Ein Hochseefischer aus dem Vogelreiche

Textdaten
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Autor: Matschie
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Titel: Ein Hochseefischer aus dem Vogelreiche
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 22, S. 677, 707
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1899
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[677]

Baßtölpel.
Nach dem Leben gezeichnet von Paul Neumann.

[707] Ein Hochseefischer aus dem Vogelreiche. (Zu dem Bilde S. 677.) Wenn man von den besten Fliegern unter den Vögeln spricht, so pflegt man den Albatros, einen Bewohner der südlichen Meere, als den hervorragendsten Flugkünstler zu feiern. Kein anderes Tier im Federkleide vermag wie er tagelang dem fahrenden Schiffe zu folgen, ohne ein einziges Mal auf den Wogen zur Ruhe sich niederzulassen, kein anderer Vogel ist imstande, so gewaltige Strecken im Fluge zu durchmessen wie dieser. Wir kennen aber auch aus der nördlichen Erdhälfte einen fluggewandten Beherrscher der Lüfte, der wohl genannt zu werden verdient unter den Vögeln, bei denen das Flugvermögen eine besonders hohe Entwicklung erreicht hat. Das ist der sogenannte Tölpel, Sula bassana, der in diesem Heft der „Gartenlaube“ in einem von dem bekannten Tiermaler Paul Neumann nach dem Leben entworfenen Bilde vorgeführt wird. Das Original zu dieser Zeichnung ist augenblicklich im Berliner Zoologischen Garten. Dort befindet sich der Vogel in einer hohen Voliere, zusammen mit zahlreichen Vertretern der Sumpf- und Wasservögel, er hat dort Felsen und Wasser, aber leider keine Möglichkeit, seine Schwingen zu gebrauchen. Der Flugraum genügt trotz seiner Größe nicht, um dem Vogel eine freie Bahn zum Abfliegen zu gewähren. So sieht man ihn denn in plumpem, watschelndem Gange mühsam sich fortbewegen, und wer ihn betrachtet, ist wohl geneigt, zu verstehen, weshalb man ihm den Namen „Tölpel“ gegeben haben könnte. Und doch würde jeder andere Seevogel ebenso unbehilflich sein, wenn er seinem gewohnten Elemente entrissen wäre.

Der Tölpel lebt an den Rändern des Oceans, von dort aus macht er seine Jagdzüge weit hinaus auf das Meer. In Europa hat er an den Küsten von England, Schottland und Irland, auf den Färöerinseln und Island seine Brutstätten, und man hat auch in der Nähe des Lawrencegolfes an der amerikanischen Seite des Atlantischen Oceans einige Kolonien dieses Vogels gefunden. Er rottet sich gegen Ende des März oder im Anfang des April zu vielen Hunderten zusammen, um auf wilden, zerklüfteten Klippen gewöhnlich in Gemeinschaft mit Kormoranen, Alken und Lummen das Brutgeschäft zu besorgen. Der nordatlantische Tölpel, mit dem wir es hier zu thun haben, heißt auch Baßtölpel, und dieser Name rührt nicht etwa von seiner tiefen Stimme her, sondern bezeichnet einen Vogelfelsen am Eingange des Firth of Forth in Schottland, auf welchem unsere Art in großen Mengen brütet. Jedes Weibchen legt jährlich nur ein Ei, welches schmutzigweiß ist und eine fast glanzlose Schale hat wie ein Kormoranei. Das Nest, welches diesem Ei als Unterlage dient, besteht gewöhnlich nur aus einem zusammengescharrten Haufen von Seegras. Zuweilen liegt das Ei auf der bloßen Erde in einer Vertiefung. Die Jungen kommen blind und nackt zur Welt, aber sehr bald wird ihr schwarzgrauer Körper von weißen Dunen bedeckt, die später durch ein tiefbraunes Gefieder ersetzt werden, in welchem jede Feder einen weißen dreieckigen Fleck trägt. Erst nach drei Jahren ist der Tölpel vollständig ausgefärbt. Er ist dann so groß wie eine Gans, schneeweiß, sein Kopf und Hals ölbraun überflogen, die Ränder der großen Schwingen sind schwarz. Um das Auge herum und an der Kehle bleibt je ein dunkelbrauner Fleck unbefiedert. Im Herbst, wenn die Jungen fliegen können, verlassen die Tölpel ihre Felsenburg und zerstreuen sich weithin über das Meer. Während sie im Sommer gelegentlich bis zur Ostsee und häufiger an die norwegische Küste kommen, also immerhin recht weit von ihren Brutplätzen sich auf der Jagd nach Fischen entfernen, findet man sie im Winter nach Süden bis Madeira und bis zu den Kanarischen Inseln auf der afrikanischen Seite des Atlantischen Oceans, bis zum Golf von Mexiko in Amerika verbreitet. Sie folgen im Herbst den Zügen der Heringe. Den Fischern sind sie darum willkommene Erscheinungen, weil man mit Sicherheit da, wo sie sich in größeren Flügen zeigen, auf einen guten Fang rechnen darf.

Dem Naturforscher ist der Tölpel wegen einiger merkwürdiger Eigenschaften besonders interessant. Wer nämlich nicht genau genug zu untersuchen versteht, wird vergeblich bei ihm nach den Nasenlöchern und nach der Zunge suchen. Die Nasenlöcher sind bis auf einen sehr schmalen Spalt durch Horn bedeckt und die Zunge ist ganz verkümmert. Eigentümlich ist auch der Bau der Füße, weil alle vier Zehen durch eine Schwimmhaut miteinander verbunden sind, und nicht minder bemerkenswert sind die zahlreichen unter der Haut liegenden Luftsäcke, welche miteinander und mit der Lunge in Verbindung stehen, willkürlich aufgeblasen werden können und so durch Verringerung des Körpergewichtes dem Vogel wesentlich das Fliegen erleichtern.

Nach einem schweren Sturm verfliegt sich der Tölpel wohl einmal bis in das Innere von Deutschland; so hat man im Münsterlande und in der Mark diese Art nachgewiesen. Matschie.