Ein deutscher Benvenuto Cellini

Textdaten
<<< >>>
Autor: Roderich Irmer
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Ein deutscher Benvenuto Cellini
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 44, S. 720–723
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1880
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[720]
Ein deutscher Benvenuto Cellini.
Von Dr. Roderich Irmer.

In der äußersten Ecke von Westfalen, dort, wo die hannoverschen Lande die rothe Erde rings umschlossen, im Herzen des Landes der alten Sachsen und in der Nähe ihres von Karl dem Großen zerstörten Nationalheiligthums, der Irmensul, erhebt sich am linken Ufer der Diemel ein ziemlich hoher Berg, dessen erste Ansiedelungen noch vor die Zeiten des gewaltigen Sachsenführers Wittekind fallen. Drunten im Thale zieht sich die gewerbreiche Stadt Warburg, amphitheatralisch am Berge hinauf, im Mittelalter die zweite Hauptstadt des Hochstifts Paderborn, gerühmt wegen der Fruchtbarkeit des umliegenden Bodens. Aber im übrigen deutschen Lande würde Warburg deswegen wohl ebenso wenig bekannt geworden sein wie durch seine historische Vergangenheit, die doch nur in Kriegen mit den umwohnenden rauflustigen Edeln, in wüthenden Parteikämpfen innerhalb der Stadt und in Drangsalen, welche die Wiedertäufer und der dreißigjährige Krieg über sie brachten, besteht. Erst in neuester Zeit wurde der Name der Stadt weit über die enge Grenze Westfalens getragen; denn wo man sich heute mit Kunst und Kunstgewerbe des Mittelalters beschäftigt, wird Warburg als die Vaterstadt des großen Silberschmiedes Anton Eisenhut genannt.

[721] Noch vor wenigen Jahren war sein Name in weiteren Kreisen unbekannt, und nur wenige gelehrte Kenner der Kunstgeschichte hatten hier und da in alten Compendien dürftige Nachrichten über einen Kupferstecher Anton „Eisenhoit“ gefunden, welcher im Ausgange des sechszehnten Jahrhunderts in Westfalen nicht gewöhnlichen Ruf in seiner Kunst besessen haben sollte, aber von seinen großartigen Kunstwerken in Silber und Gold, die seine Thätigkeit als Kupferstecher tief in Schatten stellen, hatte man nirgends eine Ahnung. Die Entdeckung derselben war erst dem in der Gegenwart erwachenden Streben, das deutsche Kunstgewerbe, welches von der Höhe seiner Ausbildung im Mittelalter zum bloßen Handwerk gewöhnlichster Art herabgesunken war, aus seiner tiefen Verrottung zu erheben vorbehalten.

Weihwasserkessel mit Sprengwedel.
Eine Silberarbeit aus dem siebenzehnten Jahrhundert von Anton Eisenhut.

Um Pfingsten des vorigen Jahres ward eine Ausstellung der westfälischen Alterthümer zu Münster veranstaltet, die allgemeines Interesse wegen des außerordentlichen Reichthums an kirchlichen Gefäßen aus edeln Metallen erregte. Unter ihnen befand sich ein prachtvoller Schatz von Silberkunstwerken ersten Ranges aus dem Besitze des Grafen von Fürstenberg-Herdringen, welche sich, in den Schatzkammern des alten westfälischen Geschlechtes verborgen, bisher der Kenntniß der Kunstgelehrten entzogen hatten und nun, an das volle Tageslicht der Oeffentlichkeit gebracht, eine so hohe, allseitige Bewunderung fanden, wie sie eben nur die wahre Kunst zu bewirken vermag. Prof. Nordhoff in Münster[WS 1] war der Erste, der in den Jahrbüchern für Alterthumsfreunde im Rheinlande die Welt mit diesen Meisterwerken der Goldschmiedekunst der Renaissance und zugleich mit ihrem Schöpfer Anton Eisenhut aus Warburg bekannt machte.

