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Titel: Ein Herz auf dem Thron
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aus: Die Gartenlaube, Heft 1, S. 11–15
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1875
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Ein Herz auf dem Thron.


Wer in unseren Tagen des erneuten Kampfes zwischen „Reich“ und „Kirche“, „Kaiser“ und „Papst“ vergleichende Blicke in die deutsche Vergangenheit wirft, dem wird vor allen Anderen Kaiser Joseph's Bild entgegen treten: er war der edelste Märtyrer auf dem Throne für das Bestreben, durch jene alleinrettenden Güter des Geistes und Herzens seine Völker zu beglücken, nach denen sie, nach seinem Tode abermals von den Netzen des schlimmsten politischen Systems umstrickt und umnachtet, noch heute, aber nicht mehr hoffnungslos, ringen. Wir halten es daher für unsere Pflicht, heute wieder den theuren Namen zu nennen. Die Gelegenheit dazu lassen wir uns von einem trefflichen Gemälde „Der Kaiser auf dem Sterbebette“

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Die letzten Augenblicke Kaiser Joseph des Zweiten.
Nach dem Oelgemälde von Professor Conräder in München.

von Professor Conräder bieten, das in München, London und Wien Bewunderer fand und gegenwärtig die sehr zeitgemäße Runde durch Oesterreich macht; freilich darf man von unserem Artikel hierzu nicht eine Lebensgeschichte Joseph's des Zweiten erwarten, sondern nur einige Charakterzüge desselben, wie der beschränkte Raum unsres Blattes sie allein uns gestattet.

„Ich liebe mein Vaterland und bin stolz darauf, ein Deutscher zu sein“ – so schrieb vor bald hundert Jahren dieser Fürst, den das ihn anbetende Volk, abweichend von dem officiellen schwulstigen Kanzleistile, den „Kaiser der Deutschen“ nannte, und den die studirende Jugend in schönem Traume, der sich nur zu lange nicht erfüllen sollte, mit dem unsterblichen, weihevollen Liede des „Landesvaters“ feierte. Joseph der Zweite von Habsburg-Lothringen, viel zu früh geboren und gestorben für seine Zeit, an deren Unfähigkeit, seine Ideale zu fassen und ertragen zu können, sein edles Herz brach, war einer jener seltenen Charaktere der Geschichte, welche der Geist des Schönen, Guten und Wahren über die Jahrhunderte so sparsam ausgestreut hat, daß sie gewissermaßen den Weg zur Zukunft weisen sollten. Er gehört zu den seltenen Naturen, welche inmitten einer trockenen, materiellen, selbstsüchtigen Umgebung die Kraft und den Muth haben, für die höchsten Güter der Menschheit einzustehen, dessen erhabenes Wollen und Streben aber erst eine spätere Zeit völlig zu verstehen fähig war.

Die Geburt Kaiser Joseph's fiel in eine für Oesterreich verhängnißvolle und traurige Periode, denn als mit Kaiser Karl dem Sechsten das alte Haus Habsburg im Jahre 1740 ausstarb, erhob der Kurfürst von Baiern Anspruch auf die Habsburger Erbschaft, und im Norden Deutschlands gelangte in demselben Jahre ein König zur Herrschaft, welcher Schlesien von Oesterreich abriß. Inmitten dieser wilden [13] Stürme erblickte Franz’ und Maria Theresia’s Erstgeborener, Joseph, das Licht der Welt. Oesterreichs sprüchwörtliches Glück bewährte sich damals, indem der Staat bis auf die Verluste an Preußen, erhalten blieb; der Gemahl der Theresia erhielt sogar noch die Kaiserkrone. Es hat sie nicht leicht ein ungeeigneterer Mann getragen, als dieser Speculant, der sich, wie wenigstens Friedrich der Große erzählte, nicht scheute, im Siebenjährigen Kriege der Armee, mit welcher seine Gattin im Kriege stand, die Fourage zu liefern, während er der Regentin Oesterreichs (hier blieb er blos Mitregent) Geld zur Kriegführung vorschoß. Und solch einer Mammonsseele Sohn war der hochstrebende, ideale Joseph? Das Räthsel löst sich, wenn man erfährt, daß Franz auch seine guten Seiten hatte. Er beschützte Kunst und Wissenschaft, war auch wohlthätig und hülfreich und in Religionssachen tolerant, was seine Gattin nicht war.

