Ein Besuch bei dem persischen Hofe

Textdaten
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Autor: James Edward Alexander
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Titel: Ein Besuch bei dem persischen Hofe
Untertitel:
aus: Das Ausland, Nr. 8–9, S. 29–30, 33–34
Herausgeber: Eberhard L. Schuhkrafft
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1828
Verlag: Cotta
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Erscheinungsort: München
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft: Travels from India to England by the Lieutenant Alexandre, Esq. London, 1827.
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Ein Besuch bei dem persischen Hofe.

Bei der immer steigenden Wichtigkeit, welche in der neuesten Zeit die politischen Verhältnisse Persiens auch für Europa erhalten haben, glauben wir unsern Lesern einen nicht uninteressanten Beitrag zur Kenntniß und richtigen Beurtheilung derselben zu liefern, indem wir aus einer kürzlich in London erschienenen Reisebeschreibung[1] folgende Schilderung des persischen Hofes und seiner nächsten Umgebungen entlehnen.

In dem Fort Ardebeel, in dessen Nähe der Schah seit Ausbruch des Krieges sein Hoflager aufgeschlagen hatte, fanden wir sechszehn russische Offiziere, welche mit etwa tausend Gemeinen in dem Fort und dessen Umgebungen als Kriegsgefangene aufbewahrt wurden. Den Offizieren war eine sehr bequeme Wohnung angewiesen, nach Landesart von einem kleinen Hofe umgeben. Es befand sich unter denselben ein Oberstlieutenant, ein Major, zwölf Infanterie- und zwei Kosacken-Offiziere. Zwei dieser Militairs waren verwundet: der eine durch einen Pistolenschuß des wilden Sirdars (Kommandanten) von Erivan, den dieser auf ihn abgefeuert hatte, als er ihm vorgeführt wurde. Wir befragten den gefangenen Oberstlieutenant Mizemowsky über das Treffen bei Kunjeruck, dessen die russischen Kriegsberichte nicht erwähnten, und in welchem der Oberstlieutenant, an der Spitze eines Corps von 1200 Mann mit 4 Stücken Geschütz, von dem Prinzen Abbas Mirza aufs Haupt geschlagen wurde. Er antwortete uns, er habe sich neun Stunden ununterbrochen in brennender Sonnenhitze, auf einem Terrain, wo nicht ein Tropfen Wasser zu bekommen war, gegen eine unverhältnißmäßige Ueberlegenheit vertheidigt. Nachdem aber von seinem Corps bereits 400 Mann gefallen, die Kanonen demontirt, ein Pulverwagen in die Luft geflogen, die übrige Munition verschossen, und seine Soldaten von Ermattung und Durst fast aufgerieben waren, habe er sich gezwungen gesehen, die Waffen niederzulegen. Der in Diensten des Prinzen befindliche englische Sergent Dawson war es, der die russischen Kanonen demontirt und den Pulverwagen in die Luft gesprengt hatte.

Ein russischer Offizier, der gleich beim Anfange des Kriegs in Gefangenschaft gerieth, hatte die mahommedanische Religion angenommen, und den Namen Abdallah Khan erhalten. Seitdem versuchte man häufig auch die übrigen Gefangenen zu demselben Schritte zu bewegen, doch wurden von ihnen stets alle Vorschläge dieser Art mit Unwillen zurückgewiesen.

Wir wurden zu einem Feste bei Secunder-Khan, dem Gouverneur der Stadt und Provinz Ardebeel, geladen. Etwa anderthalb Stunden von diesem Platze hatte man furchtbare Denkmäler orientalischer Barbarei errichtet. Auf einem in der Mitte der Ebene befindlichen kleinen Hügel befanden sich fünf Kellah-i-minar, d. h. Pyramiden von Menschenköpfen. In einem von Backsteinen aufgeführten Mauerwerk hatte man eine große Anzahl von Nischen angebracht, in welchen gegen tausend Köpfe erschlagener Russen aufgestellt waren. In den Mund einzelner dieser Köpfe hatte man zum Hohn eine Pfeife gesteckt. Der fürchterliche Gebrauch, solche über allen Ausdruck Schauder und Eckel erregende Pyramiden zu errichten, ist in Persien seit undenklichen Zeiten eingeführt. –

