Ein Abend an der Themse 1856
Es war im Mai, doch keiner Blume Duft
Drang durch die offnen Fenster uns entgegen;
Herein nur zog die feuchte Meeresluft –
Fluthwelle war’s, bewegt von Ruderschlägen,
Wir sah’n im Mondenschein die Furchen ziehen;
Es war ein schöner Abend im Exil,
Wie den Verbannten viele nicht verliehen.
Drei Freunde saßen wir am Themsestrand,
Verbannte Alle, fern vom Heimathland,
Das stumm in seinem Leid sich mußte härmen,
Das tief gebeugt, wehrlos zu Füßen lag
Dem rohen Sieger mit den Bajonnetten;
Die Zeit des Unmuths und die Zeit der Ketten.
Hub an der Eine aus Westfalens Gau’n
– Sie haben jüngst am Neckar ihn begraben –
Mein Ferdinand: „Nie sink’ uns das Vertrau’n!
Und sprach zu mir: „Du kamst zur rechten Zeit –
Dein Wort rief wieder wach mein altes Lieben.
Du gehst zurück zur neuen Heimath heut;
Amerikaner, grüß die Freunde drüben!“
Das mythisch einst noch unserm Humboldt däuchte,
Das Du geschaut, der Freiheit Missionär,
Das Du verglichst mit einer hellen Leuchte
In dunkler Nacht – ob sie auch einsam steht,
Ich seh’ Dich noch, begeisterter Prophet.
Du sprachst, als ständest Du auf der Tribüne.
Wir saßen lange, lange jene Nacht.
Dann kam der Abschied, denn mein Schiff lag fertig;
Wie ist mir Alles noch im Geist gewärtig!
Wie anders kam es, als wir da geglaubt!
Zur Heimath lenktet spät Ihr Eure Schritte;
Sie wand den Lorbeer Euch um’s graue Haupt –
Er liegt jetzt längst versunken in der Zeit,
Der schöne Abend – einsam wird’s und stille
Auch um mich her; der Weg ist nicht mehr weit,
Doch stark noch blieb der Glaube und der Wille.
Und strahlen auch in Deutschland hell’re Flammen,
Bedenk’, das Oel fließt uns gar sparsam sehr,
Doch nimmer ganz bricht unser Docht zusammen.
Die Reihen lichten sich mit jedem Jahr,
Die ausschmückt einst die Zukunft, wie: „es war
Einmal ein großer Kampf fern über’m Meere,
In Deutschland war’s, in unsrer Väter Zeit“ –
So wird die deutsche Jugend hier einst sprechen,
Auch wenn des letzten Flüchtlings Augen brechen.
Nicht lockt die Freiheit jetzt sie über’s Meer,
Sie folgen eines andern Leitsterns Blinken,
Doch was wir aufgebaut, oft thränenschwer
Wir sind im Werden noch, vom Ziel noch weit;
Noch muß sich Manches klären und gestalten;
Der deutsche Geist wirkt nicht mehr dienend heut’;
Er zählt zu den bestimmenden Gewalten.
Nach zwanzig Jahren sollst Du Antwort haben;
Nicht mythisch sind wir mehr für Euch, so sagt
Euch jeder Dampfer mit der Ceres Gaben.
Dem deutschen Geiste treu am fernen Strand.
Sei Du Vermittler, Freund, im deutschen Land,
Deß Namen beide Länder ehrend nennen!
Chigaco, August 1877.