Drei Opfer der Eitelkeit im Innern des Menschen
Auf der Grenze zwischen Brust und Bauch, da wo beim Manne die Weste aufhört und bei der Frau der Unterrock anfängt, da lagern im Innern unseres Körpers, im obersten Theile der Bauchhöhle dicht unter dem Zwerchfelle, drei wichtige, aber oft sehr gequälte Gebilde: Magen, Leber und Milz. Sie sind es, welche bei der Unterhaltung des Lebensfeuers eine Hauptrolle spielen. So lange wir nämlich leben, finden an allen Orten und Enden unseres Körpers unausgesetzt bald stärkere, bald schwächere Verbrennungen (Organenbrände), wenn auch nicht mit Feuer und Flamme, statt. Hierbei geht es aber nicht viel anders zu, als bei einer geheizten, arbeitenden Dampfmaschine. Hier wie dort entwickelt sich zuvörderst Wärme und es kommt zu Kraftäußerungen (Thätigkeiten) der mannigfaltigsten Art; hier wie dort nutzt sich der thätige Maschinentheil ab und es bilden sich verschiedenartige Verbrennungsproducte: in der Maschine Rauch, Asche, Ruß, im menschlichen Organismus Organschlacken, Kohlensäure etc. Hier wie dort muß deshalb Material zur Reparatur des abgenutzten Apparates wie zur Unterhaltung der Verbrennungen, nämlich Heizungsmaterial und Sauerstoff (Lebensluft in der atmosphärischen Luft) zugeführt werden. Im menschlichen Körper vermittelt nun das Blut, mit Hülfe seines Kreislaufs durch alle Organe, ebenso die Zufuhr von Heizungs- und Reparaturmaterial, wie auch die Abfuhr der Verbrennungsproducte (Schlacken). Das Blut aber hierzu tauglich zu erhalten, dazu dienen neben den beiden Lungen die obengenannten drei Organe. Ihre Thätigkeit besteht im Allgemeinen in Verjüngung (Neubildung) und Reinigung des Blutes, und so in Unterhaltung der in Verbrennungen bestehenden Lebensäußerungen.
Der Magen, nach rechts von der Leber und nach links von der Milz begrenzt, hat seine Lage hinter der Magen- oder Herzgrube und verarbeitet die genossenen Eiweißsubstanzen (Fleisch, Milch, Ei, Käse, Kleber und Hülsenstoff) zum Hauptbaumaterial der arbeitenden und sich beim Thätigsein abnutzenden Organe.
Die Milz, welche am weitesten links in der Oberbauchgegend (im linken Hypochondrium) ihre Lage einnimmt, ist eine der hauptsächlichsten Geburtsstätten runder Körperchen (der Blutkörperchen), welche in den Blutstrom eintreten und innerhalb der Lungen aus der eingeathmeten atmosphärischen Luft Sauerstoff (Lebensluft) an sich ziehen. Diese nun sauerstoffhaltigen Körperchen werden mit Hülfe des Blutkreislaufs nach allen Theilen des Körpers hingeführt und unterhalten hier, durch Abgabe ihres Sauerstoffs, die allen Thätigkeiten unseres Körpers, auch den geistigen, zu Grunde liegenden Verbrennungsprocesse.
Die Leber im rechten Theile der Oberbauchgegend ist das Grab der alten, ausgedienten Blutkörperchen, indem diese hier zu Stoffen zerfallen, aus denen sich dann die Galle bildet.
Störungen in der Thätigkeit dieser drei Organe müssen demnach auf die Lieferung des Baumaterials, auf die Entstehung junger Blutkörperchen und auf den Untergang alter Blutkörperchen, also auf die Neubildung und die Reinigung des Blutes hemmend einwirken. Ganz besonders ist es nun aber die Verengung der Oberbauchgegend durch Druck und Einschnürung, welche solche Störungen veranlassen kann, und zwar vorzugsweise leicht nach dem Essen, wo diese drei Leidensgefährten schwellen und deshalb einen größeren Raum beanspruchen. Enge Kleidungsstücke sind es, welche hauptsächlich jene Organe maltraitiren, und unter diesen stehen das Schnürleib und die Unterrocksbänder oben an. Außerdem können aber auch stark vorgebeugte Körperstellung, zumal beim Sitzen, sowie Andrücken der Oberbauchgegend an feste Gegenstände (an den Tisch beim Schreiben etc.) in derselben Weise schädlich wirken.
Am auffallendsten treten die Folgen enger Kleidungsstücke an der sogenannten „verkrüppelten Frauenleber“ hervor, wo fest gebundene Unterrocksbänder einen oft sehr tiefen, queren Schnürstreifen in der Leber erzeugen und wo eng geschnürte Corsets die unteren Rippen tief in die Leber eindrücken. Diese Verkrüppelung ist gar nicht selten mit Schmerzen (Seitenstechen), in Folge einer Leberkapsel-Entzündung, verbunden. – Im Magen kommt es häufig, vorzugsweise bei Jungfrauen, zur Bildung des runden Magengeschwürs, welches, durch die begleitenden heftigen und bohrenden Schmerzen als Magenkrampf bekannt, zu einem sehr qualvollen Uebel wird. – Die Milz erleidet nicht selten eine Entzündung ihrer Kapsel, welche dadurch eine solche Verdickung erfahren kann, daß die Milz in ihrer Ausdehnung und Blutkörperchenneubildung gehemmt und so die Bluterneuerung gestört wird. Es kann die Milz sogar auch durch Druck aus ihrer Lage und herab in die Bauchhöhle gedrängt und so zur wandernden Milz werden.
