Textdaten
<<< >>>
Autor: Albert Traeger
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Ein Besuch des Ophiantrums
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 41, S. 552-556
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[553]

Das Ophiantrum.

[552]
Ein Besuch des Ophiantrums.

Nachdem wir fast alle Sehenswürdigkeiten der leipziger Messe angeschaut und bewundert hatten, schlenderten wir eines Vormittags in Begleitung einiger einheimischer Freunde vom Bau des neuen Museums hinweg, die Grimmaische Straße entlang, gegenseitig die stumme Frage in unsern Augen lesend, was nun? – als der eine Begleiter uns unter den Arm nahm, und schnelleren [553] Schrittes als bisher uns am Markte vorüber die Petersstraße hinauf führte. Anfangs durch das veränderte Tempo etwas außer Athem gekommen, konnten wir erst ziemlich spät die Frage an ihn richten, wohin denn die Reise gehen sollte? „Ihr habt Euch bei Eurem letzten Besuche für das Aquarium so viel interessirt,“ sagte er „und jetzt denkt Ihr nicht an das Ophiantrum? Kommt mit [554] nach der Schloßgasse in die Restauration von Kranitzky. Ihr werdet dort etwas sehen, was Tausenden noch nicht vor die Augen gekommen ist, obwohl sie es in nicht großer Entfernung, bei Leipzig z. B. im Universitätsholze, bei Grasdorf und an andern Orten der Nähe in der Natur sehen könnten.“

Neugierig folgten wir der Aufforderung, und befanden uns bald in der freundlich eingerichteten Restauration.

Die Schlangengrotte, denn das bedeutet das Wort „Ophiantrum“, die wir mit einander besuchten, ist ein wenigstens drei Ellen langes und entsprechend breites Behältniß, dessen vier mehrere Ellen hohe Seiten und dessen Decke aus einem durchsichtigen, festen Drahtgitter bestehen. Das Innere bildet drei Abtheilungen, von denen die eine zum trocknen Aufenthalt für die Schlangen dient, die andere ein Wasserbassin ist, in dem sich die Thiere nach Belieben baden können, die dritte endlich, zugleich die kleinste, wird von einem ziemlich bis an die Decke reichenden Stein gebildet, welcher als ein hoher, zackiger, mit Moos bewachsener und hier und da hohler Felsen ein prächtiger Schlupfwinkel für die Reptilien ist. [1]

Bei dem Herantreten und der nähern Besichtigung des Ophiantrums machte es zunächst keinen angenehmen Eindruck. Es lag dies jedenfalls daran, daß dasselbe für die große Menge von Schlangen noch zu wenig Raum zum Ausbreiten bot, daher es offenbar vorzuziehen ist, selbst in einem größern Behältniß, wie das oben angegebene, eine geringere Anzahl dieser Thiere zu halten.

Denn man denke sich auf einem entsetzlichen Knäuel unter und über einander etwa vierhundert Schlangen, die, nebenbei erwähnt, alle unsern hier einheimischen und nicht giftigen Ringelnattern[2] angehören, und durchschnittlich die Länge von ein und einer halben bis zwei Ellen haben. Man kann es wahrlich keinen schönen Anblick nennen, so hübsch das einzelne Thier, für sich betrachtet, auch sein mag, wenn man eine solche Masse in der Regel fast leblos daliegen sieht. Nur einzelne bringen durch ihre Bewegungen Leben hinein; denn bald hebt eine ihren Oberkörper empor, steckt die doppelt gespaltene Zunge wie zwei Fäden aus dem Maule und treibt ein diesen Thieren, wie es scheint, sehr liebsames Zungenspiel; bald windet sich eine mitten aus dem dicksten Haufen heraus, ihren Weg zwischen und unter und über eine große Menge, ihrer Gefährtinnen, von denen sich wohl eine oder die andere häutet, nehmend; bald sieht man mehrere Leiber sich regen und Bogen schlagen, ohne daß man die dazu gehörigen Köpfe entdecken kann.

