Ein Volksgericht im Mittelalter

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Titel: Ein Volksgericht im Mittelalter
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 45, S. 760–761, 772
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1893
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[760–761]

Photographie im Verlage von Braun, Clément u. Cie. in Dornach.
Ein Volksgericht im Mittelalter.
Nach einem Gemälde von J. Garnier.

[772] Ein Volksgericht im Mittelalter. (Zu dem Bilde S. 760 u 761.) Im Mittelalter legte sich die Gemeinde vielfach gegenüber ihren Mitgliedern eine Strafgewalt bei, die in ihrer Wirkung viel mächtiger war als Gesetzesbestimmungen und Rathsverordnungen. Wer gegen die ungeschriebenen Gesetze von des Landes Brauch und Sitte sich verstieß oder sich sonst mißliebig gemacht hatte, der verfiel einer Art Lynchjustiz des Volkes genau so, wie in Oberbayern heute noch der Rache der „Haberer“. Im mittelalterlichen Frankreich geschah dies insbesondere bei solchen Ehebündnissen, welche den Anschauungen des Volkes zuwiderliefen. Wenn eine Witwe sich aus unlauteren Beweggründen zum dritten oder vierten Male oder mit einem ihr an Alter gar zu ungleichen Mann verheirathete, so mußte sie sich darauf gefaßt machen, daß man ihr ein „Charivari“, das heißt auf deutsch eine Katzenmusik brachte, oder sie gar rücklings auf einen Esel setzte und unter betäubendem Gejohle und Getöse von ihrem Mann vors Dorf hinaus ziehen ließ. Der Maler unseres Bildes stellt einen solchen Auftritt in drastischer Weise dar. Der Gebrauch hatte etwas Rohes an sich, es mag aber sein, daß er doch ab und zu eine heilsame Wirkung ausübte.