Ein Brief von Ida Pfeiffer aus Californien

Textdaten
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Autor: Ida Pfeiffer
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Titel: Ein Brief von Ida Pfeiffer aus Californien
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 1, S. 12
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originaltitel:
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Bericht aus San Francisco
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[12] Ein Brief von Ida Pfeiffer aus Californien. Die berühmte, kühne Weltreisende, welche gewissermaßen in ihrer Person den kosmopolitischen Drang Deutschlands leibbaftig darstellt, hat ihrem nächsten Werke über Californien Privatbriefe vorausgeschickt, so auch folgenden an unsern berühmten Landsmann, Herrn A. Petermann in London, der uns zur Veröffentlichung zugegangen ist. Er kam in Herrn P.’s Hände am 22sten December und ist datirt:

St. Franzisko, 30. Oktober 1853. 

     Bester Herr Petermann!

Ich kann mir das Vergnügen nicht versagen, mich manch kleinen Augenblick mit Ihnen zu unterhalten. Aus den Zeitungen werden Sie zwar häufig ersehen, auf welchen Plätzen der Welt ich mich herumtreibe, aber das Wie? Warum? u. s. w. fällt dabei weg. Als ich London verließ, hatte ich den festen Entschluß, Australien zu besuchen. Ich war diesem Welttheile ziemlich nahe, als ich mich im Indischen Archipel herumbewegte, und dennoch kam ich nicht hin! Die Entdeckung des Goldes, der europäische Durst und Heißhunger danach waren Ursache, daß ich meinem Plane entsagte. Die Theuerung in diesem Lande stieg so ungeheuer, daß nur ein Goldsucher oder Millionair dahin wandern konnte, aber nicht Leute, deren Seckel mehr als bescheiden gefüllt und deren Streben nach Insecten und Reptilien geht. Ich mußte also diesem Wunsche entsagen und eine andere Fährte aufsuchen – und wo führte diese mich hin? – auch in ein so verwünschtes Goldland – das ist doch seltsam! Allein die Ueberfahrt kostete mich nichts, ein Amerikaner nahm mich umsonst mit. Wir hatten eine glückliche Fahrt – 79 Tage bis San Franzisko. Aber obgleich ich 60 Tage nichts als Himmel und Wasser gesehen, machte die Küste Californiens doch keinen freundlichen Eindruck auf mich: nichts als kahle Sandhügel, hier und da mageres Gebüsch, düstere Bäume mit dürren, kleinen, schmutzig-grünen Blättern. – Die Stadt St. Franzisko ist in ihrer Art ein Wunderwerk, aber nicht alle Wunderwerke sind reizend und bezaubernd. Die Stadt ist seit 5 Jahren 6 mal abgebrannt und wurde 1851 zweimal gänzlich in Asche gelegt – und beutzutage prangt sie mächtig, als hätte sie nie Feuer gesehen. Die steilsten Sandhügel tragen Häuser und Hütten bis in die höchsten Spitzen. Die Bucht wurde 1/2 Meile zurückgedrängt, mit Sand aufgefahren und so ein ebenes Fleckchen wenigstens für den Mittelpunkt der Stadt gewonnen. Da herrscht nun ein Leben, gleich dem in der City von London; da wird gefahren, geritten, gelaufen mit einer Hast, als gäb’ es kein Morgen mehr. Ueberall werden mit der größten Eile die prächtigsten Ziegelhäuser gebaut, so daß eine Straße nach 1 – 2 Monaten gar nicht wieder zu erkennen ist. Der Luxus in Einrichtung und Lebensweise ist so groß, wie nur immer in Paris und London; dabei herrscht aber ein Schmutz, eine Unsauberkeit auf den Straßen, daß selbst Constantinopel dagegen als Muster an Reinlichkeit aufgestellt werden kann. Ein Staub- und Sandlager von 1/2 Fuß Dicke deckt den Boden. Aller Unrath der Häuser wird auf die Straße geworfen. Kisten und Fässer, Reifen und Flaschen, Kleider, Wäsche, alte Schuhe, todte Hunde und Ratten liegen wie Kraut und Rüben durcheinander. Ein Gang durch die Stadt ist eine Buße, ein Gang außerhalb derselben Höllenpein. Ihr Fuß ermüdet im tiefen Sande, Ihr Auge in dem kahlen, leb- und laublosen Einerlei. Freilich die Bucht ist hübsch, sie bildet mannichfaltige Einschnitte in das Land, und der Hafen ist reich mit Fahrzeugen aller Nationen belebt. In der Regenzeit soll auch das Land eine ganz andere Gestalt annehmen; ein Ueberreichthum von Gras und Blumen bekleidet dann den nackten Sand. Leider werde ich es nicht in seinem Schmucke sehen, denn die Blüthezeit beginnt im December und ich will schon im November fort – nach Mexiko, der Stadt, vielleicht auch dem Lande, dann nach Vera-Cruz, Havannah, den vereinigten Staaten u. s. w. Ohne den Wasserfall von Niagara gesehen zu haben, kann ich nicht nach Europa kommen. O daß ich nur 10 Jahre jünger wäre, wie wollte ich meine Reisen noch mehr ausbreiten! Ueberall kommt man mir so hilfreich entgegen, daß ich wahrlich nicht viel brauche, um recht viel zu sehen. Schiffsgelegenheiten, sonst wahre Gelddiebe, bekomme ich meist umsonst, ebenso in den Städten oft auch freie Wohnung. – Von Californien habe ich noch die neu entstandenen Städte Sacramento und Marry’s Ville gesehen und auch Ausflüge in die Quarz-Minen und mehrere Goldgruben gemacht. An allen diesen Orten herrscht die größte Sicherheit des Eigenthums. Die Leute gehen an ihre Arbeit; kein Mensch wird zur Bewachung ihrer Zelte und Hütten zurückgelassen, und nie soll man von Entwendung des Goldes hören.

Nun Gott befohlen, vielleicht sehe ich Sie doch im nächsten Jahre.

Mit Achtung 
Ihre ergebene  
I. Pfeiffer.