Einen bei weitem schönern Anblick gewährt dagegen das Ophiantrum, wenn es weniger gefüllt ist und die Schlangen vollkommen Raum haben, sich frei zu bewegen. Ihre verschiedenen Krümmungen und Windungen sind äußerst unterhaltend und schön, namentlich wenn sie sich im Wasser befinden, das sie meist von dem einen Ende zum andern pfeilschnell durchschießen, während sie oft auch den hintern Theil im Bassin lassen und mit dem Kopf neugierig auf dein Ufer umherlugen und züngeln. Ein noch malerisch schöneres Schauspiel ist es, die Schlangen auf den Zweigen des Bäumchens sich wiegen oder in langsamen Windungen den Stamm hinauf winden zu sehen, wie es denn nicht minder reizend aussieht, die glatten, glänzenden Thierchen auf der Spitze der kleinen Felsen zu beobachten, die meist aus Tropfsteinen in den verschiedenartigsten Formen, als Höhlen, Wasserbassins etc. in dem Ophiantrum malerisch angebracht werden können, wie es unser Bild zeigt.

Durchaus verändert wird diese Scene, wenn diese scheinbar ruhige Masse mit ihren Hunderten von Köpfen zur Mahlzeit eingeladen wird. Wir wohnten einige Male diesen Fütterungen bei und wollen versuchen sie unsern Lesern zu schildern:

Die Frösche, welche den Schlangen als Speise vorgeworfen werden, sind von allen Größen; die kleinen werden eben so wenig verschmäht, als sich an recht große und ausgewachsene Burschen wenigstens die größern Schlangen wagen. Und wieder ist der interessanteste Theil einer solchen Fütterung der Kampf zwischen einem größern und stärkern Frosche und einer diesen bei irgend einem Theile des Leibes gepackt habenden und selbst in dieser Situation, wenn irgend möglich, ganz still liegenden Schlange. In der Regel kommen die kleinen zuerst daran, weniger wohl deshalb, weil sie klein und darum vielleicht leichter zu fangen und bequemer zu verzehren sind, als aus einem andern Grunde, der in einem diesen Schlangen eigenthümlichen Jagdverfahren zu suchen ist. Werden nämlich eine Anzahl Frösche, hier mitunter fünfzehn bis fünfundzwanzig Stück, in das Schlangenbehältniß hineingeworfen, so erscheint es natürlich, daß sie, die eben noch in Menschenhände gefangen waren, lebhaft umherspringen, um sich ihrer Freiheit bewußt zu werden und vor der Wiedergefangenschaft sich zu retten. Doppelt mögen sie nun zu diesem eifrigen Hüpfen und Springen veranlaßt werden, wenn sie die neue, viel größere Gefahr erkennen; denn jetzt sind sie aus dem Regen unter die Traufe gekommen, es handelt sich nicht mehr blos um Gefangenschaft, sondern um Leben und Sterben. Und doch beschleunigt gerade dieses Springen ihren Tod.

Wir haben nicht ein einziges Mal gesehen, daß eine Schlange einen sich ruhig verhaltenden Frosch angegriffen halte, vielmehr lauert sie auf eine Bewegung von seiner Seite.

Sobald er nun hüpft, fährt sie ihm wie ein Blitz nach, fängt ihn gewöhnlich in der Luft und zieht ihn zu sich herab. Gerade die kleinern Frösche springen am muntersten und lebhaftesten umher, vielleicht wegen ihrer größern Jugend und Unerfahrenheit. Und so kommt es denn, daß sie zuerst einigen hungrigen Schlangen zur Beute werden müssen. Die andern, die sich von ihrem Schrecken schneller erholt, und auch wohl mehr Erfahrung haben, kommen besser weg. Ja, es ist merkwürdig zu sehen, wie die Frösche mitten auf dem großen Knäuel ihrer Feinde sitzen, oft Kopf an Kopf mit denselben; bisweilen liegen mehrere Schlangenköpfe dicht neben einander und ihnen gegenüber, so daß sie sich mit den Nasen berühren können, läßt sich ganz gemüthlich ein Frosch nieder, als ob er mitten unter seinen besten Freunden fern von jeder Gefahr sich befinde. Und wirklich ist er sogar in dieser Position, so lange er still sitzt, keiner Gefahr ausgesetzt, will er aber wieder einmal einen Sprung versuchen, so hat ihn auch schon eine von den vielen tückisch lauernden Schlangen gepackt.

