Ein Volk von Zwergen in Südafrika

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Titel: Ein Volk von Zwergen in Südafrika
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 45, S. 803
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1886
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Rezension zu William Leonard Hunts Buch Durch die Kalahariwüste
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[803] Ein Volk von Zwergen in Südafrika. Immer neue Entdeckungen machen die Reisenden im Süden des schwarzen Erdtheils: jenseit des Schauplatzes der frühern berüchtigten Kriege zwischen Engländern und Kaffern, seitlich vom Zulu- und Transvaallande, wo die Engländer noch vor wenig Jahren gegen Zulu und Boers fochten, liegt eine Gegend im Norden des Gebiets der Kapkolonie, wohin allerdings die Entdeckung reicher Diamantlager seit 1867 eine ziemlich zahlreiche weiße Bevölkerung gezogen hat; aber über 29 bis 30 Grad südlicher Breite hinaus beginnt [s]elbst auf den neuesten Karten eine nur mit spärlichen Namen und Reiserouten bezeichnete Fläche, welche noch so wüst aussieht wie vor acht Jahren das seitdem durch Stanley aufgeschlossene Centrum des dunklen Erdtheils; sie hat den doppelten Flächenraum des Deutschen Reichs und war bis jetzt nur als die der Sahara vergleichbare „Kalahariwüste“ bekannt. Ein tapferer Jäger aus Amerika, Farini, hat sie jetzt durchstreift bis nach dem Ngami-See und das Resultat dieser Streifzüge in einem Reisewerke: „Durch die Kalahariwüste“ veröffentlicht, das soeben in autorisirter deutscher Uebersetzung erschienen ist (Leipzig, F. A. Brockhaus).

Wir erfahren aus dem Werke viel Interessantes über die unbekannte Wüste; Abenteuer von der Jagd, der Löwen- und Elefantenjagd werden erzählt. Als der Reisende nach großen Beschwerden in der unmittelbaren Nähe des Ngami-Sees angekommen war, wurde er aufmerksam auf eine Gruppe kleiner Verstecke, welche dadurch hervorgebracht wurden, daß sich die Spitzen zweier Grasbüschel zusammenbogen. Sie bildeten eine Art von Thurm mit dem bloßen Sand als Flur darunter. Das waren die Wohnungen der hier hausenden Zwerge, aber sie entschwanden ebenso plötzlich wie durch Zauberei, indem sie sich so vollständig hinter den Grasbüscheln verbargen, daß das Versteck nur mit großer Mühe ausfindig gemacht werden konnte. Am ersten Abend ließen sie sich durch die Geschenke von Taschentüchern und Taschenmessern nicht bewegen, aus ihrem Verstecke hervorzukommen; doch am andern Morgen näherte sich ein Trupp von sieben bis acht kleinen, braunen, fast nackten Wesen dem Wagen. Aus der Entfernung hätte man sie ihrer Größe nach für Kinder halten können; als sie aber näher kämen, verriethen ihre runzeligen Gesichter, welche denen der Buschmänner glichen, daß es erwachsene Männer und Weiber waren. Auf den Backen, Armen und Schultern waren sie mit kurzen, geraden, blauen Strichen tätowirt, und Allen, bis zum Säugling herunter, war zum besonderen Kennzeichen des Stammes das erste Glied des kleinen Fingers jeder Hand abgeschnitten. Der Stamm nannte sich M’kabba; der Häuptling war ein kleiner Geselle von 125 Centimeter Höhe, seine Frau etwas größer, seine Töchter ebenso groß wie er; eine derselben hatte zwei Kinder. Diese sahen mit ihren zierlichen braunfarbigen Gesichtern und großen, hellen, funkelnden Augen ganz niedlich aus und wären wirklich ganz hübsch gewesen, hätten sie nicht im Gehen ihren stark vortretenden Bauch gerade wie so viele der Zwergältesten der Wüste gezeigt. Der kleine Häuptling war in seinen Augen ein großer Herr und ließ den Fremden die Unterthanen nicht zu nahe kommen.

Diese kleinen Leute haben weniger Bedürfnisse, als irgend ein anderes Volk: sie leben von Mangetan oder Wassermelonen und werden fett von dem ölhaltigen Samen, den sie zu einem Kuchen backen und braten. Giebt es keinen Mangetan, so leben sie von Wurzeln, welche die Frauen sammeln, während die Männer Jagd auf kleines Wild machen. Eine besonders beliebte Speise sind bei ihnen Trüffeln, welche zu Tausenden vorkommen, deren Fundgrube sich durch eine Schwellung im Sande verräth und welche denselben Wohlgeschmack haben, wie die französischen. Zur Jagd gebrauchen die Zwerge Bogen und vergiftete Pfeile. Jeder Theil eines von ihnen erlegten Thieres wird gegessen und selbst Haut und Knochen dabei nicht verschont. Sie sind gefräßig wie die Buschmänner. Bei einem Gegenbesuch in ihrem Lager fand Farini die kleinen Leute schlafend, die Kniee bis ans Kinn in die Höhe gezogen und unter einem Busch oder Grasbüschel liegend. Selbst die Wohnung des Häuptlings bestand nur aus einem in die Erde gegrabenen Loch, über welchem die Zweige zweier Gebüsche das Dach bildeten: kein besonders ausreichender Schutz gegen die kalte Nachtluft und die schweren Regengüsse; gegen die wilden Thiere aber schützen sie sich durch eine Reihe kleiner Feuer, um welche sie liegen oder knieen und in welche sie im Schlaf oft hineintaumeln, so daß viele verbrannte Gesichter, Hände und Füße haben.

Farini müßte kein Amerikaner sein, wenn er in den kleinen schwarzen Leuten nicht bald geeignete Objekte für Schaustellungen erkannt hätte: er knüpfte mit ihnen darüber Verhandlungen an, und die Zwerge vom Ngami-See werden wohl bald in Amerika und Europa ihre Aufwartung machen.