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Titel: Ein Verein und sein Jahrbuch
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aus: Die Gartenlaube, Heft 16, S. 266
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1874
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[266] Ein Verein und sein Jahrbuch. Ein stattlicher Band, wie er in unserer Zeit der zierlichen Formate nur selten die Neugier des Bücherfreundes erregt, über 34 Bogen, 538 hohe, breite, elegant gedruckte Seiten, auf denen sich in bunter Mischung eine Fülle der Gaben findet: Verse, Erzählungen, literarische und wissenschaftliche Abhandlungen von nicht weniger als vierundsechzig Autoren. Und nun gar erst die Zahl der Herausgeber! Als solche werden uns 35,227 Personen bezeichnet. Mögen unsere Leser nicht ungläubig lächeln, die Sache hat ihre Richtigkeit. Aus 35,227 Mitgliedern besteht jetzt der erste allgemeine Beamten-Verein der österreichisch-ungarischen Monarchie, ein Institut wirksamer Selbsthülfe einzig in seiner Art; wir wüßten nicht, daß irgend ein anderes Land ein ähnliches aufzuweisen hat. Mehr als jede andere Bevölkerungsclasse ist der meistens so unbarmherzig karg gehaltene Beamtenstand darauf hingewiesen, sich durch Vereinigung selber zu helfen und sein Leben freundlicher, seine Zukunft sorgenloser zu gestalten. Wie sehr hier auch die einzelnen Zweige und Berufsarten auseinander liegen mögen, gleiche Lagen und Interessen bieten doch der Hauptmasse der besoldeten Menschen einen lebendigen Mittelpunkt der Einigung. Es ist erstaunlich, daß die aller Orten mit Recht klagenden Beamten nicht überall schon darauf gekommen sind; in Oesterreich haben sie es erkannt. Wir können nicht sagen, wo und in welchem Kreise dort zuerst der glückliche Gedanke entstanden ist, der Beamten-Verein steht aber als eine Thatsache da und erfreut sich eines blühenden und segensreichen Gedeihens.

Sein Zweck ist Nahrung und Forderung der materiellen, geistigen und socialen Interessen des Beamtenstandes nach den Grundsätzen der Gegenseitigkeit und Selbsthülfe. Zu diesem Zwecke bietet er seinen Angehörigen Versicherung von Krankengeldern und ärztlicher Pflege, von Capitalien und Renten auf den Lebens- und Todesfall, auch von Invalidenpensionen. Damit aber ist sein Wirken noch nicht erschöpft. Es erstreckt sich auch auf Spar- und Vorschußgeschäfte, auf Beschaffung von Dienst-Cautionen und Vermittelung von Dienststellen, Stipendienvertheilung für Töchter und Waisen mittelloser Beamten, Unterstützung von Unglück betroffener Standesgenossen, sowie auch Vertretung des gesammten Beamtenstandes in seinen bürgerlichen und dienstlichen Interessen. Zur Mitgliedschaft ist nicht blos diese oder jene Beamtenkategorie berechtigt. Sämmtliche Staats-, Landes-, Gemeinde-, Industrie-, Verkehrs- und Herrschaftsbeamten der Monarchie, auch die Officiere, Geistlichen, Advocaten, Lehrer, Notare und Aerzte können beitreten. Alle Functionen sind Ehrenämter und werden unentgeltlich verrichtet. Der Sitz des Vereins ist in Wien, wo er ein großes Vereinshaus besitzt, dessen Werth auf siebenhunderttausend Gulden veranschlagt wird. In seinem Dienste wirken 1719 Vereinsärzte, Bevollmächtigte und Agenten; die Summe seiner in Kraft stehenden Versicherungen belief sich Ende 1873 auf neunzehn Millionen Gulden. Ferner rechnet er zu den Ergebnissen seiner Thätigkeit die Erwirkung einer neuen Rang- und Gehaltsregulirung der österreichischen Staatsbeamten, die Herausgabe einer Zeitschrift zur Vertretung der Beamten-Interessen, sowie jenes „Literarischen Jahrbuchs“, dessen dritter Jahrgang hier in so stattlicher Erscheinung vor uns liegt.

Das im Selbstverlage des Vereins erschienene Buch führt den Titel „Die Dioskuren“, und es soll der Reinertrag den mannigfachen Segnungen, welche die Genossenschaft ihren Mitgliedern bietet, eine neue hinzufügen: die Errichtung einer höheren Töchterschule. Führen wir das an, so wollen wir damit keineswegs sagen, daß das Buch zu seiner Empfehlung eines Hinweises auf seinen wohlthätigen Zweck bedarf. Es hat in der That an sich selber einen ganz eigenthümlichen Reiz und Werth. Daß unter einer so großen Zahl von Producten auch Mittelmäßiges sich findet, ist nun einmal das unvermeidliche Schicksal aller solcher aus „Liebesgaben“ errichteten Sammelwerke. Wir glauben, die Prüfungs- und Sichtungsarbeit der Redaction ist ohnedies eine sehr große und schwierige gewesen. Rechnet man aber jene minder bedeutenden Beiträge ab, so bleibt doch eine überwiegende Menge von herrlichen Blüthen aus dem Bereiche der Dichtung wie des reflectirenden Gedankens. Die Gaben sind aus den verschiedenen Theilen der Monarchie geflossen, und darin liegt für uns in Deutschland die Anziehungskraft des Ganzen. Sein Grundcharakter ist deutsch wie die Sprache aller einzelnen Artikel. Aber aus dem unterhaltenden Wechsel ihrer vielfach so ganz verwandtschaftlich uns anheimelnden Reihenfolge tönt und duftet uns doch auch jene besondere Art deutsch-österreichischen Geistes entgegen, der in dauernder Berührung mit slavischen und orientalischen Einflüssen eine eigenthümlich reizvolle Färbung erhält und diese in der Sphäre deutscher Bildung zu läutern weiß. Das ist nicht blos pikant und genußreich, es hat auch für die ernstere Betrachtung ein cultur- und völkergeschichtliches Interesse. Auf Einzelnes einzugehen kann hier nicht unsere Aufgabe sein. Hervorheben wollen wir nur, daß neben vielen anderen namhaften Autoren auch Anastasius Grün eine größere Dichtung „Im Veldes“ geliefert hat, die an die frischeste Jugendzeit des verehrten Dichters erinnert.