Drei Uebel des menschlichen Mundes

Textdaten
<<< >>>
Autor: Carl Ernst Bock
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Drei Uebel des menschlichen Mundes
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 4, S. 39–40
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1853
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[39]

Drei Uebel des menschlichen Mundes.

Wie quälend sind doch Zahnschmerzen! wie garstig sieht es in einem Munde voll schwarzer Zähne oder Zahnlücken! wie abstoßend ist ein übelriechender Athem! Wer stimmte wohl in diesen Ausspruch nicht mit ein? Wer gab sich aber von Euch Lesern wohl Mühe, diesen drei, das Gefühl, den Gesichts- und Geruchssinn tief verletzenden Uebeln bei sich oder den Seinigen vernünftig entgegen zu treten? Und doch ist dies so leicht möglich, wenn man sich nur über das, was im Munde vorgeht, unterrichten läßt. Leider fühlen aber die wenigsten Menschen ein Bedürfniß, über die Erscheinungen in der Natur und über sich selbst solche Aufklärungen zu erhalten, die für ihr körperliches und geistiges Wohl von Nutzen sein können. Wenn sie nur das in den Schulen lernen, was ihnen Geld zum bequemen Leben, zum guten Essen und Trinken (baierischen Biere und Austern), zum L’Hombre in der Harmonie, zum Schafskopfe und Politisiren auf der Bierbank, zu Titeln und Orden und dgl. schafft. Gegen Krankheiten sind ja die Apotheken mit ihren Pulvern und Tincturen, sowie Aerzte da, und helfen die nicht, nun so werden schon Bäder oder Kaltwasserheilanstalten, Magnetiseure oder Somnambülen, Schäfer oder Hufschmiede, Lebensessenzen und andere Geheimmittel – den Rest von Gesundheit ruinieren. O, ihr leichtgläubigen Thoren! werft doch nur einige verständige Blicke in die Natur und laßt Euch nicht so auf Unkosten Eurer Gesundheit und Eures Geldbeutels von Quacksalbern an der Nase herumführen. Doch zur Sache, denn Euren unvernünftigen Glauben an übernatürliche Kräfte nimmt man Euch doch nicht.

Schneidezahn,
seiner Länge nach durchsägt.
a) Schmelz oder Email.
b) Zahnbein.
c) Zahnkitt oder Cement.
d) Zahnkanälchen.
e) Zahnhöhle.
f) Zahnkeime.

In dem gesunden Munde eines erwachsenen Menschen stehn 32 weiße, glänzende Zähne, in jedem Kiefer 16 Stück, von denen die vordersten Schneidezähne (8 Stück), die seitlichen Eckzähne (4 Stück) und die hintersten Mahl- oder Backzähne (20) heißen. Jeder Zahn hat eine Krone und diese sieht man frei im Munde, von einer email- oder glasähnlichen Masse überzogen, hervorstehn; vom Zahnfleische umgeben befindet sich darunter der Hals und in dem Kiefer steckt die Wurzel des Zahnes, wie der Nagel in der Wand (die Zähne sollen deshalb auch wie dieser nicht ausgebrochen, sondern ausgezogen werden). An der Wurzel öffnet sich ein Kanälchen, welches in eine Höhle im Innern des Zahnes führt und durch welches Blutgefäße und Nerven in den Zahn hineintreten. Die Blutgefäße ernähren den Zahn, die Nerven, welche von allen Zähnen her im Kopfe (Gehirn) zusammenkommen, geben ihm seine Empfindlichkeit. Diese 32 sogen. bleibenden Zähne sind nun aber nicht etwa dieselben, mit welchen wir in unserer Jugend, vom 2ten bis 7ten Jahre, kauten, denn diese, Milchzähne genannt und nur 20 an Zahl, weil noch 12 Backzähne (die 3 hintersten auf jeder Seite, oben und unten) fehlen, fallen vom 7ten Lebensjahre allmählig aus, und werden von den bleibenden Zähnen ersetzt. Nur manchmal bleiben einige dieser Milchzähne stehen, trotzdem daß die bleibenden alle zum Vorscheine kommen, und so hat mancher Mensch überzählige Zähne; auch brechen bisweilen noch im hohen Alter, selbst bei hundertjährigen Greisen, neue Zähne hervor. Ja von Hercules erzählt man, daß er zwei Reihen Zähne hinter einander stehend gehabt habe; Ludwig XIV. kam schon mit den untern Schneidezähnen auf die Welt und der Sohn des Prusias, König von Bithynien soll nur Einen großen Zahn statt aller übrigen im Munde gehabt haben. – Das die Krone überziehende Email (der Zahnschmelz, die Glasur), welches wie ein todter Körper ohne alle Ernährung ist und sich niemals wieder ersetzt, wenn es durch Beißen auf feste Körper oder durch schnellen Temperaturwechsel der Zähne abgesprengt wurde, bietet wegen seiner Härte den besten Schutz für das Innere des Zahnes und erlaubt auch wegen seiner Glätte kein Hängenbleiben von Speisen. Wir müssen deshalb dahin streben, diesen Schmelz nicht zu verlieren; jedoch ist er zur Erhaltung des Zahnes durchaus nicht so nöthig, als man immer glaubt. Denn es lassen sich die Zähne ohne allen Nachtheil abfeilen und bei einigen wilden Volksstämmen an der Küste von Guinea ist es üblich, sich die Zähne zuzuspitzen, oder wie bei den Eingebornen von Sumatra den ganzen Emailüberzug abzusprengen. Die übrige Substanz des Zahnes ist eine knochenähnliche und kann wie die andern Knochen des Körpers sich entzünden, knochenfraßig werden und nach einem Bruche wieder heilen. Bisweilen unterliegt auch der Zahn diesen innern Krankheiten, allein in den allermeisten Fällen wird er von außen her und zwar [40] durch Thiere und Pilze zerstört und diese Zerstörung, welche zugleich Zahnschmerz, schwarze hohle Zähne und übelriechenden Athem hervorruft, kann man sehr leicht verhüten oder doch aufhalten.