Joseph erhielt eine äußerst sorgfältige Erziehung, die aber zu pedantisch und trocken war, als daß sie seinem Geiste angemessen sein konnte. Kaiser Franz schrieb zu dem Unterrichtsplane eigenhändig: „Es soll meinem Sohne Joseph die Historie so tractiret werden, daß die Fehler und die bösen Thaten der Regenten so wenig als ihre Tugenden und das Gute, so sie gethan haben, verschwiegen werden,“ und nun mußte Joseph in der Geschichte fünfzehn dicke Folianten durcharbeiten; aber der künftige Monarch erhielt doch eine ziemlich allseitige Bildung und erwarb sich unter Anderen vollständige Beherrschung der französischen, italienischen, lateinischen, böhmischen und ungarischen Sprache. – „Hatte er schon,“ so sagt einer seiner Biographen, „als Knabe wegen seiner Munterkeit, seiner Lebensfrische und Offenheit, die das Herz immer auf dem Munde trug, für die freundlichste Erscheinung am Hofe gegolten, so ward er als heranreifender Jüngling. [14] zumal er sich einer strotzenden Gesundheit zu erfreuen hatte, wegen seiner sich überall kundgebenden Menschenfreundlichkeit und Aufgewecktheit, sowie wegen seines geistvollen Witzes, der sich selbst bisweilen in schalkhaften Jugendstreichen äußerte, die schönste Zierde des ganzen Hofes.“

Der siebenjährige Krieg fand den Erzherzog Joseph als fünfzehnjährigen Jüngling und als eifrigen Bewunderer des Gegners seines Staates, des großen Friedrich; aber er erweckte auch seine Vaterlandsliebe und seine Lust, selbst die Waffen zu ergreifen. Die besorgte und energische Mutter verhinderte dies jedoch und bannte ihn dafür in die Fesseln der Ehe; der neunzehnjährige Joseph feierte seine Vermählung mit der von ihm innig geliebten Isabella von Parma aus dem Hause Bourbon. Schon nach drei Jahren endete der Tod der jungen Frau das schöne Glück, und nach sieben Jahren folgte ihr Joseph's einziges Kind, eine Tochter. Nachdem er 1764 zum „römischen König“ gekrönt worden war, erfolgte seine zweite Vermählung; aber es war eine unglückliche Wahl, die er diesmal traf – Maria Josepha von Baiern, Kaiser Karl's des Siebenten Tochter. Auch sie ward eine Beute der Blattern, und die unglückliche Ehe endete schon nach zwei Jahren.

Konnte Joseph sich auch nicht zu einer dritten Vermählung entschließen, so empfand er doch das Bedürfniß des geselligen Umgangs mit Frauen von Geist und Anmuth, und bald fand er auch einen solchen Kreis, wie ihn sein Herz nur wünschen konnte. Es ist bekannt, daß Maria Theresia es wie wenige Machthaber verstand, den höchsten Adel ihres Reichs an ihre Person und dadurch an ihren Hof und ihr Haus zu fesseln. Die ehedem störrigsten Magnaten und Dynasten beugten sich vor der Schönheit und Würde der Kaiserin; den Frauen schmeichelte die Macht der hohen Frau, und so vereinigte die Wiener Hofburg damals Alles, was das Reich der Herrscherin an Glanz und Pracht, aber auch an Geist und Bildung der vornehmsten und reichsten Geschlechter aufzuweisen hatte. Als Perlen dieses strahlenden Kranzes galten die schwäbischen Prinzessinnen Oettingen, Leonore und Leopoldine, jene als Fürstin Liechtenstein, diese als Gräfin Kaunitz vermählt, ferner ein zweites Schwesternpaar, die Fürstinnen Clary und Kinsky, und eine Fürstin Leopoldine Liechtenstein.

Dieser Kreis erlangte bald als „die Gesellschaft der fünf Damen durch den Verkehr mit Joseph sogar eine gewisse Berühmtheit in jenen Tagen. Alle wohnten in dem von der Schenkengasse und Freiung gebildeten aristokratischen Viertel nahe bei einander und kamen jede Woche drei- bis viermal zusammen, gewöhnlich in den Abendstunden von acht bis zehn Uhr. Weder Kartenspiel noch musikalische Dilettanterei wurde da getrieben, sondern nur anregende edle Unterhaltung, wobei die Damen, in der Regel in ganz einfacher Haustoilette, mit Handarbeiten beschäftigt waren. Am innigsten fühlte Joseph sich zur Fürstin Leonore hingezogen, so daß er ihr einmal gestand: „Ich betrachte Sie wie meine Frau; ich habe dieses Gefühl für Sie; man ist nicht verliebt in seine Frau, aber ich habe Interesse für Alles, was auf Sie Bezug hat.“ In diesen Kreis durften Joseph nur seine beiden treuesten Freunde, der Feldmarschall Lascy und der Oberstkämmerer Graf Rosenberg begleiten. Hier erlebte er seine glücklichsten Stunden, ja der letzte Brief von seiner Hand ist an diese fünf Damen gerichtet, und darum durften wir wohl der Erinnerung an diesen edlen und reinen Kreis hier eine besondere Beachtung widmen.