Endlich gelangten wir zu dem Hoflager des Königs selbst. Unter den Großen im Gefolge des Fürsten bemerkten wir sogleich Mirza-Abul-Hussein-Chan,[2][WS 1] jenen bekannten orientalischen Diplomaten, dessen Erscheinen an den Höfen Europas vor mehreren Jahren so großes Aufsehen erregt hatte. So oft wir ihn sahen, bemächtigte er sich der Unterhaltung mit der ihm eigenen betäubenden Wortfluth, indem er halb englisch, halb persisch sprach, und stets über seine eigenen Späße aus vollem Halse lachte. In unaufhörlichen Schmähungen ergoß er sich über die Russen. „Ach,“ rief er aus, „wie viel Asche ist auf mein Haupt gefallen, seitdem ich mit diesen raubgierigen, treulosen Barbaren unterhandelt habe!“ Dann machte er die gehässigsten, abgeschmacktesten Vergleichungen zwischen ihrer letzten Gesandtschaft und der unsrigen. „Seine Durchlaucht“, sagte er, „der Fürst Menzikoff, hatte weder Zelte, noch Pferde, noch Maulthiere, noch Bedeckung; der König, unser Herr, hatte die [30] Gnade ihm Zelte zukommen zu lassen. Er war fast ohne Gepäck angekommen, blos mit den Chapparis, den Postpferden des Landes. Uebrigens war es ein sehr gewandter, höchst verständiger Mann, ein wahrer Gentleman in seinem Benehmen. Es war nicht seine, sondern seiner Regierung Schuld, daß er so schlecht zu seiner Gesandschaft ausgerüstet worden.“ Nachdem er seinem Unwillen gegen die Russen freien Lauf gelassen hatte, gefiel er sich darin, Anekdoten aus seinem eigenen Leben zu erzählen. Bekanntlich hatten in London die Damen es sich sehr angelegen seyn lassen, ihm Besuche abzustatten. Eines Tages kam eine Lady in Begleitung eines sehr schönen Kammermädchens, um ihn zu sehen. Mirza, der ihr die größte Aufmerksamkeit bezeugte, konnte sich doch nicht enthalten, hinter ihrem Rücken auch der reizenden Begleiterin den Hof zu machen. Unglücklicherweise gewahrte es die Dame, ergriff in höchster Wuth den Fliegenwedel, zerschlug das Glas- und Porzellanwerk des Zimmers, das sie endlich, den Perser mit Schimpfworten überhäufend, verließ.

[33] Alle Anekdoten, die Mirza uns erzählte, begannen mit den Worten: „Ich will euch zeigen, was für ein lustiger Kauz ich bin;“ und schlossen mit der Versicherung: „Auf Ehre; das alles ist die reinste Wahrheit.“ Abul-Hussein-Khan bekleidet den Posten eines Mukary-i-Dowlah (Minister der auswärtigen Angelegenheiten). Die ostindische Kompagnie zahlt ihm eine Pension von 1500 Rupien monatlich, d. h. ungefähr 30000 Gulden Rhein. jährlich. Trotz dem war er unverschämt genug, uns zu sagen, daß diese Summe nicht einmal zur Unterhaltung seiner Hunde hinreiche. Eines Tags sah er die Frau des [34] englischen Gesandten ausreiten, und beschrieb dem Schah bei dieser Gelegenheit, wie die europäischen Frauen im Sattel sitzen. Der Monarch wollte es nicht glauben, daß man sich auf diese Weise auf dem Pferde halten könne, ließ den englischen Sattel holen, und der arme Mirza mußte, trotz seiner Wohlbeleibtheit, seinem Herrn zeigen, auf welche Art die englischen Damen zu Pferde sitzen. Später kam der erste Eunuche der Königin, Aga Mubarik, um die Gemahlin des Gesandten zu Ihrer Majestät Tay-i-Dowlah (die Krone des Landes) einzuladen. Der Eunuche war ein Nubier, eine kleine, unansehnliche Gestalt. Seine großen Lippen verdankte er, wie er sagte, dem Hufschlage eines Pferdes.

Als der Schah dem Gesandten Audienz ertheilte, sagte er ihm, daß er ihn sehnlichst erwartet habe, daß sein Posten schon zu lange unbesetzt gewesen sey. Auf einige von dem Gesandten vorgebrachte Entschuldigungen, erwiederte der Schah: „Vielleicht ist es indessen gut, daß Ihr nicht früher gekommen seyd; leicht hättet ihr mit den Russen in Unfrieden gerathen können; aber (fügte er hinzu) ich habe ihnen in den Bart gespieen.“ Dann stellte er eine Vergleichung zwischen der russischen und englischen Nation an, die eben nicht zum Vortheil der ersteren ausfiel, und als der Gesandte ihm zu den glänzenden Erfolgen seiner Truppen Glück wünschte, rief er aus: „Ja, wie können diese Hunde es nur wagen, mit den Kizil Baschais (den goldenen Häuptern, wie die Perser sich selbst nennen) sich zu messen!“ Dann rief auch Abul-Hussein-Khan, der schon lange den Augenblick erwartet hatte, sich in das Gespräch zu mischen: „Wunderbar! o bewundernswerth! Es ist nur Ein Gott, und Gott sey gelobt! schon hat die siegreiche Armee des Schahs die Russen aus Georgien vertrieben; und Ihr (indem er sich gegen den Gesandten wandte) seht, Euer Antlitz ist erhellt, Euer Glanz hat sich noch erhöht durch die Gnade, deren der Herr, unser Schah, Euch gewürdigt hat.“ Der Gesandte antwortete hierauf blos mit dem persischen Spruche: Gelobt sey Gott!“ Dann nahm der Schah Kaffee und rauchte in einem mit Diamanten bedeckten Calnun,[3] den ein Khan ihm darreichte, worauf wir uns beurlaubten.