Julius Lessing’s großes Werk über Anton Eisenhut,[1] ausgestattet mit Phototypien derjenigen Silberwerke des Meisters, welche sich im Besitze des Grafen Fürstenberg-Herdringen in der Schatzkammer des Schlosses Herdringen in Westfalen befinden und zum größten Theile den Namen Anton Eisenhut’s sowie das Wappen und das Portrait des Besitzers, des Fürstbischofs von Paderborn, Theodor’s von Fürstenberg, tragen, vermittelte später den weitesten Kreisen der gebildeten Welt die Kenntniß von dieser Entdeckung. Seitdem ist der Ruhm des Künstlers täglich gewachsen, und heute steht bereits Niemand mehr an, ihn in der Goldschmiedekunst für den größten Meister Deutschlands zu halten. Während vor einem Jahre noch kaum sein Name bekannt war, ist er heute in jedes Gebildeten Munde, und die vollständige Sammlung der Kunstwerke Eisenhut’s in der Ausstellung für kunstgewerbliche Alterthümer zu Düsseldorf bildete den größten Anziehungspunkt aller Besucher.

Die Nachrichten über das Leben und den Bildungsgang unseres Meisters sind im Ganzen sehr dürftig. Schon im fünfzehnten Jahrhundert finden wir in alten Verzeichnissen die Eisenhuts als Bürger und Hausbesitzer in Warburg an der Diemel darunter einmal einen Prior des Dominikanerklosters und einen Rathsherrn, ohne daraus aber zu erfahren, welchem Handwerkerstande diese Vorfahren Anton Eisenhut’s angehört haben, oder wer von ihnen sein Vater gewesen ist.

Im Jahre 1554 wurde er hier im Herzen Deutschlands geboren; es ergiebt sich dieses Jahr aus der Unterschrift eines Eisenhut’schen Kupfers aus dem Jahre 1603, worin er sich Antonius Iserenhodt Warburgensis (aus Warburg) – an anderen Stellen auch Eisenhoidt, Eisenhout, Eisenhaut – nennt und als sein Alter neunundvierzig Jahre bezeichnet; auf demselben finden wir auch seine Künstlermarke, einen Reichsapfel ohne Kreuz. Es war also gerade ein Jahr vor dem Abschlusse des Augsburger Religionsfriedens, welcher in kirchlicher Hinsicht die Trennung zwischen Katholiken und Protestanten besiegelte und zugleich in politischer den ersten Anstoß zur Auflösung der deutschen Reichseinheit gab. Während die kirchliche Trennung Deutschland von dem religiösen Einflusse Italiens vollkommen losriß, begann ungefähr um dieselbe Zeit die italienische Kunst täglich mehr Boden zu gewinnen, bis sie gegen Ende des sechszehnten Jahrhunderts in allen Culturländern als absolute Herrscherin dastand. Eisenhut wurde ein Kind dieser Bewegung, welche die Nachwelt Renaissance nennt.

Eisenhut’s Jugendzeit fiel mitten hinein in die Tage der heftigsten Religionswirren, welche die Bestimmungen des Augsburger Religionsfriedens, wie überall, so besonders in Westfalen, in dem es beinahe so viel Landesherren wie Quadratmeilen gab, erwecken mußten. Heftig wogte auch in Eisenhut’s engerem Vaterlande, dem Paderborner Hochstifte, der Kampf beider kirchlichen Parteien um die Herrschaft, die täglich mehr den Lutheranern zuzufallen schien, seit jene erste Predigt des gothaischen Hofpredigers Friedrich Myconius aus den Fenstern des Paderborner Schlosses die Herzen der Bürger für die neue Lehre gewonnen hatte. Bereits im Jahre 1570 gab es in Paderborn – und in Warburg wird es eine verhältnißmäßig noch geringere Zahl gewesen sein – nur noch vierzig katholische Abendmahlsgenossen, und auf dem Lande behaupteten sich nur noch vereinzelt katholische Geistliche. Doch geschah es nicht gar selten, daß Sonntags der evangelische Seelenhirte seinem katholischen Amtsbruder auf die Kanzel nachschlich, ihn bei den Beinen herunterzog und selbst die Sonntagspredigt vor dem herbeiströmenden Volke hielt. „Dann gab es Lärm und Laufen in die Kirche; Stöcke schwirrten durch die Luft, und statt mit heiligen Gedanken gingen die Bauern mit blutigen Köpfen nach Hause.“