Inzwischen hatte er nach des Vaters plötzlichem Tode 1765 die deutsche Kaiserkrone erlangt, nicht aber die Herrschaft der österreichischen Lande, welche seine Mutter nicht aus den Händen gab, so lange sie lebte. Dennoch fand sein hoher Geist bald Mittel und Wege, sich dem Vaterlande nützlich zu machen. Seine Wirksamkeit als Mitregent begann er damit, daß er zweiundzwanzig Millionen an Staatspapieren, die er von seinem Vater geerbt, verbrennen ließ und so dem Staate diese Summe schenkte. Den italienischen und französischen Schauspielern am Hofe gab er den Laufpaß, schaffte die besonderen Hofstaatsheere der einzelnen Prinzen und Prinzessinnen ab, welche nun mit dem Kaiser und der Kaiserin, gleich einer rechtschaffenen bürgerlichen Familie, an einer Tafel speisten, und so schnitt er noch manchen häßlichen, aus der Zeit der frühern spanischen Etiquetten- und Grandezza-Spielerei stammenden Hofzopf mit kühner Hand ab und vernichtete manche bureaukratische Ungeheuerlichkeit im Staatsdienste. Dabei lebte er selbst in höchst einfacher, beinahe spartanischer Weise; „seine Kleidung war die eines gemeinen Soldaten und seine Garderobe die eines Unterlieutenants.“ Fleißig bereiste er die zerstreuten Provinzen des österreichischen Staates, und zwar incognito, unter dem Namen eines Grafen von Falkenstein. Auch im Reiche legte er Hand an veraltete Mißbräuche, soweit dies möglich war, und wagte es, an dem faulen Schlendrian des Reichskammergerichts und des Reichshofrathes kräftig zu rütteln. Sogar nach Rom ging er ebenfalls incognito, wurde aber, als man ihn erkannte, dort von dem Volke als „Römischer Kaiser“ und von den zum Conclave versammelten Cardinälen als „Beschützer der Kirche“ begrüßt.

Damals traf er dort unter den Würdenträgern der Kirche Einen, der nicht den Purpur, sondern „als armer Priester“ das schwarze Kleid des heiligen Franciscus trug. Und dieser bescheidene Mann ging aus der Wahl als Papst hervor. Der Name, den er sich beilegte, war Clemens der Vierzehnte, und die That, welche ihn weltberühmt machte, war die Aufhebung des Jesuitenordens.

So hatten sich der reformatorische Kaiser und der reformatorische Papst in die Augen gesehen; aber Jeder von ihnen kam für seinen schon verdorbenen Wirkungskreis zu spät und für seine Zeit zu früh; Beiden kostete der Verdruß und die Aufregung, welche mit ihrer Wirksamkeit verbunden war, allzufrüh das Leben, und Beiden folgte bitteres Mißlingen ihrer Pläne und noch schlimmere Rückkehr der Mißverhältnisse, welche sie zu beseitigen unternommen hatten. Wie sehr stachen dagegen die Zusammenkünfte ab, welche bald darauf, einmal zu Neisse in Schlesien, und dann in Mährisch-Neustadt, zwischen dem jugendlichen Vertreter eines alternden und dem alternden eines jugendlichen Staates statt fanden; da trafen sich die beiden größten Monarchen ihrer Zeit als gegenseitige Verehrer und schieden als beste Bundesgenossen für lange Zeit. Von Joseph hörte man damals den Ausspruch: „Für Oesterreich giebt es nun kein Schlesien mehr,“ und Friedrich der Zweite schrieb über ihn: „Ich bin in Mähren gewesen und habe den Kaiser besucht, der im Begriffe steht, eine große Rolle in Europa zu spielen. Er ist an einem bigotten Hofe geboren und hat den Aberglauben abgeworfen: er ist im Prunk erzogen und hat einfache Sitten angenommen; er wird mit Weihrauch umwölkt und ist bescheiden; er glüht vor Ruhmbegierde und opfert seinen Ehrgeiz der kindlichen Pflicht auf, die er in der That äußerst gewissenhaft erfüllt; er hat nur Pedanten zu Lehrern gehabt und doch Geschmack genug, Voltaire's Werke zu lesen und ihr Verdienst zu schätzen.“ Trotz dieser, wie man am Aufbau des ganzen Satzes sieht, von Friedrich am höchsten angeschlagenen Anerkennung Voltaire's, war Joseph doch deutscher Mann und Fürst genug, um auf seiner französischen Reise denselben nicht zu besuchen und ihn so für die rücksichtslose Aufdringlichkeit seiner Eitelkeit zu bestrafen. „Ich habe seine Bildsäule schon gesehen,“ erwiderte er auf die Einladung zu demselben.

