Ein Reisemärchen/Erstes Capitel
Es war einmal ein vortrefflicher, seelenguter junger Mensch, der Alles konnte, nur nicht lange an einem und demselben Orte aushalten. Das war sein einziger Fehler; aber jeder Fehler, und wäre er noch so gering, wird riesengroß, wenn sich der böse Feind darein mischt, und der ††† mischt sich leider heut zu Tage in Alles und immer.
Unser Held hatte so zu sagen die Natur eines Wetterhahns; seine Launen trieben ihn nach allen zwei und dreißig Winden der Rose, als ob es der Wind selbst gewesen wäre, der ihn trieb.
Die Spanier nennen das, glaube ich, einen andantesken Humor, was Aegidius Albertini seiner Zeit mit landstörzerisch übersetzte.
– „Nur da wo man ist, befindet man sich wohl“ – pflegte er zu sagen. – Und alsbald reiste er ab.
Die Erde war für ihn eine glatte Eisfläche, auf der es ihm nicht gelingen wollte, einen festen Standpunkt zu finden. Kam er auch nicht aus China oder Peru, so kam er doch aus Treuenbrietzen zurück.
Kurz er hatte eine wirkliche Reisewuth, und diese Reisewuth hatte wiederum ihn schon mehr als ein Mal von einem Ende der Welt zum anderen geführt und zurückgebracht. Da die Welt aber, wie weit man auch gehen möge, doch endlich ein Ende nimmt, so muß man immer einmal um- und also zurückkehren. Den Beweis dafür liefert unser Held, der gerade in dem Augenblicke, wo dieses wahrhafteste aller Märchen beginnt, zurückgekehrt war, und zwar mit dem festen Entschlusse, nie wieder fortzureisen.
Er war nämlich verliebt.
Beklage ihn nicht, lieber Leser! Nicht Jeder ist verliebt, der es sein möchte. Auch beweist dies, nach meinem unzielsetzlichen Dafürhalten, daß er weder sein gutes Herz noch seine gesunde Vernunft auf der Heerstraße gelassen hatte.
Was würde aus Einem werden, wenn man nicht liebte?
Im Vorübergehen will ich noch bemerken, daß ihm, wenn er auch, wie jeder Reisende, sein einäugiges Roß gegen ein blindes, sowie sein Gold gegen Silber vertauscht, und zwei Hasen zugleich gehetzt, ohne je einen einzigen zu erwischen, demzufolge aber sein väterlich Erbtheil geschmälert hatte – dennoch genug geblieben war, obwol nicht, um von Neuem zu reisen, doch um anständig und sorgenfrei zu leben. Diese Notiz ist weder unnütz noch überflüssig, mein gnädiges Fräulein, denn ich habe die Ehre, Ihnen bemerken zu müssen, daß unser Held im Begriff steht, sich zu vermählen, und daß er heute Morgen erst das Brautkleid für seine Verlobte gekauft hat.
Dadurch wird die Sache interessant, nicht wahr?
„Ich habe meine letzte Reise gemacht“, sagte er zu mir, als er mir diese gute Nachricht mittheilte. „Wahrlich“ – setzte er hinzu – „die wahre Freiheit ist, an das gefesselt zu sein, was man liebt.“
– „Bester Freund!“ – erwiederte ich – „ich gratulire Dir von Herzen; ich glaube, Du hast Recht.“
Bedenkt es wohl, moderne Freiheitsjäger,
Die Ihr so oftmals schosset in die Luft,
Und hastig, weil die Menge desto träger,
Eu’r Bischen Witz und Pulver rasch verpufft.
Ihr habt, was wahre Freiheit sei, vernommen,
Was sucht Ihr sie noch thöricht draußen nun?
Ihr seht, sie muß von selber zu Euch kommen
Und wie ein Glück in Eurem Schooße ruhn.
Liebt nur und laßt Euch von der Liebe binden,
Dann seid Ihr frei, selbst bei der strengsten Pflicht.
In wahrer Liebe ist allein zu finden,
Was uns zum Leben nöthig: Luft und Licht.
Und sprudelte Euch selbst der Freiheit Quelle,
Sie labt Euch nicht, wenn Liebe Euch gebrach;
Kennt Ihr das Wort vom Erz und von der Schelle,
Das einst der reinste Freund der Freiheit sprach?