Diese unruhigen Zustände blieben auf Eisenhut’s Bildungsgang nicht ohne tieferen Einfluß. Seine lateinischen Unterschriften wie seine späteren Werke selbst verrathen uns, daß er von seinen wohlhabenden Eltern – denn daß sie das gewesen sein müssen, zeigt uns die Bestimmung des Sohnes zum Goldschmied, dem vornehmsten aller Gewerke – eine für die Begriffe seiner Zeit vortreffliche Erziehung und Bildung erhielt, die aber [722] zugleich von den freieren Ideen der Reformationszeit durchdrungen war. Das Gewerbe, welchem sich der Jüngling widmete, umfaßte im Mittelalter ein viel weiteres Gebiet, als wir heute anzunehmen gewohnt sind. Der Meister der Goldschmiedekunst mußte zugleich in Allem, was wir mit „bildender Kunst“ bezeichnen, eingehend Bescheid wissen; Empfindung und künstlerischer Entwurf gehörte nicht weniger zu seinem Berufe, wie die technische Ausführung. So wissen wir, daß der berühmte Benvenuto Cellini nicht allein in allen Zweigen der eigentlichen Goldschmiedekunst, als Gießen, Treiben, Emailliren und Medailliren Bedeutendes leistete, sondern auch als talentvoller Bildhauer und Krystallschneider bekannt war und sich gelegentlich noch mit vielen anderen Sachen, wie Alchemie u. dergl. m. beschäftigte.

Wie jeder lernende Handwerker des Mittelalters mußte sich auch Eisenhut in die strenge Ordnung seiner Zunft, der wir nicht zum geringsten Theile die staunenswerthe Ausbildung des deutschen Kunstgewerbes jener Zeit zuschreiben, unbedingt fügen, bis ihm der Freispruch des Meisters erlaubte, die eigenen Wege einzuschlagen. An dem Tage seiner Freisprechung verließ der junge Geselle die Heimath, um sich auf die Wanderschaft zu begeben, die sich wohl zunächst über Westfalen erstreckte. Von hier, wo um jene Zeit unter den Knop’s in Münster, Aldegrever in Paderborn und anderen bedeutenden Meistern die Goldschmiedekunst in hoher Blüthe stand, trieb ihn der Wissensdrang und der Eifer, eine höhere Ausbildung in seiner Kunst zu erlangen, als ihm die Heimath zu geben vermochte, in das gelobte Land der Künstler, nach Italien. Ob er in Süddeutschland geweilt hat, wo, namentlich in Nürnberg, Ulm und Augsburg, berühmte Meister der Goldschmiedekunst, wie die Jamitzer und Ehinger, ansässig waren, die selbst für Paris und London arbeiteten, ist wegen der kurzen Dauer seiner Reise unwahrscheinlich; auch finden wir in seinen Arbeiten nicht die geringste Aehnlichkeit, geschweige denn irgend welche Anlehnung an süddeutsche Kunst.

Schon im Beginne der siebenziger Jahre betrat Anton Eisenhut den gefeierten Boden Italiens und blieb vorläufig als Kupferstecher in Florenz. Zwar war der berühmte Benvenuto Cellini, dessen Bedeutung man sehr überschätzt hat, bereits 1572 gestorben, aber der ganze übrige Schwarm bedeutender Künstler, welche Alle ihr Licht von dem großen Michel Angelo borgten, wirkte noch in demselben Sinne wie Cellini. Ueber Eisenhut’s Aufenthalt in Florenz erfahren wir nichts; erst mit dem Jahre 1580, wo er sich nach Rom begab, beginnt das undurchdringliche Dunkel, welches den deutschen Meister bis dahin umgiebt, sich etwas zu lichten. Hier scheint Eisenhut mit wissenschaftlichen Kreisen und vielleicht selbst mit Papst Gregor dem Dreizehnten, der vom Jahre 1572 bis 1585 die dreifache Krone trug, in Berührung gekommen zu sein, wenigstens kennen wir ein in Kupfer gestochenes Portrait Gregor’s des Dreizehnten mit reich ornamentirtem Rande, welches den Namen Anton Eisenhut’s aus Warburg trägt. Seine erste größere Arbeit als Kupferstecher, welche um dieselbe Zeit entstand, war eine wissenschaftliche, die Illustration zu der „Metallotheka“, einer Beschreibung der Mineraliensammlung des Vaticans von Michael Mercati, von welcher sich ein Exemplar auf der königlichen Bibliothek in Berlin befindet. Der italienische Gelehrte gedenkt bei Gelegenheit Anton Eisenhut’s von Warburg als eines vortrefflichen jungen Mannes, dessen Kunstfertigkeit in Zeichnung und Stich er seit mehreren Jahren für sich gebrauche und von dessen hohen Leistungen die Illustrationen seines Werkes Zeugniß geben würden.