Während nun gegen die verkrüppelte Leber und die übel zugerichtete Milz nichts anzufangen ist, läßt sich dagegen das Magenkrampf erzeugende und nicht selten mit Blutbrechen verbundene Magengeschwür durch ein richtiges diätetisches Verfahren in den allermeisten Fällen und ohne zurückbleibende Beschwerden heilen, zumal wenn vorher der kranke Magen nicht mit Arzneien mißhandelt wurde. Nur wenn bei der Vernarbung eines sehr tiefgehenden Magengeschwürs eine ausgehöhlte, schüsselförmige Narbe zurückbleibt, dann kann auch in den späteren Lebensjahren, durch Eintritt fremder Körper in die Narbengrube, von Neuem heftiger Magenschmerz, selbst starkes Blutbrechen zu Stande kommen. Eine solche Narbe ist es, welche schon manchen Arzt bei älteren, mageren, fahlaussehenden Personen, die an heftigen Magenschmerzen und Brechen litten, veranlaßte, einen Magenkrebs anzunehmen und den baldigen Tod für unvermeidlich zu halten. Gerieth dann ein solcher Kranker in die Hände eines Quacksalbers oder Geheimmittelschwindlers und die Narbe kam von selbst wieder zur Ruhe, so wird sofort ausposaunt und von Ignoranten auch geglaubt, daß jene Pfuscher einen Magenkrebs geheilt hätten, und der frühere Arzt steht blamirt da.
Die diätetische, jedenfalls wissenschaftlichere Behandlung als die mit Arzneimitteln (Höllenstein, Wismuth, Jod, Creosot) und Mineralwässern (Karlsbader, Marienbader, Tarasper), welche oben zur Heilung des Magengeschwürs empfohlen wurde und die wohl selten ihre Wirkung versagt, besteht darin, daß der kranke Magen in keiner Weise insultirt wird und Zeit gewinnt, mit Ruhe die Vernarbung seines Geschwürs abzuwarten. Das oberste Gesetz bei dieser Behandlung ist: man meide jedes arzneiliche Heilmittel (höchstens schmerzstillende ausgenommen), sowie alle auf das Geschwür sich auflagernden festen und reizenden Stoffe, als da sind: kaltes, sowie kohlensäurehaltiges und spirituöses Getränk, Gewürze, Pflanzennahrung mit Hülsen, mit Schalen und Körnchen, sogar Reis-, Gräupchen-, Sago- u. s. w. Suppen, Tabakssauce beim Rauchen, Milch, welche im Magen zu Käsestückchen gerinnt, feste Fleisch- und Brodstückchen. Hiernach muß also die öfters und in kleinen Mengen zu genießende Nahrung eine flüssige oder breiige sein, um das Geschwür durch die Säure des Magensaftes und durch stärkere wurmförmige Bewegungen des Magens nicht zu incommodiren und nicht in seiner Vernarbung zu stören. Sie kann bestehen: aus guter schleimiger Fleischbrühsuppe (aber ohne Körnchen) mit eingequirltem Ei und etwas Fleischextract (aber wenig), aus weichem Ei oder rohem Ei mit Zucker abgequirlt, aus in Kaffee, Thee, Warmbier, Chocolade eingeweichtem Weißbrod oder Biscuits, Malzextract (aber nicht dem kohlensäurereichen Hoff’schen Braunbier), ganz fein gewiegter und gut zerkauter Kalbsmilch und Gehirn. Fleisch darf nur dann, wenn es bis zur Breiform zerkaut oder zerdrückt wurde, durchaus nicht in Stücken und nur dann versuchsweise genossen werden, wenn die aufgeführte Nahrung ohne Schmerzen verdaut wird. Milch, das beste Nahrungsmittel zur Kräftigung des in der Regel blutarm gewordenen Kranken, wird aber erst dann vertragen, wenn das Geschwür vollständig verheilt ist, und muß dann stets in kleinen Schlucken mit kleinen Weißbrodstücken (Semmelmilch) genossen werden. Bei vorhandenem Blutbrechen ist warmes Getränk nicht zu genießen, dagegen sind Eisstückchen (Gefrorenes) zu verschlucken. Warmes Getränk (Wasser) unterstützt durch Reinhalten des Geschwürs die Vernarbung. Unter dieser diätetischen Behandlung, bei welcher aller Druck von der Magengegend abzuhalten und diese Gegend warm zu halten ist, kommt es, wenn sie streng eingehalten wird, in kurzer Zeit zur Verheilung des Geschwürs und zum Weichen des Schmerzes. Alle Hausmittel gegen den Magenkrampf, besonders Pfeffer in Schnaps, sind schädlich und könnten den Tod in Folge von Durchlöcherung des Magens nach sich ziehen.