Aus vollem Herzen sympathisirte Joseph mit der Aufhebung des Jesuitenordens, und während Friedrich der Große aus Opposition gegen das Papstthum die Jesuiten schützte, wurde Joseph zum Mittelpunkt der ganzen damaligen Agitation für eine Verbesserung der katholischen Verhältnisse durch die Regierungen, und dieses System erhielt sogar seinen Namen, den es heute noch trägt: Josephinismus. In diesem Streben unterstützte ihn ein Mann, der ebenso eifrig und thätig auch für eine Reform des deutschen Theaters wirkte und mit dessen Beirath der Kaiser das Burgtheater in Wien als „Nationaltheater“ gründete – der Reichsfreiherr Joseph von Sonnenfels.

Als in Frankreich der Gatte seiner schönen und nachher so unglücklichen Schwester Maria Antoinette den Thron bestieg, soll Joseph die Hoffnung gehegt haben, durch sie der Politik seines Hauses in Frankreich Vorschub zu leisten. Seine Reise nach Frankreich war ein Glanzpunkt seines Lebens, ein Triumphzug, nicht minder im glänzenden Paris und Versailles, wie in den einfachen deutschen Dörfern, die er passirte. Ebenso glänzend war bald darauf seine Reise zum Besuche der nordischen Semiramis an der Newa.

Im Jahre 1780 starb die „Kaiserin“, und Joseph wurde Selbstherrscher der habsburgischen Erblande. Fünfzehn Jahre [15] lang hatte er seine liebsten Wünsche und höchsten Pläne in seiner Brust zusammenpressen müssen: konnte es nun anders kommen, als daß sie in unbändigem Sturm und Drang hervorbrachen? Alles aber diente der Förderung seines Hauptbestrebens, sein Reich mit den so verschiedenartigen Bestandtheilen zu einem gleichartigen zu verbinden, und zwar durch die deutsche Sprache. Sie sollte die Universalsprache desselben werden. „Ich bin der Kaiser des deutschen Reichs,“ schrieb er an einen Ungarn; „dem zu Folge sind die übrigen Staaten, die ich besitze, Provinzen, die mit dem ganzen Staate in Vereinigung einen Körper bilden, von dem ich das Haupt bin.“

Sofort begann er mit der Durchführung dieses Gedankens. Damit stand in engem Zusammenhange die Verbesserung des Schulwesens und die Fortführung seiner religiösen (josephinischen) Ziele. Unsere Leser erlassen uns wohl die Anführung aller reformatorischen Thaten Joseph's. Der Jubel aller Freunde des Fortschritts und der Aufklärung feierte ihn, wie ihn das Gift der Finsterniß bespritzte, als er es sogar wagte, in dem hyperkatholischen Oesterreich den größten Theil der Klöster aufzuheben: in acht Jahren siebenhundert solcher Nester mit über dreißigtausend Nichtsthuern und Nichtsthuerinnen. Papst Pius der Sechste, Nachfolger des Züchtigers der Jesuiten, reiste selbst nach Wien, um dem „hereinbrechenden Verderben seiner Kirche“, wie er glaubte, Einhalt zu thun. Aber er konnte deutlich sehen, was er erreichen würde, als der originelle Kaunitz die Hand, die er ihm zum Kusse reichte, derb schüttelte und Joseph das Hochamt nicht besuchte, bei dem er um eine Stufe tiefer sitzen sollte als der Papst.