Beim Zerkauen fester Nahrungsmittel bleiben nämlich stets Speisetheilchen davon in den Lücken zwischen den Zähnen, oder zwischen den Zähnen und dem Zahnfleische oder ganz besonders in hohlen Zähnen stecken. Diese Speisereste, vorzugsweise die von Fleischspeisen, gehen nach und nach in Fäulniß über und diese faulenden Massen sind es, welche dem Athem den übeln Geruch ertheilen. Denn aus dem Magen kann dieser Geruch nicht kommen (höchstens beim Aufstoßen), weil die vom Munde zum Magen führende Speiseröhre stets geschlossen ist, und aus der Lunge entwickelt sich nur dann erst beim Ausathmen übler Geruch, wenn diese schon bedeutend zerstört ist. Die faulenden Speisereste sind nun aber nicht blos die Quelle des übelriechenden Athems, sondern sie geben auch einen sehr günstigen Boden, das Nest, für die Entwicklung kleiner, nur durch starke Vergrößerungsgläser zu entdeckender Thierchen und Pflanzen ab, deren Keime zur Zeit allerdings noch nicht entdeckt werden konnten. Viele Millionen dieser Organismen entstehen nun sehr bald zwischen den Zähnen und zerstören diese etwa ebenso, wie der Schwamm die Balken der Häuser und die Maden den Käse. Ihre Hauptnester haben sie aber in schon hohlen Zähnen und von hier aus machen sie ihre Angriffe auf die noch gesunden, zunächst natürlich auf die benachbarten und die einander zugekehrten Zähne. Auch in unrein gehaltenen Zahnbürsten wimmelt es von solchen lebenden Inwohnern, und selbst falsche Zähne werden von diesen Thierchen nicht verschont. Man wird es nun wohl auch erklärlich finden, warum das Hohl- und Schwarzwerden der Zähne vorzugsweise von solchen Stellen ausgeht, wo unsere gewöhnlichen Reinigungsmittel nicht hin gelangen, nämlich von den Seiten der Zähne und den einander zugekehrten Flächen der Kronen. – Die Zahnthierchen, welche auch den sogen. Zahnweinstein bilden helfen, zeigen sich unter dem Mikroscope als kleine rundliche und längliche, durch eine schwache Einschnürung

Zahnthierchen,
a) und b) von der Seite; c) mit der lippenförmigen Erhabenheit; d) zwei an einander geheftete; e) vier zusammenhängende und eine Faser bildende; f) zu einem Haufen vereinigte.

