Ein Meistersänger und sein Sangesmeister

Textdaten
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Titel: Ein Meistersänger und sein Sangesmeister
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aus: Die Gartenlaube, Heft 29, S. 488
Herausgeber: Ernst Ziel
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Erscheinungsdatum: 1884
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[488] Ein Meistersänger und sein Sangesmeister. Am Opernhimmel ist in der Person des Tenoristen Emil Götze in Köln ein Stern ersten Ranges aufgegangen. Als derselbe im vorigen Jahre zum ersten Male als „Lohengrin“ auftrat, da verehrten ihm seine Kölner Freunde eine silberne Rüstung, und als er vor Kurzem den „Propheten“ sang, da statteten sie ihn mit einem Costüm aus, das Tausende von Mark gekostet hatte. Wohl selten hat aber auch die Natur einen Sänger so reich begabt wie diesen. Groß und kräftig gebaut, voll Jugendfrische und Anmuth, sicher und gewandt und ohne die leidigen Künstlercapricen tritt er auf der Bühne wie im gewöhnlichen Leben dem Publicum entgegen und nimmt schon durch seine äußere Erscheinung aller Herzen für sich ein. Und nun ist dieser Glückliche im Besitze einer wunderbaren Tenorstimme, die in ihrem Wohllaut, ihrer Fülle und Reinheit das Gemüth in seinen tiefsten Tiefen bewegt.

Götze ist ein Leipziger Kind, er wurde 1856 geboren. Frühzeitig entwickelte sich sein musikalisches Talent, und schon im achten Jahre wirkte er mit als Sänger bei den Aufführungen des berühmten Riedel’schen Vereins. Er widmete sich dem Kaufmannsstande und war bald der Liebling größerer und kleinerer Musikgesellschaften; aber Niemand fiel es ein, ihn auf den wahren Werth seiner Stimme aufmerksam zu machen. Da, zur rechten Stunde, lernte ihn bei einem Besuche in Leipzig Professor Scharfe kennen. Dieser, königlich sächsischer Professor der Musik und erster Gesanglehrer am Conservatorium in Dresden, erkannte sofort die Bedeutung einer solchen Stimme und machte die Direction des Dresdener Hoftheaters darauf aufmerksam. In Folge hiervon wurde nun Götze nach Dresden berufen und Scharfe mit seiner künstlerischen Ausbildung beauftragt. Jetzt war er in der besten Schule, denn Scharfe ist einer der vorzüglichsten Gesangspädagogen Deutschlands, der schon manchen trefflichen Künstler herangebildet hat.

Emil Götze.

Professor Scharfe war, bevor er sich der Musik widmete, Taubstummenlehrer, und diesem Umstande verdankt er, so seltsam dies auch klingt, zum guten Theile seine hervorragende Bedeutung als Gesangslehrer, denn er erwarb sich dadurch eine gründliche Kenntniß aller bei der Stimmbildung in Frage kommenden Factoren. In seinem großen bereits in fünfter Auflage erschienenen Werke „Methodische Darstellung der Entwickelung der Stimme von den Elementen bis zur künstlerischen Vollendung“ (Dresden, L. Hoffarth) begründet er seine Schule, deren Vorzüge besonders in einer deutlichen, edeln Textaussprache und einem vollständigen Beherrschen des gesammten Stimmmaterials bestehen. An Emil Götze fand nun Scharfe einen ebenso begabten wie fleißigen Schüler, der bereits nach zwei Jahren eifrigen Studiums bei seinem Meister und am Conservatorium in den Verband des Dresdener Hoftheaters aufgenommen wurde und sich gleich beim ersten Auftreten die volle Gunst des Publicums erwarb. Wo er später auch auftrat, er gewann im Sturm die Herzen. So in den berühmten Leipziger Gewandhausconcerten und als gefeierter Oratoriensänger, so namentlich auch jetzt und im vorigen Jahre in Berlin, wo er von dem Publicum mit dem größten Beifall belohnt wurde. Von Bedeutung für des jungen Sängers Zukunft waren die im Jahre 1881 von dem Impressario Julius Hofmann veranstalteten Opern-Vorstellungen im Carola-Theater zu Leipzig. Nicht nur, daß er sich hier die volle Sympathie seiner Vaterstadt errang, er schloß sich hier auch bleibend an Hofmann an, und als dieser die Direction des Kölner Stadttheaters übernahm, da folgte er ihm an den Rhein, und wie man ihn dort feiert, ist bereits Eingangs dieser Zeilen berichtet worden. Reich begabt, gebildet durch einen trefflichen Meister und geleitet von einem günstigen Geschick hat dies Kind des Glückes den Lorbeer, nach dem Andere so mühsam ringen müssen, wie im Fluge erhascht.