Textdaten
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Autor: unbekannt
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Titel: Ein Schilling und ein Gulden
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aus: Die Gartenlaube, Heft 11, S. 152
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[152] Ein Schilling und ein Gulden, oder so tilgt man seine Schulden. Eines Tages, nach aufgehobener Tafel, stand der greise Großherzog Friedrich Franz von Mecklenburg-Schwerin vor dem Logirhause im Bade Dobberan und sah den burlesken Späßen des Policinello zu.

Unweit des Großherzogs befand sich ein Trupp Studenten, unter denen sich Einer durch Figur und Tracht besonders auszeichnete.

Er war auffallend klein, und die Natur hatte ihn obendrein mit dem stiefmütterlichen Geschenke eines ansehnlichen Höckers begabt. Was aber kleinen Musensohn vollends entstellte, so daß er einen höchst komischen Anblick gewährte, war seine Kleidung. Er war angethan mit kalbledernen Hosen, die, enganschließend, um so mehr den unvortheilhaften Bau zweier spindeldürren Beine hervorhoben; hohe Kanonenstiefel reichten hinauf bis zur halben Lende und schlotterten um die Beine wie Butterfässer; eine Schnürjacke umschloß den Leib und ein rothes Cerviskäppchen balancirte keck auf dem Haupte, von dem ein langes struppiges Haar auf die unbeneidenswerthe Erhöhung des Rückens herabflog. –

Der Großherzog musterte den kleinen Studenten von Kopf bis zu Fuß und sagte lächelnd zu seinem Kammerherrn: „Ein verteufeltes Kerlchen, das!“

In demselben Augenblicke trat ehrerbietig ein Orgeldreherweib zu ihm heran mit den Worten: „Königl. Hoheit, wenn ich um eine kleine Gabe bitten dürfte für meinen Policinello.“

Der Fürst, der eben noch mit Betrachtung des kleinen Musensohnes beschäftigt war, antwortete lachend: „die kleine Lederhose da wird für mich bezahlen.“

Die Virtuosin des Leierkastens machte eine ungläubige Miene. Der Herzog, dies bemerkend, sagte bestimmt: „Geh Sie nur hin, das Männchen bezahlt.“

Das Orgeldreherweib trat verlegen an den buckligen Studio, hielt ihr Tambourin hin und sprach: „Königl. Hoheit sagten mir so eben, Sie würden für ihn bezahlen.“ –

„Mit Vergnügen!“ rief der Musensohn, „hier hat Sie einen Schilling für den Großherzog von Mecklenburg, und hier einen Gulden für einen rostocker Studio.“

„Ein witziges Kerlchen!“ schmunzelte der Herzog, der genau des Studenten Rede verstanden hatte, „den muß ich näher kennen lernen; rufen Sie den kleinen akademischen Bürger zu mir!“ befahl er seinem Kammerherrn.

Nach einigen Augenblicken stand unser Bruder Studio vor dem Fürsten.

„Königl. Hoheit haben befohlen –“

„Gefällt mir, hast Dich gut aus der Affaire gezogen - ganz charmant - wahrhaftig. – Was studirst Du?“

„Theologie.“

„Theologie? O weh, wirst schwerlich Dein Glück machen.“ – Bei diesen Worten sah der Fürst lächelnd auf den Buckel des Musensohnes.

„Königliche Hoheit meinen vielleicht, diese überflüssige Erhöhung könnte mir in meinem Fortkommen hinderlich sein? – Ich denke künftig einmal eine Predigt zu halten, daß man den äsopischen Hügel darüber vergessen soll.“

„Meinst Du?“ fragte der Herzog. „Nun gut, die Gelegenheit, Dein Talent zu zeigen, will ich Dir geben. Melde Dich, wenn Du Deine Studien absolvirt hast; sollst dann bei der nächsten Vacanz mit zur Probepredigt gelassen werden. Heute Abend aber komme mit Deinen Commilitonen zur Table d’hôte, könnt Euch ’nen vergnügten Abend machen!“ –

„ Bin gerne vergnügt, Königl. Hoheit, nie aber vergnügter gewesen, als in diesem Augenblicke, wo ich das Glück gehabt habe, vor den Augen meines gnädigen Landesvaters Gnade zu finden!“ –

Am Abend saß das muntere Studentenvölkchen im Logirhause an der Tafel.

Alle Badegäste sahen lächelnd auf den Kleinen und flüsterten untereinander: Das ist der kleine Witzbold, der sich heute Mittag so allerliebst aus der Sache gezogen hat. Still! er disputirt mit dem Kellner.

Letztgenannter hatte eben einen Korb Champagner gebracht, der von dem kleinen Studio bestellt worden war. „Nun, worauf warten Sie noch?“ frage er den zögernd dastehenden dienenden Geist.

„Auf Bezahlung. Wollten Sie die Gefälligkeit haben?“

„Auf Bezahlung?“ lachte der Musensohn „da wenden Sie sich an unseren guten Landesvater, heute Mittag bezahlte ich für ihn, heute Abend ist’s billig, daß er für mich bezahlt.“

Der Kleine ist jetzt Prediger einer größeren norddeutschen Stadt. -