Ein Adjutant „Vater Jahn’s“

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Titel: Ein Adjutant „Vater Jahn’s“
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 45, S. 756
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1881
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Blätter und Blüthen
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[756] Ein Adjutant „Vater Jahn’s“. Mehr und mehr erlischt in unserem Volke die lebendige Kenntniß der langen geschichtlichen Epoche, die mit den Freiheitskriegen begann und in den blutigen Wirren der Revolutionsjahre von 1848 ihren Abschluß fand. Was die Alten damals erlebt, was sich ihre Söhne noch als mündliche Ueberlieferung mit hochschlagenden Herzen erzählten, das ist für das jüngere Geschlecht bereits zu einer todten Tradition aus längst begrabener Zeit geworden, deren Leben und Weben nur noch in Geschichtsbüchern zum ermunternden oder warnenden Beispiel für die Nation sorgsam aufbewahrt wird. Aber der Haß der Parteien, welcher damals wüthete, hat sich im Großen und Ganzen auf uns vererbt und die geschichtlichen Darstellungen der Restaurationsepoche tragen nur allzu oft unverkenntbare Spuren einer ungerechten Parteilichkeit. Die Art, in welcher dieser Theil der nationalen Geschichte heute auf unsern Schulen vorgetragen wird, trägt ebenfalls viel bei zur Verdunkelung des wahren Thatbestandes der damaligen Ereignisse.

Um so freudiger ist daher das Erscheinen des trefflichen Werkes: „Dr. Chr. Eduard L. Dürre. Aufzeichnungen, Tagebücher und Briefe aus einem deutschen Turner- und Lehrerleben, Leipzig, 1881“ zu begrüßen, in welchem die Erinnerungen eines Mannes niedergelegt sind, welcher, in seiner Jugend an der patriotischen Bewegung betheiligt, wegen dieses Patriotismus später in der Wahl seines Berufes durch Vergewaltigung gehindert wurde und, wiewohl er von seinen Gegnern selbst in das Ausland vertrieben war, dennoch ein klares, objectives Urtheil über die damaligen politischen Gestaltungen sich zu bewahren wußte. Christian Eduard Leopold Dürre, ein Schüler und Adjutant Jahn’s, hat an der Gründung der ersten deutschen Turnvereine rüstig mitgearbeitet und als Lützower geholfen, den fränkischen Feind über die Grenze zu jagen. Er wurde auch später der geistige Urheber der Wartburgfeier.

Die Reaction der damaligen Zeit trug es aber bekanntlich den jungen Männern nach, daß sie auf der Wartburg mit Begeisterung gesungen:

„Freiheit, Ehre, Vaterland
Ist ein felsenfester Stand –“

und so kam es auch, daß die Regierung dem angehenden Lehrer nicht nur die Stipendien versagte, sondern ihm auch den Eintritt in das Lehrerseminar zu Breslau ausdrücklich verbot und ihn außerdem, der Methode der Demagogenverfolgung entsprechend, in einen langwierigen Untersuchungsproceß verwickelte. Aber es ist nicht unsere Aufgabe, hier ausführlich den Lebenslauf Dürre’s mitzutheilen und auf seine schriftstellerische und journalistische Thätigkeit näher einzugehen, wir wollen hiermit nur auf das oben erwähnte Buch hinweisen, in welchem der Leser nicht allein ein treues Bild eines Lehrerlebens aus längst vergangener Zeit, sondern auch wichtige Aufschlüsse über die Entstehung des deutschen Turnwesens, sowie interessante neue Mittheilungen über die persönlichen Verhältnisse hervorragender Männer, wie Jahn’s, Maßmann’s, Raumer’s etc., finden wird. Das Buch besteht zum Theil aus einer Selbstbiographie Dürre’s, zum Theil aus Ergänzungen und Nachträgen, welche der Herausgeber desselben, Dürre’s Sohn, dem Nachlasse seines Vaters entnommen. Wir empfehlen das Werk vor Allem den Bibliotheken der Turn-, Lehrer- und Volksbildungsvereine, welche unter Anderem auch die Aufgabe haben, unser Volk über die verdienstvollen Freiheitsbestrebungen der ersten Liberalen Deutschlands aufzuklären. Wir empfehlen es aber auch auf das Wärmste Jedem, der für diesen Theil unserer Geschichte sich interessirt und in den Geist derselben tiefer eindringen möchte.