Kurz darauf verließ Anton Eisenhut den classischen Boden Italiens, und bereits im Jahre 1585 finden wir ihn wieder in Deutschland und 1589 in Warburg. Wahrscheinlich hat er während dieser vier Jahre die Niederlande, auf welche seine Silberwerke nicht undeutlich hinweisen, besucht. Auffälliger Weise ist der Kupferstich, den er selbst für seinen ersten in der Heimath angiebt, eine allegorische Darstellung der Ketzerei, ein Drache in reicher italienischer Landschaft; fast sieht es aus, als sollte das Werk ein Glaubensbekenntniß sein, das er seinem Landesherrn dem Bischof von Paderborn, ablegte. Von dieser Zeit an lernen wir ihn in seinem eigentlichen Gewerbe als Goldschmied kennen, dem er das Ende seines Lebens fast vollkommen und mit einem Erfolge gewidmet, der ihm für alle Zeiten die erste Stelle unter den deutschen Meistern giebt und ihn ebenbürtig neben die bedeutendsten Künstler des Auslandes stellt.

Dem Kunstsinne der Familie Fürstenberg, welcher der Landesherr Eisenhut’s, Bischof Dietrich von Paderborn entstammte, konnte die außerordentliche Begabung unseres Meisters nicht entgehen, und so lange er lebte, hatten die Fürstenberger Arbeit für ihn. Noch mehr als Dietrich von Fürstenberg scheint dessen Bruder, der reiche Kaspar, für den Meister Anton eingenommen gewesen zu sein; denn sein Tagebuch zählt überaus zahlreiche Bestellungen auf, welche sich nicht allein auf Gold-, Silber- und Juwelierarbeiten beschränken, sondern sich auch auf Malereien von Porcellan, ja sogar auf Zeichnungen von Brautteppichen oder Tapeten erstrecken. Kaspar läßt den Meister wiederholt, wie er aufzeichnet, nach Neuhaus kommen, besucht ihn aber auch in seiner Werkstätte in Warburg, als er für ihn eine besonders schwierige und kunstvolle Arbeit unter Händen hatte, „den silbernen Buckal, den Adler genandt“, welcher von Eisenhut am 26. März 1597 abgeliefert, aber im Laufe der Zeiten spurlos verschwunden ist.

So lebte der Meister, hochgeachtet von seinen Fürsten und angesehen von seinen Mitbürgern, in Warburg bis in den Anfang des folgenden Jahrhunderts hinein und starb um oder kurz nach 1603. Seine letzte Arbeit aus diesem Jahre ist die Büchermarke des Fürstbischofs Theodor von Fürstenberg, ein Kupferstich, welcher das Familienwappen der Fürstenberger zeigt.

Wenn wir heute einen Blick auf die Silberarbeiten werfen, die in der Ausstellung kunstgewerblicher Alterthümer als Werke Eisenhut’s gelten, so finden wir darunter zwei Gegenstände, welche nicht den Namen Anton Eisenhut’s tragen und ihm daher nur mit zweifelhafter Sicherheit zugeschrieben werden können. Es sind dies das aus Silber gegossene spätgothische Rauchfaß, welches Julius Lessing für einen Eisenhut hält, und das große Soester Crucifix. Beide erscheinen mir nicht als Arbeiten des Warburger Meisters, wenngleich die Vermuthung nicht unbegründet ist, Eisenhut habe den Fuß des Crucifixes, der ganz in seinem Charakter gehalten ist, angefertigt, während das Kreuz selbst einer älteren Zeit angehören dürfte. Bei dem zweifelhaften Werthe jener beiden Kunstwerke ersparen wir uns hier deren Beschreibung, und es bleiben somit für Eisenhut nur vier Arbeiten von zweifelloser Echtheit übrig.