Der Besuch war fruchtlos, und Joseph's Reformen gingen wacker vorwärts. Als Letzterer das Erzbisthum Mailand als Landesherr nach seinem Gutdünken besetzte, stand ein Bruch zwischen Kaiser und Papst bevor. Joseph beabsichtigte dies auch insofern, als er sein Reich ganz von der römischen Oberherrschaft in Kirchensachen trennen und den Staat an die Stelle des Papstes setzen wollte. Dies durchzuführen begab er sich selbst nach Rom, begnügte sich dann aber mit dem Wahlrecht der Geistlichen in der Lombardei, das der Papst ihm überließ. Das war der Anfang der Reaction gegen seine Schöpfungen. Bald griff in Ungarn die Empörung der fremden Nationalitäten und der eifrigen Katholiken gegen die Oberhand des deutschen Elementes und die religiöse Toleranz um sich. Später folgten die flämisch-wallonischen und stark katholischen Niederlande, deren Austausch an das pfälzische Wittelsbacher Haus gegen Baiern ihm nicht gelungen war, mit vollendeter Revolution, Hand in Hand mit der gleichzeitigen französischen, bis zum völligen Abfalle von Oesterreich. Auch der Plan einer Theilung der Türkei mit Rußland, den er mit Katharina zu Cherson besprach, wo nach der Thor-Inschrift der Weg nach Constantinopel ging, hatte keine andere Folge als einen gemeinschaftlichen, aber fruchtlosen Türkenkrieg, an dem Joseph selbst Theil nahm und bei dem er sich durch Klima und Beschwerde – den Tod holte.

Verzweifelnd an der Zukunft seiner Schöpfungen, erließ der Kaiser vom Todenbette die Aufhebung seiner auf Ungarn bezüglichen Reformen mit Ausnahme des Toleranz-Edictes und damit die Herstellung der Unabhängigkeit Ungarns; dies hielt im Lande auf ein halbes Jahrhundert den Fortschritt zurück. Unter Stürmen des Aufstandes im Westen und dem Scheitern seiner Hoffnungen im Osten nahte seine letzte Stunde. Am 12. Februar 1790 nahm er von seinem Neffen und zweiten Nachfolger Franz – es war dessen Geburtstag – Abschied, an den folgenden Tagen von seinen bewährten Kriegshelden Laudon, dem gefeierten Eroberer von Belgrad, und dem alten treuen Haddik, von der Gattin seines Neffen, Elisabeth von Württemberg, die er zärtlich liebte und die noch vor ihm an den Folgen einer Niederkunft starb, weiter von dem Feldmarschall Lascy, dem Oberkammerherrn Graf Rosenberg und dem Oberstallmeister Graf Dietrichstein. Am 19. Februar hatte Joseph noch Staatsgeschäfte besorgt; am Morgen des 20. Februar fühlte sein Leibarzt Störk beinahe keinen Puls mehr. Er erwähnte des Beichtvaters, den der Kaiser nun eintreten hieß. Er mußte ihm aus seinem Gebetbuche vorlesen. Als er an die Stelle kam: „so bleiben nun Glauben, Hoffnung und Liebe“, – sprach der Kaiser das Wort „Glauben“ mit fester Stimme nach, dann „Hoffnung“ mit leiser und endlich „Liebe“ mit warmem inbrünstigem Gefühle. Dann sagte er zum Beichtvater: „Nun ist es genug. Dieses Gebetbuch brauche ich nun nicht mehr. Ich schenke es Ihnen.“ Seine letzten Worte waren: „Ich glaube, meine Pflicht als Mensch und Fürst gethan zu haben.“ Gegen halb sechs Uhr früh gab er seinen Geist auf.

Unser Bild zeigt als geschichtliche Gestalten zur Rechten des Sterbebettes den alten Marschall Laudon, auf den Stock gestützt, neben ihm den Marschall Lascy und den ungarischen Grafen Batthiany. Vor dem Bette hingesunken eine der „fünf Damen“, die Gräfin Kinsky, und auf dem Sessel im Vordergrunde sein einundzwanzigjähriger Neffe, der spätere Kaiser Franz. Zur Linken steht das weinende Hofgesinde der Burg; selbst ein alter Ungar im nationalen Pelzkleide ist mit seinem Enkel von der Pußta herbeigeeilt; sinnig deutet der Künstler durch die hereindrängenden Massen im Vorzimmer auch den Schmerz des Volkes über das Hinscheiden des geliebten Herrschers an. Mit Joseph dem Zweiten starb einer der sehr wenigen „römisch-deutschen“ Kaiser, welche ein Herz für das Volk hatten.