Nur ein Mal hatten wir zu beobachten Gelegenheit, wie eine Natter einen kleinen Frosch in der Seite gefaßt hatte, und ihn ohne weitere Umstände und besondere Schwierigkeiten in dieser Querlage verzehrte. Gewöhnlich aber haschen sie ihren Fraß am Kopf oder an einem Beine. Im letzteren Falle beginnt eine Art Kampf, der freilich nur von der einen Seite ein Vernichtungskampf, von der andern mehr ein Rettungs und Fluchtversuch ist. Der Frosch, der also an einem Beine von der Schlange festgehalten wird, strampelt mit den andern dreien, ja mit dem ganzen Körper so gewaltig, daß die Schlange sehr fest kneipen muß, wenn er nicht entschlüpfen soll. Dies gelingt nicht selten, wenn sie in Folge des heftigen Sträubens ihrer Beute nicht hatte dazu gelangen können, einen ihrer Zähne, welche rückwärts gebogen sind, in das Fleisch des Gefangenen einzuhauen. Dann hilft freilich auch dem stärksten Frosch all sein Widerstand nichts. Konnte er seine Feindin aber daran hindern, und hält er mit seinen Kräften aus, dann sahen wir manchen gerettet davon eilen, allerdings nur, um früher oder später doch noch seinem Schicksal in einem Schlangenrachen anheim zu fallen. Hat aber, wie gesagt, die Schlange ihn erst mit einem Zahne gefaßt, dann ist dem armen Schlucker nicht mehr zu helfen, er geht unvermeidlich seinem wahrhaft grauenvollen Tode [555] entgegen. Denn in einem sehr langsamen Zeitmaße, das um so langsamer wird, je größer der Frosch ist, wird er bei lebendigem Leibe verschluckt. Jedes andere Thier, das sich von lebenden Geschöpfen nährt, tödtet seine Beute entweder auf der Stelle, oder bringt ihm solche Wunden bei, daß der Tod alsbald erfolgt; nur die Schlange verzehrt ihren Frosch, ohne ihm zuvor jene Wohlthat angedeihen zu lassen. Namentlich ist dies der Fall, wenn sie ihn bei einem Hinterbeine gefangen hält. Das würgt sie zuerst hinein, holt dann das andere nach, wodurch der arme Gefangene widerstandslos gemacht wird, und schiebt ihn nun von seinem Hintertheile an langsam in ihren Rachen, so daß er zwar gedrückt wird, und sich strecken muß, ohne aber zerdrückt und dadurch möglicher Weise getödtet zu werden. Sein Auge bleibt offen, seine Brust hebt sich in gleichmäßigem Takte, seine Vorderbeine strecken sich ganz gerade aus, wie ein paar um Hülfe flehende Menschenarme, ja er läßt ähnlich dem Hasen hin und wieder einen kläglichen Todesschrei hören.

Diese Todesqual hatte mancher wohl eine halbe Stunde auszustehen, ehe sein Kopf innerhalb des Schlangenrachens verschwand, und bis auf den letzten Augenblick sahen wir ihn regelmäßig fortathmen. Wie bald dann der Tod der Erstickung folgt, kann man äußerlich an der Schlange nicht wahrnehmen, hoffen und wünschen wir, daß er wenigstens nicht lange mehr auf sich warten läßt. Weniger lange dauert es und ist darum jedenfalls besser für das arme Opfer, wenn es von vorn gefaßt, mit dem Kopfe zuerst hinuntergewürgt wird. In jedem Falle steht so viel fest, daß dieses Verschlingen, es mag bei den Beinen oder beim Kopfe beginnen, ein höchst widerlicher Anblick ist. Zu bewundern ist die ungeheure Dehnbarkeit der Muskeln, besonders des Kopfes, der noch dazu mit seinen Knochen, so schwach sie im Ganzen sein mögen, fester gebaut ist, als der ganze übrige Körper. Mit Grausen fast, mindestens mit sehr großem Mißbehagen, sahen wir den Rachen immer weiter an Umfang zunehmen, je stärker und dicker der Frosch wurde, und nun denke man sich einen von ziemlicher Größe, der, wenn er bei einem Hinterbeine gefangen ist, als letztes Rettungsmittel sich nach Kräften aufbläst.

Manche Schlange, die vor der Mahlzeit die Stärke eines mäßigen Daumens hatte, war am Kopfe und Halse, so lange sie den Frosch darin hielt, wenigstens zweimal dicker geworden. Während dieses ganzen Aktes und nachher während der Verdauung erst recht liegt sie still und ohne jede Bewegung, außer der Weiterdehnung des Rachens, die von Zeit zu Zeit ruckweise, um mich dieses Ausdrucks zu bedienen, dann erfolgt, wenn sie wieder ein Stückchen ihres Fraßes mehr hinunterschluckt. Wenn es möglich wäre, würde sie sich selbst beim Fangen nicht bewegen, allein da muß sie, auch bei der kleinsten Beute, den Oberleib zum wenigsten ein Mal in die Höhe heben, um zuzuschnappen, dann aber geht sie in ruhiger Lage an das Verschlingen. Manchmal muß sie sich freilich heftige Bewegungen gefallen lassen, wie ein paar Beispiele zeigen werden.