bohnenähnlich gestaltete Körperchen, welche sich in lebhafter kreißelnder Bewegung im Mundschleime herumtreiben. Sie besitzen in ihrer Einschnürung eine lippenartige Erhabenheit, unter welcher sich wahrscheinlich die Mundöffnung befindet, auch sind sie vielleicht mit einem Panzer versehen. Diese Thierchen hängen sich nach und nach mit ihren schmälern Enden an einander an und stellen so endlich Fasern dar. Solche Fasern setzen sich nun hauptsächlich an denjenigen Stellen der Zähne fest, wo sie dem Abstreifen am wenigsten ausgesetzt sind, namentlich an den Rändern des Zahnfleisches, welches sie auch allmählig vom Zahne abdrängen. Je länger diese Thierchen ungestört sitzen bleiben, desto stärker vermehren sie sich und desto fester vereinigen sie sich unter einander. Sie dringen endlich zwischen die Fasern der Zahnsubstanzen ein, drängen dieselben auseinander und zersprengen sie, bis sie schließlich in die Zahnhöhle gelangen, und nun den Zahnnerven bloßlegen. Dieser unbedeckte und deshalb empfindlichere Nerv wird jetzt leicht (besonders durch Kälte und Druck) gereizt und verursacht den Zahnschmerz. Da nun aber die Nerven aller Zähne mit ihren Wurzeln im Gehirn bei einander liegen und hier ein Nerv dem andern seine Reizung (seinen Schmerz) mittheilen kann (d. i. die Ueberstrahlung, Sympathie, der Reflex), so tritt gar nicht selten der Umstand ein, daß Ein hohler und schmerzender Zahn scheinbar Schmerz auch in allen andern und gesunden Zähnen hervorruft. Man hält dies gewöhnlich für Zahnreißen und will sich den hohlen Zahn durchaus nicht heraus ziehen lassen, obschon dadurch das vermeintliche Reißen sofort verschwindet.

Wie läßt sich nun aber das Hohl- und Schwarzwerden der Zähne, der Zahnschmerz und der übelriechende Athem vermeiden? Dies ist sehr leicht; man braucht ja nur das Anhäufen von Speiseresten in der Mundhöhle zu verhindern oder, da dies nicht ganz zu vermeiden ist, wenigstens den Uebergang derselben in Fäulniß zu hemmen, und faulen sie doch schon, diese Fäulniß aufzuheben. Man muß ferner der Entwickelung der Zahnthierchen und Zahnpilze in den faulenden Stoffen entgegen treten und die schon entwickelten Thierchen und Pflanzen tödten. – Welche Mittel und Wege hat man einzuschlagen, um dies Alles zu erreichen? Zuvörderst sind so wenig als möglich Winkel in der Mundhöhle zu dulden, in denen sich Speisetheilchen verbergen können. Deshalb sind unbrauchbare, besonders hohle Zahnreste auszuziehen, Höhlungen noch brauchbarer Zähne auszufüllen, zu plombiren, Lücken zwischen den Zähnen zu erweitern. Sodann müssen, wo möglich nach jedem Essen, alle Lücken und Höhlen der Zähne durch Zahnstocher und Zahnbürste von Speiseresten, vorzüglich aber von solchen die leicht faulen (also von thierischen Speisen), befreit werden. Der Fäulniß tritt man mit fäulnißwidrigen Mitteln entgegen und unter diesen sind Spiritus, Säuren und Kohle die wirksamsten. Den Tod der Zahnthierchen befördern spirituöse und saure Flüssigkeiten, sowie Cigarrenasche, Gewürze, Myrrhe. Sonach besteht das ganze Geheimniß, um einen Mund guter Zähne zu besitzen, und nicht aus dem Munde zu riechen, darin: das Faulen von Speiseresten im Munde sowie die Entwickelung von Zahnthierchen zu verhindern, und dies läßt sich durch gehöriges Reinigen der Zähne mit spirituösen aromatischen Mitteln, (mit einfachem Spiritus, oder mit kölnischem Wasser, Myrrhentinctur) mit Kohle, Glanzruß oder Cigarrenasche, durch Ausspülen des Mundes mit Essig und andern verdünnten Säuren, sehr leicht erreichen. Jedenfalls müssen aber auch die Zähne öfters einer ordentlichen Untersuchung von Seiten eines Zahnarztes unterliegen.