Das früheste Werk — es trägt die Jahreszahl 1588 neben dem „Anton Eisenhoidt warburgensis fecit“ — ist ein aus Silber getriebener vergoldeter Kelch von einer Höhe von 0,25 Meter. Der höchst gelungene, leichte Aufbau ruht auf einem Fuße im Sechspaß, welcher Raum für sechs getriebene symbolische Bilder aus dem alten Testament in runden Medaillons bietet; sie stellen der Reihe nach „Das Opfer Abraham’s“, „Das Osterlamm“, „Das Sammeln von Mannah“, „Moses schlägt aus dem Felsen Wasser“, „Die Errichtung der ehernen Schlange“ und „Jonas und der Walfisch“ dar. Den Uebergang zum Knauf bilden angelehnte allegorische weibliche Figuren von edelster Formenschönheit, während dieser selbst aus sechs Nischen mit gegossenen weiblichen Figuren in antiker Gewandung besteht; hier sind ausnahmsweise Ausschmückungen durch edles Gestein angebracht worden. Für die tulpenförmige Kappe ist der Aufbau im Ganzen wohl zu schlank ausgefallen, bei dem der in reichster erhabener Arbeit prangende Fuß der außerordentlichen Einfachheit des oberen Theiles gegenüber zu compact wirkt.

An den Kelch reiht sich würdig der Weihwasserkessel mit dem Sprengwedel an (vergl. die beigegebene Abbildung!), ein Werk, welches die Inschrift „Antonius Eisenhoit warburgensis fecit“ trägt. Den Kessel zieren ringsherum vier biblische Darstellungen „Die Taufe Christi“, „Christus und die Samariterin“, „Christus und Petrus auf dem Meere“ und „Philippus und der Kämmerer aus dem Mohrenlande“ in getriebener Silberarbeit, während der Boden den „Durchzug der Juden durch das rothe Meer“ zeigt. Die ornamentale Arbeit, die gleichsam als Rahmen für die einzelnen Bilder dient, ist in den reichsten Renaissanceformen gehalten, die in ihren schwunghaften Linien und üppigem Schmuck an die Schule erinnern, welche der Meister in Italien genossen hat. Der zum Kessel gehörige Sprengwedel ist ebenfalls aus Silber getrieben und vorzüglich deswegen interessant, weil er freistehende ornamentale Verzierung zeigt, wie sie in dieser Vollendung und zierlichen Schönheit bei keinem anderen Eisenhut’schen Werke zu bemerken sind. Das ganze Sieb des Wedels ist mit äußerst feingearbeiteten Rosettchen bedeckt, während den Schaft vier getriebene Figuren bilden.

[723] Die bei Weitem hervorragendsten Werke Anton Eisenhut’s – sie tragen das Wappen des Fürstbischofs Theodor von Fürstenberg – sind die beiden Einbanddeckel zu einem Missale und einem Pontificale. Beide bestehen aus je zwei getriebenen Silberplatten, die aber von so imponirender plastischer Schönheit sind und von einer Darstellungskraft zeugen wie wir sie selbst bei den gerühmtesten Silberarbeiten italienischer Künstler noch nicht gesehen haben. Ueberall blickt aus den Gruppen und Figuren von höchster Grazie und vollendetster künstlerischer Schönheit der majestätische Geist der göttlichen Antike heraus; überall spricht sich eine Freiheit in der Darstellung aus, welche den Künstler von Gottes Gnaden verräth und sich um prüde Bedenken nicht kümmert; Alles athmet hingebenden Schaffenstrieb, der das rein Technische der Kunst spielend beherrscht und sich voll und ganz der Darstellung sinnlicher Schönheit, wie sie die antiken Bildsäulen predigen, widmet. Als das Vollendetste genialer Composition und edelster Formenschönheit in anspruchsloser Nacktheit möchte ich die Gruppen und Figuren bezeichnen, welche den Deckel des Kölner Meßbuchs umrahmen. Diese Gebilde athmen alle Leben und Lebenslust und weisen auf die Muster hin, deren Studium sich der Meister im Vaterlande des feurigen Correggio, an dessen Malerei die Darstellungen am meisten erinnern, mit seinem ganzen Herzen hingegeben hat.

