Textdaten
<<< >>>
Autor: unbekannt
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Ein Früchtchen des Krieges
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 40, S. 479
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[479] Ein Früchtchen des Krieges. In einem Briefe aus Giurgewo an der Donau, Rustschuk gegenüber, heißt es: „Gleich nach meiner Ankunft genoß ich einen Anblick, den ich nie vergessen werde und der vielleicht einer der seltensten tragischen Eindrücke in der Welt sein mag – eine volle, moderne Stadt ohne eine Spur von Einwohnern. Einige Hausthüren waren geschlossen, andere klappten auf und zu und knarrten und quiekten im Winde, als wollten sie die traurige Oede im Innern verheimlichen und „Leben machen.“ Alle Zimmer im Innern tragen die Spuren hastiger Flucht der Bewohner. Blumentöpfe in vielen Fenstern blüthen noch fort, obgleich auch viele schon todtentraurig nieder hingen mit ihren Blüthen, die sonst so gern in die Sonne und den blauen Himmel empor blickten. Wo waren die zarten, weißen Hände, die sie jeden Morgen tränkten? In den Schlafzimmern standen noch Betten, Spiegel und Luxussachen von Damen. Auf einem erloschenen Feuer stand eine Pfanne mit Fleisch und Kartoffeln, halb verwest. Viele Gärten sahen noch hübsch grün und blumenreich aus, als ob die Eigenthümer sie erst gestern verlassen hätten; andere fingen schon an in Unkraut und Staub zu ersticken. Manche Zimmer von eleganter Ausstattung gaben noch Zeugniß von dem Leben und dem Putze der Damen: Spitzen, Halsketten und Kragen, Strümpfe, alte Schlafschuhe mit niedergetretenen Hacken, Steck- und Nähnadeln, Seife, Schminke und Kämme lagen umher, welche zusammen deutlich zeigten, daß die Damen geflohen waren, ohne ihre Toilette zu vollenden. Durch alle Straßen gähnte und grinzte Oede und Tod. Es war furchtbar, von Straße zu Straße zu wandern, ohne ein lebendes Wesen zu entdecken, als etwa hier und da einen halbverhungerten, zitternden Hund und nichts zu hören, als das Echo den weithinhallenden eigenen Schrittes. In einem entlegenen Stadttheile kroch mir plötzlich ein hohles Menschengerippe mit hohlen Augen aus schwarzem Bart und Haar hervorstarrend entgegen und winselte herzzerreißend: „Im Namen Allahs, Ungläubiger, „gieb mir Brot!“

Städte ohne Menschenleben, Wüsten voller Leichen und Lebendiger, die auf sie todt wiederhallen, darunter vielleicht 30,000 Soldaten – Franzosen, Engländer, Russen und Türken, die da fielen, ohne einen andern Feind zu sehen, als ihre eigenen Schachspieler, die ihre Bauern opfern, um ihre Diplomatie zu retten, – das sind vorläufig einige Früchtchen des für und gegen die „Integrität“ der Türkei herbeigezogenen Krieges.