Der Schah ist vielleicht der redlichste Mann seines Reiches, man kann ihm außer der bei den orientalischen Nationen allgemeinen Geldgier wenig zum Vorwurfe machen. Er ist sehr geliebt von seinen Unterthanen; seine Regierung ist mild, und nur große Vergehen werden mit Strenge bestraft. In den jetzigen Krieg ward er gegen seinen Willen gezogen, durch den Mustae oder obersten Priester und durch die fanatischen Sektirer, die unaufhörlich den Thron umlagerten, und im Namen Allahs um Hülfe für die Gläubigen riefen, die unter Rußlands Joche seufzen. Im Geheimen aber soll er sehr das Ende der Feindseligkeiten wünschen, um in die Ruhe seines Palastes von Teheran zurückkehren zu können.

Nach alter Sitte müssen die Edlen des Hofes dem Könige bei jedem glücklichen Ereignisse ein Geschenk darbringen. Diesem Gebrauch weiß der gegenwärtige Schah eine große Ausdehnung zu geben. Er liebt besonders die Jagd, und ist ein trefflicher Schütze. So wie nun ein Stück Wild von seiner Hand fällt, ruft er aus: „Wahrlich trefflich getroffen!“ Dann setzt er, die Hand auf den Rücken haltend, hinzu: „Mein Geschenk, wenn’s gefällig ist.“ Dieß möchte noch hingehen: aber man erzählt, daß Se. Majestät auch, wenn sie gefehlt haben, die Hand ausstrecken, um sich über ihren Unstern zu trösten. Der Schah spielt fast jeden Tag Schach, und gewinnt beinahe immer. Einmal aber blieb er einem Khan, der die Gegenpartie spielte, eine beträchtliche Summe schuldig. Nach langer Zeit wagte es dieser ihn daran zu erinnern. „Ach, nichts ist wahrer, als dieß,“ antwortete der König lachend, „hier sind meine Fußsohlen,[4] schlagt darauf so lange ihr wollt; ihr wißt, daß ich von meinem Gelde mich nicht trennen kann.“ Wenn seine Frauen oder Kinder spielen, so wird stets das „Panier des Königs“ unter ihnen aufgepflanzt, wobei dann die Gewinnenden zehn Prozente von ihrem Gewinn niederlegen müßen.

Die Favoritsultanin des Schahs, Tay-i-Dowlah war Tänzerin in Ispahan gewesen. Seit dreizehn Jahren beherrschte sie den Harem als Souverainin. Ihre Sanftmuth und ihr freundliches Benehmen gegen die übrigen Frauen des Schah’s hat ihr, gegen die Gewohnheit des Harems, alle Herzen gewonnen. Auch die russischen Gefangenen erhielten mehr als eine Veranlassung sie zu ehren, da dieselbe sie mit allen Bedürfnissen des Lebens im Ueberfluß versah.

In dem Harem des Schahs befinden sich gegen tausend Frauen, und er ist Vater von etwa hundert Kindern. Jene Damen sind meistens sehr strenge gegen ihre Sklaven, und legen ihnen oft aus Muthwillen und Langweile die sonderbarsten Strafen auf. Außer den gewöhnlichen körperlichen Züchtigungen lassen sie sie bisweilen das Wasser aus den Calnun’s, in welchen sie geraucht haben, austrinken, lassen ihnen das Haupt scheeren, oder sie durch besonders abgerichtete Katzen kratzen, oder schlagen sie mit ihren Pantoffeln bis aufs Blut.

Die Frau des der Gesandschaft beigegebenen Doctor Macnail ward eines Tags in das Innere des Zenanah (der Aufenthalt der Kinder des Schahs) zugelassen, und sah dort einen jungen Prinzen von ungefähr zehn Jahren, welcher, ein Tuch über die Augen gebunden, im Zimmer herumtappte. Auf die Frage, was er mache? antwortete er trocken: „Da ich weiß, daß wenn mein Vater, der Schah, stirbt, mir die Augen ausgestochen werden, so gewöhne ich mich daran, im Dunkeln zu gehen.


  1. Travels from India to England by the Lieutenant Alexandre, Esq. London, 1827. 8.
  2. Im Jahre 1816 Gesandter Persiens an den Höfen von London, Paris, Wien und St. Petersburg; deutschen Lesern auch durch Göthe westöstlichen Divan bekannt.
  3. So heißt das mit Wasser gefüllte Gefäß, in welches der Perser zur Abkühlung des Rauches seine lange Pfeife steckt.
  4. Insolvente Schuldner bekommen nämlich die Bastonade auf die Fußsohlen.

Anmerkungen (Wikisource)