Duell mit einem Vollblut-Bulldog

Textdaten
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Titel: Duell mit einem Vollblut-Bulldog
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 21, S. 296
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1857
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originaltitel:
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[296] Duell mit einem Vollblut-Bulldogg. Der Vollblut-Bulldogg ist das brutalste und stupideste Thier unter allen Vierfüßlern. Seine zusammengepreßte Stirn, die schweren, herabhängenden Unterkiefern, die blutunterlaufenen Augen, die allein stark ausgebildeten Freß- und Beißwerkzeuge, das alles vereinigt sich zum Ausdruck wüthender, grausamer Brutalität, deren sich die Spanier gegen die Eingebornen Amerika’s bedienten, welche die Negereinfänger in den republikanischen Staaten Amerika’s noch allein cultiviren und nach Stunden, Tagen und Zahl der Thiere dem Sclavenbesitzer, der ihre Dienste miethet, berechnen. Der Vollblut-Bulldogg ist im Uebrigen selten geworden. Sein Hauptgeschäft beschränkt sich sehr auf Dienste „zur Aufrechterhaltung der Republik“ in Amerika, dessen ganzer Süden — d. h. der herrschende Theil — in Zeitungen, Broschüren und von den Kanzeln das neue Evangelium predigt, daß die Republiken nur durch Aufrechterhaltung der Sclaverei und Ausdehnung derselben auf arme Weiße zu halten seien. Der echte Bulldogg ist auch gezähmt keines Menschen Freund und selbst der gütige Herr kann sich nicht auf seine Unterwürfigkeit verlassen. Die grausame Wuth des Bulldoggs ist so blödsinnig und rücksichtslos, daß er zuweilen Alles angreift und zerreißt, was ihm in den Weg kommt. Nur einige Sonderlinge und Kraftmenschen in Amerika halten sich diese Bestie noch echt, aber dann blos an den stärksten Ketten.

So brachte auch unlängst ein englischer Capitain ein echtes Exemplar mit in den Hafen einer amerikanischen Stadt auf der Californienseite drüben, ein so grausames Ungeheuer, daß er Stunden lang von dessen Heldenthaten erzählen konnte, während die Gäste auf seinem Schiffe in ehrerbietiger Entfernung auf den Rasenden starrten, der sich stets beinahe den ganzen Tag in höchster Wuth an seiner riesigen Kette zu ersticken suchte, um loszukommen und sich auf Jeden zu stürzen, der ihm in die Augen fiel. Unter den Neu- und Schauergierigen war auch ein Indianer, seines Gewerbes ein Kunstschütze, der davon lebte, daß er mit Pfeil und Bogen ein hundert Schritt weit ausgestecktes Stück kleinster Kupfermünze abschoß und dafür größere Kupfermünzen einbettelte. Sobald der Bulldog den Indianer in die Augen bekam, raste und wüthete er, wie noch nie, so daß mehrere Zuschauer erblassend zurückwichen. Die Bestie bäumte sich hoch in die Luft und spannte oft die schwere Kette wie eine geradlinige Eisenstange. Dabei hustete und leuchte er erstickend; die blutrothen Augen füllten sich mit dunklerer Wuth und quollen zum Kopfe heraus. Weißer Schaum stürzte aus dem Rachen und ward von den kratzenden und springenden Pfoten umhergespritzt. Der braune, magere Indianer hatte große Freude daran und reizte ihn mit gefletschten Zähnen und verdrehten Augen nach Kräften, so daß selbst der Herr des Hundes, dem diese Scene erst Spaß machte, Besorgniß fühlte, die Bestie möchte sich in ihrer Wuth verzehren oder ersticken. An ein Loskommen war nicht zu denken, da Kette und Halsband mit zwei Pferden probirt worden waren. Der Capitain sagte also dem Indianer, er möge gehen. Dieser gab seinen Spaß ungern auf und erklärte in seinem gebrochenen Englisch, daß er den Hund mit bloßen Händen und Zähnen zur Vernunft bringen wolle, falls er an der Kette bleibe. Das war etwas für den Capitain und Kraftmenschen seiner Art.

„Für fünf Dollars,“ setzte nun der Indianer hinzu.

„Gut, sollst die fünf Dollars haben.“

Das Duell ward sofort arrangirt. Der Hund wurde auf’s Land gebracht und an einen starken Pfosten gebunden. Unzählige Zuschauermassen bildeten einen Kreis, auf welche der Hund ringsum fortwährend zuwüthete. Als aber der Indianer hervorkroch, machte er einen Satz, daß er über sich selbst hinwegstürzte und lange husten mußte, ehe er wieder zu Luft und aus die Beine kam. Der Indianer kroch auf allen Vieren um ihn herum und trieb ihn so im Kreise umher. Manchmal bellte und japste er mit ihm um die Wette und hielt seinen Kopf so dicht an die schäumende Schnauze des Hundes, daß sich beide bis auf ein Haar berührten. Dann hielt er ihm seine nackten Arme hin, daß er sie mit der Zunge erreichen konnte u. s. w. Nachdem die entsetzliche Pantomime so eine Zeit lang gespielt hatte, kauerte sich der Indianer wieder dicht mit dem Kopfe vor die Zähne des wutherschöpften Thieres und faßte dann plötzlich des Hundes Unterlippe mit seinen Zähnen, riß ihn mit sich in die Höhe, schüttelte ihn wie die Katze eine Maus, ließ ihn dann fallen und ging auf ihn zu bis auf den Mittelpunkt. Der Hund heulte fürchterlich, und mit dem Schwanze zwischen den Beinen kauerte er sich zitternd an die äußerste, ihm erreichbare Grenze. Der Indianer faßte ihn an, streichelte ihn, reizte ihn, ohne daß der bestialische Held die geringste Miene machte, den Kampf wieder aufzunehmen. Er zitterte und heulte fort unter der Berührung des Siegers und gab so den dramatischsten Beleg für die Feigheit und Unbeholfenheit des bloßen physischen, thierischen Muthes gegenüber moralischer Kraft und der Strategie der Intelligenz in simpelster, indianischer Form.