Die Vorderseite des Missale enthält als Hauptbild die Darreichung des Abendmahles in alttestamentlicher Form; darüber ruht im viereckigen Medaillon die Göttin des Frühlings mit reichen Kränzen, nach denen ein Genius greift; gleichsam als Bildhalter dienen zwei kostbare Mädchengestalten, deren plastische Schönheit in nichts der Antike nachgiebt. Mit dem obern Medaillon correspondirt unten die Darstellung des Sommers: ein Jüngling, im reichen Aehrenfelde ruhend, in den Ecken zwei üppige Frauengestalten mit Aehren und Kronen. Die Rückseite enthält das Abendmahl in neutestamentlicher Form als Hauptbild, darüber die allegorische Figur des Herbstes als Jüngling, mit Weinlaub umkränzt, zwischen zwei sitzenden Frauengestalten an jeder Ecke, darunter in ovalem Felde ein alter Mann am Feuer hockend, umgeben von einem gebeugten Greise und einer alten Frau, als allegorische Darstellung des Winters.

Spricht sich in diesem Werke so recht frei und schrankenlos die ganze Genialität des Meisters in der leichteren figuralen Ornamentation aus, die kein Silberschmied aller Zeiten je erreicht hat und wohl auch kaum erreichen wird, so sind die Deckel des Kölner Pontificale ein bewundernswerthes Muster für eine strenge, stilgerechte Composition ernsterer Art. Daß Meister Eisenhut dieses Werk selbst geschaffen hat, dafür sprechen zwei äußere Zeichen. Am unteren Ende der Rückseite treibt er einen seiner interessanteren Kupferstiche „Amor docet musicam“ (Amor lehrt die Musik) – eine Gruppe von vier prächtigen Kindergestalten, die sich um eine fünfte, welche Noten in der Hand hält, herum drängen – meisterhaft in Silber nach, und zwar so wie derselbe auf der Platte stand, wodurch freilich die Anordnung der Figuren, mit dem Stich verglichen, in umgekehrter Reihenfolge erscheint. Bisher hat diesen auffallenden Umstand wohl noch Niemand bemerkt, und doch dürfte das eben Gesagte ein Beweis dafür sein, daß Anton Eisenhut, was man theilweise bezweifelte, seine Entwürfe selbst gefertigt hat. Neben dieser Gruppe sehen wir zwei greise Flußgötter mit Aehren und Kränzen im Haar, die der Meister als Lippe und Diemel, jenes kleine Flüßchen, welches an seiner Heimathstadt Warburg vorüberrauscht, bezeichnet. In der Mitte des Deckels knieet die Gestalt eines Papstes mit wallendem Vollbarte, der zu den Wolken, in denen unter Engelschaaren die Mutter Gottes mit dem Kinde thront, betend emporschaut, und zu beiden Seiten stehen in vier äußerst geschickt in die zwei breiten Renaissance-Pilaster eingebauten Nischen die vier Evangelisten mit ihren Attributen. Die Vorderseite zeigt Moses im jüdischen Hohenpriestergewande in prachtvollster, plastischer Ausarbeitung, während im Hintergrunde die Kinder Israel am Fuße des Sinai um das goldene Kalb tanzen. Diese Figur ist im Entwurf, wie in der technischen Ausführung ein Meisterstück. Rechts und links umgeben das Mittelbild die vier Kirchenväter, während zwei weibliche Engelsgestalten das Wappen des Bischofs Theodor halten.

Die bewundernswerthe Beherrschung des Stoffes, der glänzende Formenreichthum, der sich in diesen beiden letzten Werken Eisenhut’s ausspricht, hebt den Meister aus dem engeren Kreise des Kunstgewerbes heraus und sichert ihm eine hervorragende Stelle unter den bildenden Künstlern. Die Zeitgenossen Eisenhut’s bestätigten dieses Urtheil, indem sie einzelne Gruppen aus den Darstellungen der Buchdeckel, wie die über dem Papste in den Wolken schwebende Mutter Gottes und die Gestalt des Papstes, in Stein ausführten. Wie jene auf dem Grabmale des Paderborner Domherrn Joachim von Langen von Heinrich Gruninger zu sehen ist, so ist diese merkwürdiger Weise das Vorbild für das Grabmonument des Landesherrn Anton Eisenhut’s, des Bischofs Dietrich von Fürstenberg, geworden.

Daß mit diesen wenigen Werken die Thätigkeit eines so genialen Meisters nicht abgeschlossen sein kann, unterliegt wohl keinem Zweifel, und es ist ein dankenswerthes Streben, wenn unsere Kunstforscher mit rastlosem Eifer nach der Entdeckung der übrigen seiner Silberwerke suchen. Professor Nordhoff in Münster, der erste Entdecker Eisenhut’s, hält noch das „Soester Kreuz“, welches sich auf der Ausstellung in Düsseldorf befindet und von hervorragender Schönheit ist, und ein Kußtäfelchen im Stile der Hochrenaissance im Schlosse des Freiherrn Adolf von Fürstenberg zu Lörsfeld für Werke des Meisters. Eine Veröffentlichung der fraglichen Silberarbeiten wird in der nächsten Zeit erfolgen.

