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Titel: Ein Abendsegen
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aus: Die Gartenlaube, Heft 42, S. 708
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1870
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[708] Ein Abendsegen. „Nach dem großen Kampf und Triumph von Sedan,“ schreibt uns ein thüringischer Officier, „trat das vierte Armeecorps seinen Marsch nach Paris wieder an und kam zur ersten Nachtruhe in Angecourt. Unser Bataillon vom thüringischen Infanterieregiment Nr. 96 schlug sein Quartier in der Kirche auf. Die Mannschaft lagerte im Schiffe, wir Officiere in der Sacristei. Die todtmüden Krieger streckten sich zum Schlummer aus, schon als die Abenddämmerung die hohen Kirchenfenster umschleierte. Nur einzelnes Flüstern belebte noch hier und da den heiligen Raum. Die Weihe der Dämmerung ergriff die Herzen und lenkte die Sehnsucht zu den Lieben und zur Heimath. Und doch verscheuchte die Erinnerung an den blutigen Sieg, die Wehmuth über die gefallenen und verwundeten Cameraden und wieder das stolze Bewußtsein, zum Heil und Ruhm des Vaterlandes mitgefochten zu haben, uns den Schlaf aus den Augen, wir Alle hatten das Gefühl, daß uns noch etwas zum Schluß des Tages fehle.

Da erklang in die Stille der Dämmerung erst leise, dann immer kräftiger anschwellend auf der Orgel die Melodie des Liedes ‚Nun danket Alle Gott!‘ Wie aus einer Brust stimmten Alle, Officiere und Soldaten, in den heiligen Gesang ein. Und als das Spiel zu Ende war, trat der Orgelspieler hervor und hielt uns eine kurze, aber zu Herzen gehende Ansprache, die er mit einem Hoch auf das große einige Vaterland schloß. Und abermals zur Orgel sich wendend, stimmte er zum Schluß das alte protestantische Lied an: ‚Ein’ feste Burg ist unser Gott!‘ Allen, Allen war nun wohl im Gemüth, Alle dankten dem braven Sänger und Redner. Und wer war er? Ein thüringischer Schullehrer, der als Gemeiner in der elften Compagnie steht. Ihm dankte ein ganzes Bataillon diesen herrlichen Abendsegen.“