkarren durch den Wald fahrend“, Alles zu Herzen sprechende Gegenstände. Gerade diese verleihen aber auch seinen späteren größeren und umfangreicheren Compositionen ihren fesselnden Reiz. Wir erinnern an „Rheinische Dorfjugend“, die in einem Bauerngehöfte „Fuhrmanns“ spielt, ferner die „Heimkehr vom Schulfeste“, den Schulmeister mit der Flöte an der Spitze, ein Bild voll volksthümlichen Humors, einen „Abend im Schwarzwald“, und auch sein „Abend nach der Schlacht“ (ein graubärtiger Krieger und die Marketenderin vor der Leiche eines jungen Gardisten, vom Mond beleuchtet) gehört hierher; ebenso der „Rheinische Erntezug“, der zuerst als Aquarell in dem bekannten Rheinlandsalbum für den Prinzen und die Prinzessin von Preußen erschien, „die Heuernte“, die auf der Brüsseler Ausstellung besonders hervorgehoben wurde, und „der Abend am Rhein“, der durch die Illustrirte Zeitung (Nr. 899) weitere Verbreitung fand.

Eine der jüngsten seiner liebenswürdigen Gaben, den Knabenzwist, theilen wir als eine Probe von des Meisters Griffel hier mit. Wir haben Spielgenossen vor uns, die aus der Schule kommen. Dafür zeugt am Boden das Buch und die Schiefertafel mit dem Schwamm an der Schnur. Sie waren gut mit einander auf dem ganzen Wege, der Unfriede ist plötzlich ausgebrochen, und zwar augenscheinlich vor der Wohnung desjenigen der kleinen Helden, bei dem wir, wie der Thüringer Volkswitz sagt, den „großen Herrn“ hinten heraus hängen sehen. Er ist offenbar der Schwächere, aber er steht unter dem Schutze des Sultans, der in sichtlicher Freude am Scandal seine drohenden Blicke gegen den andern Knaben schießt. Dieser erscheint als ein entschlossener Bursche, der gewohnt ist, sich selbst zu helfen; dafür spricht wenigstens der Pflock, mit dem er sinnreich einen abgerissenen Knopf für den Hosenträger ersetzt hat. Auch läßt seine Haltung auf die Lust zum Angriff schließen, während der Andere mehr auf die Defensive angewiesen zu sein scheint. – Ständen sie auf der Mensur, es erwartete Jedermann jetzt das Commandowort: „Los!“ – Man möchte gar gern sehen, wie der Kampf beginnt und wie die Intervention des Sultans ausfällt; – aber unser Warten hilft nichts, es bleibt auch aus unserm Bilde bei der Kriegsbereitschaft, die Jungen beharren beim Princip der freien Faust, und der arme Sultan hat das Zusehen, wie wir.

F. H.