Wo und wie die reiche Sammlung von Gold- und Silberwerken, welche die kunstsinnige Familie der Fürstenberger nicht allein durch die Hand Eisenhut’s, sondern auch durch andere Meister, wie Adreß in Paderborn, herstellen ließ, untergegangen oder verstreut worden ist, darüber herrschen nur Vermuthungen. Möglich, daß man im siebenzehnten Jahrhundert zu wenig Kunstsinn besaß, um die ererbten Silberwerke vor dem Verkauf oder dem Einschmelzen zu bewahren; möglich auch, daß sich noch manches in den reichen Museen des Auslandes, besonders Dänemarks, findet, dessen König Christian im Beginne des Dreißigjährigen Krieges nicht umsonst in jenen Gegenden gegen Tilly Krieg geführt hat. Vielleicht giebt auch eine Nachricht aus einer Handschrift des Staatsarchivs in Münster Andeutungen über den Verbleib Eisenhut’scher Werke.

Kurz vor der Einnahme von Paderborn durch den Herzog Christian von Braunschweig, jenen enthusiastischen Verehrer der Böhmenkönigin Elisabeth, der stets einen Handschuh seiner Dame im Kampfe am Helme trug, war der Domschatz von Paderborn, welcher auf 300,000 Reichsthaler Werth von Zeitgenossen geschätzt wurde, nach Soest geflüchtet und dem Propste des St. Patroclus-Stiftes in Verwahrung gegeben worden. Aber wie Paderborn, fiel auch Soest im Januar 1622 in die Hände des tollen Herzogs; unter schweren Drohungen erzwang Christian die Auslieferung des Schatzes vom Propste und schickte ihn zum Einschmelzen nach Lippstadt in die Münze. Eine reiche Nachlese hielt der Herzog im April desselben Jahres, wo er die Schätze, welche Frau von Olinghausen und ihr Bruder, der Drost von Bilstein, vom Bischof von Paderborn geerbt hatten, einzog und ebenfalls einmünzte. Es waren dies sieben Tonnen Goldes, also ein Werth von 70,000 Thalern, und dabei wird ausdrücklich „ein schoen vergulden Kruetze“ erwähnt. Vielleicht also, daß wir in jenen berühmten Thalern des tollen Christian mit der Aufschrift: „Gottes Freund, der Pfaffen Feind“ Reste der berühmtesten Kunstwerke der Renaissancezeit und darunter auch manche Arbeit Anton Eisenhut’s zu erkennen haben.

Die wenigen Stücke aber, die uns ein gütiges Geschick vor dem Untergang in Krieg und Brand gerettet hat, zeigen uns, daß um die Mitte des sechszehnten Jahrhunderts, der Blüthezeit deutscher Renaissance, eine Kunstthätigkeit geherrscht hat, von welcher man bis heute kaum eine Ahnung hatte. Die Aufgabe unserer Tage wird es sein müssen, unser junges deutsches Kunstgewerbe, welches in so reger Lebenskraft ringsum im deutschen Land wieder erstanden ist, an den edelsten Musterwerken der Renaissance zu eigener selbstständiger Schaffungskraft heranzubilden. Jene Schöpfungen des Warburger Meisters tragen dazu bei, das Bewußtsein unserer Nation und die Hoffnung zu stärken, daß das täglich wachsende Verständniß der alten Zeit und ihrer Meister eine Blüthe in unserem Kunstgewerbe zeitigen wird, welche uns auch in dieser Beziehung unter den Culturvölkern eine unserer politischen Macht entsprechende würdige Stellung schafft.



  1. Die Silberarbeiten von Anton Eisenhoit aus Warburg, herausgegeben von Julius Lessing mit vierzehn Tafeln in Lichtdruck von Albert Frisch (Berlin, Verlag von Paul Bette). Wir entnehmen diesem überaus beachtenswerthen Werke die unserem heutigen Artikel beigegebene Illustration.
    D. Red.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: München