Ein Frosch war eben im Begriff einen Sprung in’s Wasser zu riskiren, als ihn eine neben dem Bassin liegende Schlange bei einem Hinterschenkel gefaßt hatte. Patsch! lagen Beide im Wasser, der Frosch mit dem ganzen Leibe, die Schlange mit Kopf und einem Stück Oberkörper. Da sie nicht die Kraft besaß, jenen in die Höhe zu heben und an das Bassinufer zu tragen, so sah sie sich genöthigt, ihn heraufzuziehen. Das kostete aber viel Mühe. Der Frosch, der sich mit dem ganzen Körper und den drei freien Beinen fest an die senkrechte Uferwand andrücken konnte, leistete verzweifelten Widerstand. Wenn sie ihn auch ein Stück zu sich heraufgezogen hatte, bald mußte sie wieder dem Frosche nach unten folgen. Der Kampf dauerte wohl zwanzig Minuten, ehe sie Herrin ihrer Beute wurde, und dies konnte sie nur dadurch bewerkstelligen, daß sie während des Ringens bereits an die Mahlzeit ging. Sie verschluckte unmerklich das erfaßte Bein und als sie nun das Hintertheil anfing in den Rachen zu schieben und dadurch dem andern Hinterbein sich näherte, da verlor der Frosch seinen Stützpunkt und wahrscheinlich auch die Kraft, denn es dauerte nicht mehr lange, so lag er oben auf dem Bassinrande so weit, als sie ihn noch nicht verschluckt hatte, widerstandslos vor ihr. Dies war übrigens der einzige Frosch, dem wir so mitgespielt gesehen haben, daß ihm das Blut an den Schenkeln herunterlief.

Eine andere Schlange hatte einen Frosch am Hinterbeine gepackt, aber so schnell sie ihn auch aus der Luft zu sich herabzog, eben so geschwind war der Gefangene im Sträuben begriffen. Er ließ seiner grausamen Feindin durchaus keine Zeit, sich seiner so zu bemächtigen, daß er nimmer von ihr sich hätte befreien können. Nach einem fünf bis sieben Minuten langen Ringen hatte er den Preis davon getragen; seine Bewegungen waren so heftig und lebhaft gewesen, daß die Schlange weder mit dem Zahne ihn hatte fest anbeißen können, noch war es ihr möglich geworden, das gefangene Bein hinunterzuwürgen. Sie mußte ihm also seine Freiheit lassen. Leider konnte der arme Schlucker sich derselben nur so lange erfreuen, als ein Sprung dauert, denn ein zweiter lieferte ihn in den Rachen einer andern Schlange, die glücklicher als die erste ihn mit wahrem Heißhunger verschlang. Jene aber, obgleich sie ihr Opfer verloren hatte, lenkte unsre Aufmerksamkeit von Neuem auf sich. Ihr Gebühren nach dem Kampfe war so verschieden von dem anderer Schlangen in gleichem Falle, daß wir den Blick nicht von ihr wendeten. Man konnte nicht entscheiden, war es eine Art von Krampf, der ihren Rachen in Folge des festen Zupackens befallen hatte, oder war es Aerger, wenn nicht Wuth über den erlittenen Verlust, kurz, sie richtete sich mit ihrem Oberkörper sehr oft gerade in die Höhe Und sperrte das Maul entsetzlich weit auf. Dies war uns eine neue Erscheinung, der wir an andern Nattern in ruhigem und gewöhnlichem Zustände noch nicht begegnet waren, denn wenn sie auch sehr häufig ihre Zungen frei spielen lassen, so öffnen sie den Rachen dabei keineswegs. Und nur einmal hatten wir Gelegenheit, dieses Sperren zu beobachten, als eine Kreuzotter, bekanntlich eine giftige Schlange, an dem Kopfe so festgehalten worden war, daß sie trotz aller Anstrengung denselben nicht rühren konnte. Losgelassen gerieth sie in eine solche Wuth, daß sie sich hoch emporrichtete, den Rachen weit öffnete, ihr Verderben drohendes Zischen deutlich vernehmen ließ und mit den glühenden Augen den Feind suchte, der sicher seinen Angriff hätte büßen müssen, wäre ihr in dem wohl verwahrten Behältniß nicht die Möglichkeit genommen gewesen, Rache auszuüben.[3]

