Ein dem Meere entrissenes Erzbild

Textdaten
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Titel: Ein dem Meere entrissenes Erzbild
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aus: Die Gartenlaube, Heft 13, S. 180–181
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1858
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Ein dem Meere entrissenes Erzbild.

Ein heftiger Sturm wühlte die Nordsee auf. Der Fallm der rothen Klippe war dicht belagert mit jungen und alten Lootsen, die ihrer Gewohnheit nach die See, den Zug der Wolken und das Rollen der langen Wogen beobachteten, welche sich am Bollwerk des Unterlandes in mattrothen Schaumsäulen unter lautem Donnern zerschlugen. Alsbald ward es lebendig unter den Auslugenden. Die Fernrohre der Helgoländer richteten sich alle auf einen Punkt, den nur ein Seemannsauge entdecken konnte. Es war ein Schiff, das, vom Nordweststurm gepackt, sich mehr und mehr jener gefahrvollen, unter den Wellen verborgenen Klippenreihe näherte, die in der Sprache Helgolands das Witt-Klaww (weiße Kliff) heißt, in ihren einzelnen Ausläufern aber noch eine Menge anderer Namen führt, welche jeder tüchtige Seemann genau kennt. Dem Schiffe drohte offenbar Gefahr, wenn es nicht von sehr kundiger Hand gesteuert wurde. Damit es an solchen Pfadfindern auf der Meereswoge niemals fehle, hat Gott die Felsenkanten der rothen Klippe in der Nordsee aufgerichtet und ihr eine Bevölkerung von unerschrockenen Lootsen gegeben, die immer gern mit ihrer Hülfe bei der Hand sind, wenn diese begehrt wird. Wer sie nicht verlangt, der erhält auch keine. Der echte Sohn Helgolands ist Fatalist; er sagt mit allen Starkgläubigen: „Hilf Dir selbst und Gott wird Dir helfen!“

Jenes Fahrzeug, dessen die Lootsen am Fallm des Oberlands ansichtig wurden, führte die schwedische Flagge. Wir wissen nicht genau, ob es in seiner Bedrängniß durch ein paar Nothschüsse den Wunsch nach Hülfe zu erkennen gab, oder ob es sich auf die Kenntniß seines eigenen Führers und Steuermanns verließ. Gewiß ist nur, daß kein Lootse der rothen Klippe das Fahrzeug betrat, daß es in der Nähe der Düne scheiterte und zu Grunde ging. Die Mannschaft ward unseres Wissens gerettet, und von ihr erfuhren die Helgoländer, daß sich am Bord des Schiffes ein unschätzbares Kleinod befand, die eherne Statue des größten schwedischen Königs Gustav Adolphs, jenes auch Deutschland so theuer gewordenen Mannes, dessen Thatkraft, Charakter und Glaubensstärke die kernige Inschrift auf dem ihm errichteten einfachen Denkmale bei Breitenfeld so wahr in die Worte zusammenfaßt:

„Glaubensfreiheit für die Welt
Rettete bei Breitenfeld
Gustav Adolph, Christ und Held.“

Die Gustav-Adolph-Statue in Bremen.

Das erzene Standbild des großen Schwedenkönigs, nach einer meisterhaften Zeichnung des schwedischen Bildhauers Benedict Foggelberg modellirt, und in der königlichen Gießerei zu München in seltener Vollendung verfertigt, war ein Raub des Meeres geworden. Kaum aber hatte der Sturm ausgetobt, so belebte sich auch der Strand Helgolands mit rührigen Männern. Die starken Fischerboote, mit denen sie das Meer in der Nähe der Klippe befahren und auf den Fischfang gehen, wurden von dem röthlichen Steingetrümmer in die wieder sanft brandende See geschoben. Man wollte das Wrack besehen, und etwa noch darauf befindliche Gegenstände nach altem Strandrechtsbrauch bergen. Da fanden die froh erstaunten Lootsen Helgolands das prachtvolle Erzbild, überschüttet von sandigem Geröll, mit Seetanggewinden von dem Meergotte umkränzt. Wenn die Ebbe eintrat und der blaue Himmel bei stiller Luft die Meereswellen nur wie einen Baldachin von dunkelgrünem Sammet erzittern ließ, lag die versunkene Statue, das edle Gesicht mit den schönen ernsten Zügen nach oben gekehrt, Allen sichtbar da. Die Rechte mit dem ausgestreckten Zeigefinger hob sich oft über die Fluth, als wollte sie den Helgoländern winken, sie sollten herbeikommen. Und sie kamen, die speculirenden Söhne des wunderbaren Felsen-Eilandes, an dessen Gestade die [181] kranke Civilisation nicht umsonst ihre schmerzenden, siechen Glieder trägt, um sie in den Umarmungen Amphitrite’s wieder erstarken zu lassen. Sie kamen und mühten sich ab, bis es ihnen gelang, das völlig unversehrt gebliebene Bild aus goldschimmernder Bronze glücklich den Wogen zu entreißen.

