Das Berliner Hoftheater

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Titel: Das Berliner Hoftheater
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aus: Die Gartenlaube, Heft 45, S. 803
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1886
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[803] Das Berliner Hoftheater. Kurz vor seiner Säkularfeier ist das Berliner Hoftheater in eine neue Aera getreten. Botho von Hülsen, welcher seit 1852 Generalintendant desselben gewesen, ist am 30. Sept. gestorben. Als junger Lieutenant nahm er das Steuerruder desselben in die Hand, nachdem er vorher bei Liebhaberaufführungen durch geschickte Arrangements und gewandtes Spiel seine Theaterlust bewährt und die Aufmerksamkeit des Königs Friedrich Wilhelm IV. auf sich gelenkt hatte; reich an Ehren und Würden ist er geschieden. Sein Vorgänger, Herr von Küstner, war ein Fachmann, der schon mehrere Theater geleitet hatte, ehe er nach Berlin berufen wurde: Küstner war ein Förderer der neuen litterarischen Bestrebungen, und er hatte das Glück, daß diejenigen Stücke der jüngeren Schule, die sich bis heute auf dem Repertoire erhalten haben, die Dramen von Gutzkow, Laube, Freytag während seiner Intendanz zuerst auf die Berliner Hofbühne kamen. Herr von Hülsen übernahm die Leitung des Hoftheaters, ohne sich vorher in irgend einer dramaturgischen Thätigkeit bewährt zu haben; auch durfte man bei ihm kein besonderes Interesse für die Litteratur, aber auch keine Parteinahme für irgend eine litterarische Richtung voraussetzen. Er faßte alsbald seine Bühnenleitung von der praktischen Seite auf: als pflichttreuer Beamter, als ein Kavalier, dessen Wort stets zuverlässig war; voll Herzensgüte und Mitgefühl wußte er sich die Liebe seiner Untergebenen und die Achtung der weitesten Kreise von Hause aus zu sichern. Und seine lange Wirksamkeit hat nur dazu gedient, diese gute Meinung zu befestigen. Der Litteratur gegenüber hat er sich wenigstens dadurch Verdienste erworben, daß er die neufranzösische Komödie von der Hofbühne fernhielt, daß er einzelne deutsche Talente wie Brachvogel, Lindau, Hugo Bürger mit Erfolg in die Theaterwelt einführte. Doch sein Hauptverdienst liegt auf der Seite der Verwaltung: als die Hoftheater von Hannover, Kassel, Wiesbaden nach der Annexion von 1866 der Berliner Generalintendanz unterstellt worden, trat die Bedeutung derselben als erste Instanz für das ganze norddeutsche Theaterwesen immer mehr zu Tage. Herr von Hülsen wurde der Vorsitzende des Bühnenkartellvereins, welcher Recht und Ordnung im Theaterleben durch gemeinsames Vorgehen der Bühnenvorstände zu begründen und aufrecht zu halten suchte. Wie er schon früher durch Gründung der „Perseverantia“ der Noth der Bühnenmitglieder bei ihrer Erkrankung und nach ihrem Abgang vom Theater zu steuern suchte, so kam er auch später allen Bestrebungen der Schauspieler selbst, nachdem diese die deutsche Bühnengenossenschaft geschaffen, mit seinem ganzen Ansehen fördernd entgegen. So ist der Name Hülsen’s mit der ganzen Neugestaltung des deutschen Theaterwesens eng verknüpft.

Hülsen’s Nachfolger, Graf Bolko von Hochberg, Bruder des Fürsten Pleß, ist ein schlesischer Aristokrat, der durch eigene künstlerische Bestrebungen auf dem Gebiete der Musik und durch die Förderung musikalischer Interessen die Aufmerksamkeit auf sich lenkte. Im Jahre 1843 auf dem romantisch gelegenen Schloß Fürstenstein in Schlesien geboren, befindet er sich noch im kräftigsten Mannesalter. Eine von ihm komponirte Oper, „Die Falkensteiner“, ist am Dresdener Hoftheater aufgeführt worden; außerdem hat er Symphonien und Lieder komponirt. Auf seinem Schlosse Rohnstock hielt er sich für musikalische Aufführungen ein eigenes Orchester; seit 1876 hat er die schlesischen Musikfeste ins Leben gerufen.

Allem Anscheine nach wird Graf Hochberg den Schwerpunkt seiner künstlerischen Leitung auf die Förderung der Oper legen; und so mag die Mittheilung der Zeitungen vielleicht nicht unbegründet sein, daß ihm für das Schauspiel ein litterarisch-dramaturgischer Rathgeber an die Seite gestellt werden soll. Jedenfalls thut es noth, das Berliner Hoftheater, welches Herr von Hülsen an die Spitze der deutschen Bühnen gestellt, was die musterhafte Verwaltung und die Leitung aller Reformbestrebungen anbetrifft, nun auch in künstlerischer Hinsicht auf eine höhere Stufe zu heben und über Aeußerlichkeiten die idealen Ziele der deutschen Schaubühne nicht aus dem Auge zu verlieren.