Eine dritte Schlange endlich hatte sich den Kopf nach unten, so daß der Oberkörper auf der Mitte des Felsens lag, um diesen herumgeschlungen. Zu bemerken ist, daß der Stein am Fuße so breit wie das ganze Behältniß ist und sich von da ein gleichschenkliches Dreieck bildend spitz nach der Decke erhebt. Dadurch wird der Raum zwischen demselben und dem Drahtgitter nach oben immer breiter; ein wenig unterhalb der Mitte ist er auf der Seite, wo die Schlange lag, etwa so breit als eine Hand. Hierher hatte sich ein verfolgter und durch das Bassin glücklich entkommener Frosch geflüchtet, und lange Zeit saß er von seinen bestandenen Strapatzen sich erholend unangefochten neben dem Kopfe seiner gefährlichen Gegnerin. Sein Unglücksstern ließ ihn den Vorsatz fassen, wieder vom Felsen herabzuspringen, und um dies nicht rückwärts mit einem Purzelbaume bewerkstelligen zu müssen, gab er seinem Körper die Richtung ein wenig seitwärts. Unbeweglich blieb die Natter liegen. Kaum aber halte er sich zum Sprunge erhoben, so schoß sie ihm pfeilschnell nach und packte ihn gerade zwischen den Hinterschenkeln. Sofort ließ das unglückliche Schlachtopfer, das jedenfalls sehr fest und derb gebissen worden war, seinen kläglichen Noth- und Todesschrei weithin vernehmen. Zugleich aber ergriff er Rettungsmaßregeln, bei denen ihn in dem Falle, daß er leichter gefaßt gewesen wäre, das Terrain wesentlich unterstützt haben würde. Er konnte sich nämlich mit den beiden rechten Beinen am Drahtgitter und mit den beiden linken am Steine festklammern, und das that er mit solchem Erfolg, daß die Schlange alle ihre Kräfte vergebens aufbot, ihn aus dieser Stellung herauszureißen, denn ihre Bewegungen während [556] des Kampfes waren so heftig, daß sie nicht, wie andere, ihn zu sich zu ziehen trachtete, sondern mit Gewalt und sichtbarer Kraftanstrengung ihn wegzureißen versuchte.

Nach langem und vergeblichem Abmühen ließ sie endlich, der Ruhe und Erholung wohl sehr bedürfend, in ihren Gewaltmaßregeln nach, ihr Opfer trotzdem nicht weniger festhaltend. Dieses, die eingetretene Pause bemerkend, wollte sich dieselbe dadurch zu Nutze machen, daß es ein Bein nach dem andern weiter unten aufsetzte, um in dem engern Zwischenraume bei erneuertem Widerstande mehr Unterstützung zu haben. Hätte ihm die Schlange dazu Zeit gelassen, so würde es ihm wohl gelungen sein, wenn auch nicht sich zu befreien, denn das war ein Ding der Unmöglichkeit, so doch den Kampf mit weniger Anstrengung und Verlust seiner Kräfte fortzusetzen. Allein nur einige Augenblicke waren für die Natter hinreichend gewesen, um die alte Arbeit mit neuer Heftigkeit in Angriff nehmen zu können. So dauerte die gräßliche Scene mit wenigen, ganz kurzen Unterbrechungen über eine halbe Stunde. Da gingen dem Frosch sichtlich die Kräfte aus und die Schlange hatte ziemlich gewonnenes Spiel. Trotzdem behandelte sie ihn nicht als einen widerstandsunfähigen Gegner, und mit Recht, denn so lange er die beiden Hinterbeine noch frei fühlte, stemmte er sich; sie wußte aber den Rest seiner Kräfte in so fern richtig zu würdigen, als sie den eingetretenen Zeitpunkt für den richtigen hielt, an den Beginn der schwer errungenen Mahlzeit zu denken. Ohne die beiderseitige Stellung zu verändern würgte sie, den Hintern des Frosches festhaltend, erst das eine Hinterbein in den Rachen, und das ging sehr langsam von statten, und dann das andere. Nachdem dies geschehen war, trat eine Pause ein; wahrscheinlich mußte sie, um ihr Schlingen fortsetzen zu können, sich selbst erst von dem fest gepackten Hintertheil losmachen. Als dies nach geraumer Zeit in’s Werk gesetzt war und sie wieder zu schlingen anfing, überließen wir den Frosch seinem Schicksale.