Die Nachricht von der unerwarteten Rettung der schon verloren gegebenen Königsstatue ward in Schweden mit großer Freude vernommen. Man wollte sich wieder in deren Besitz setzen, und trat mit den Rathleuten der Insulaner in Unterhandlung wegen des zu bezahlenden Bergelohnes. Hier nun stieß aber die schwedische Regierung auf ein nicht voraus berechnetes Hinderniß. Die Summe, welche die Helgoländer für die Statue verlangten, [1] die nach den eigenthümlichen Gesetzen des sogenannten Strandrechtes jetzt ihnen zu eigen gehörte, war so hoch gegriffen, daß sich Schweden mit gutem Rechte weigerte, um solchen Preis das Erzbild sich wieder zu erkaufen. Helgolands bisweilen außerordentlich eigensinnige Söhne ließen aber nicht mit sich handeln. Sie beharrten fest auf ihrer Forderung, und da ihnen diese von Seiten Schwedens nicht bewilligt ward, befanden sie sich plötzlich im Besitz eines Kunstwerkes, dessen Werth sie großentheils wohl nicht völlig zu würdigen wußten. Die meisterhaft gelungene Statue hätte sich zwar auf der einsamen Klippe in der stürmischen Nordsee wohl aufstellen lassen, und würde sich dort wahrscheinlich gar nicht übel ausgenommen haben, vielleicht sogar auch ein Magnet geworden sein, welcher zahlreiche Fremde dem Eilande zugeführt hätte. Indeß die Helgoländer beabsichtigten lieber, einen guten Handel mit dem vom Schicksal ihnen zugeworfenen Funde zu machen. Um einen bedeutend ermäßigten Preis boten die Insulaner die Gustav-Adolphs-Statue der Stadt Hamburg an. Weshalb die Bürger dieser Stadt das Anerbieten von der Hand wiesen, wissen wir nicht; genug, man lehnte es ab.

Der Zufall führte bald darauf einige kunstliebende und reichbegüterte Bremer Kaufleute nach Helgoland. Sie sahen die herrliche Statue und die Lust, dieselbe ihrer Vaterstadt zu erwerben, ward in den patriotischen Bremern lebendig. Das Schiffer- und Lootsen-Völkchen der rothen Klippe war inzwischen zu der Ansicht gekommen, daß es hohe Zeit sei, sich billig zu zeigen, wenn überhaupt Erz sich in Gold verwandeln solle. Schweden, von der Forderung der Helgoländer unangenehm berührt, hatte bereits Anstalten getroffen, sich eine andere Statue gießen zu lassen, die indeß bei Weitem nicht so trefflich gelungen sein soll, wie die bei Helgoland gescheiterte. Das Gebot der Bremer ward daher nach kurzer Unterhandlung von den Insulanern angenommen. Die kunstsinnigen Handelsherren bezahlten einige tausend Thaler, und machten das so erworbene Standbild, eins der herrlichsten, welche Deutschland überhaupt besitzt, ihrer Stadt zum Geschenk.

Anfang September 1856, als eben der Gustav-Adolfs-Verein seine jährliche Hauptversammlung in Bremen hielt, ward das eherne Bild auf dem unregelmäßigen Platze „Domshaide“ aufgestellt, ohne daß sich eine großartige Enthüllungsfeierlichkeit mit dieser Aufstellung verknüpfte. Was bei dieser Gelegenheit der Staat nicht für zweckmäßig erachtete, holte der genannte Verein nach. Die Repräsentanten desselben begaben sich am Tage der Aufstellung nach der Domshaide, und nachdem man das kräftige, zum Herzen dringende Lied Luthers: „Allein Gott in der Höh’ sei Ehr'“ gesungen hatte, hielt Dr. Mallet, Pastor zu St. Stephani, eine ansprechende, alle Zuhörer befriedigende Rede, nach deren Beendigung der Gesang: „Lobet den Herrn, den mächtigen König der Ehren" die kurze Feierlichkeit schloß.

Die Gustav-Adolphs-Statue erhebt sich auf einem Sockel schön polirten Gabbro's, der aus einem einzigen Stück im Gewicht von 23,000 Pfund besteht, und auf dem Harzgebirge gebrochen wurde. Das Erzbild hat eine Hohe von 25 Fuß. Die Stellung, welche der schwedische Künstler der Statue gegeben, ist würdevoll und doch völlig ungezwungen. Der linke Fuß schreitet vor, die linke Hand ruht über dem Knauf des breiten Schwertes, und während das edle, frei blickende Antlitz nach links sieht, deutet die Rechte nach der andern Seite, als wolle sie die Aufmerksamkeit des Beschauers dahin lenken. Der Zufall wollte es, daß diese Rechte des ehernen Bildes, das uns den protestantischen König, Held und Sieger in solcher Vollendung vor Augen führt, gerade nach dem uralten, ehrwürdigen Dome Bremens, der Hauptkirche der Protestanten jener Stadt, hinweist. Und so scheint denn dieser eherne Zeigefinger der schwedischen Königsstatue allen Verehrern und Angehörigen Luthers immer und immer zuzurufen: „Hier lasset uns Hütten bauen", und diesem Zuruf das Feldgeschrei des Siegers in mancher heißen Schlacht noch hinzuzufügen: „Gott mit uns!"




  1. Irren wir nicht, so waren es 30,000 Bankthaler.