Zum Schluß wollen wir noch einer komischen Anekdote Erwähnung thun. – Man hatte an zwei Fütterungstagen den Schlangen unter einer Anzahl anderer Frösche einen besonders großen vorgeworfen. Durch wohl angebrachte Sprünge, langsames, eine gewisse Ueberlegung verrathendes Davonkriechen, vielleicht auch weil er nur für wenige seiner tückischen Verfolgerinnen wegen seiner Korpulenz ein genießbarer Bissen sein mochte, war er glücklich entwischt. In Folge dessen hatte er das Interesse der Besucher und Zuschauer in hohem Grade auf sich gezogen, ja der Humor des Publikums belegte ihn mit einem besondern Namen und nannte ihn „Pietsch.“ Bei der nächsten Fütterung ward wiederum als Hauptleckerbissen der gewichtige Herr Pietsch aufgetischt. Lange machte der alte Bursche eine Menge sehr großer und gut berechneter Kreuz- und Quersprünge, vergebens schnappten lauernde Reptilien nach seinen Keulen, sie konnten seiner nicht habhaft werden. Da plötzlich ertönt’s: Pietsch ist gefangen. Und so war’s. Sein letztes Stündlein hat geschlagen, wenn er sich nicht wieder befreien kann. Aber trotz seines gewaltigen Strampelns mit Armen und Beinen wollte ihm das nicht gelingen, der tapfere Held mußte sich nach langer, verzweifelter Gegenwehr gefangen geben und endlich an sein Ende glauben.

Ob er zuvor sein Testament gemacht, ich weiß es nicht. So viel aber weiß ich, daß an diesem Tage in der Stadt vielfach, wenn Bekannte sich trafen, die Frage gehört wurde: Weißt Du’s schon? – Was denn? – Sie haben Pietschen.




  1. Wer zu seiner Unterhaltung oder noch besser, zur Beobachtung und Belehrung ein Ophiantrum anlegen will, kann es ohne große Mühe. Besonders auf dem Lande oder in einem Garten lassen sich dergleichen Grotten sehr gut anlegen. Es genügt ein überdecktes, enggeflochtenes Eisengitter in Form einen länglichen Zeltes oder Miniatur-Glaspalastes, wie unsere Abbildung darstellt, in dessen innern Raum im kleinen Maaßstab Bäume, Felsen malerisch gruppirt angebracht sind, so groß, daß die Schlangen Platz zu freien Bewegungen finden, ohne daß sie, wie in dem Kranitzky’schen Ophiantrum, im Knäuel übereinander liegen. Die schönen Windungen der Schlangen geben ein reizendes Schauspiel ab, das man Stunden lang beobachten kann. Des Monats einmal gibt man den Schlangen Frösche zur Speise, im Winter verfallen sie, wenn sie einigermaßen in gelinder Temperatur gehalten werden, in Erstarrung, brauchen also während dieser Zeit gar keine Pflege. Wer kein Bassin zum Baden und Schwimmen anbringen kann, mag nur von Zeit zu Zeit ein Gefäß mit frischem Wasser hinsetzen, damit sie saufen können.
  2. Man unterscheidet diese durchaus unschädlichen Ringelnattern von den giftigen Kreuzottern dadurch, daß jene hinter dem Kopfe an beiden Seiten gelbe oder weißlichgelbe, halbmondförmige Flecke haben, welche hinten mit einem schwarzen Rande umgeben sind; diese nicht hell gefleckt sind, sondern vom Kopfe an dunkle Striche über den ganzen Rücken bis zum Schwänze hin haben, welche nach Art des Blitzes von einer Seite des Körpers nach der andern zackig hinlaufen und an deren Ende jedesmal ein kleiner schwarzer Punkt sich befindet.
  3. Ueber die diesen Thieren inwohnende Tücke und Bosheit, jedenfalls wegen der geraubten Freiheit, machte uns der freundliche Wirth folgende Mittheilungen. Die Kreuzottern seien in der Gefangenschaft nicht durchzubringen, weil sie lieber aus Hunger sterben, als daß sie die ihnen gebotene Nahrung annehmen. Zwei alte Mäuse mit ihrer zahlreichen Nachkommenschaft seien, in den Schlangenkasten gesetzt, zwar von ihnen ganz leicht gebissen worden, worauf sofort der Tod erfolgt wäre, aber keine von den Schlangen habe Miene gemacht, auch nur eins der getödteten Thiere zu verschlingen. Sie seien später selbst gestorben und andere, die er sich habe bringen lassen, hätten bis jetzt eben so wenig Nahrung zu sich genommen und wollten wahrscheinlich auch dem Hungertode erliegen.