Drei Breven päpstlicher Machtfülle im 11. und 12. Jahrhundert

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Autor: Julius v. Pflugk-Harttung
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Titel: Drei Breven päpstlicher Machtfülle im 11. und 12. Jahrhundert
Untertitel:
aus: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Bd. 10 (1893), S. 323–331.
Herausgeber: Ludwig Quidde
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Erscheinungsdatum: 1893
Verlag: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr
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Erscheinungsort: Freiburg i. Br.
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[323] Drei Breven päpstlicher Machtfülle im 11. und 12. Jahrhundert. In drei Breven für Irland wurde ziemlich das Höchste an päpstlichen Ansprüchen im 11. und 12. Jahrhunderte geleistet. Es ist eines Gregor’s VII. für den Irischen Oberkönig (Jaffé 5059), eines Hadrian’s IV. und eines Alexander’s III. für den Englischen König (Jaffé 10 056 und 12 174). Von diesen machte namentlich das Breve Hadrian’s in der Irischen und Englischen Literatur so viel von sich reden, dass es sich zu einer „berühmten Bulle“ (Pauli, Gesch. v. Engl. III, 95) ausweitete.

Der Inhalt dieses Erlasses geht dahin: „Hiberniam et omnes insulas, quibus sol iustitiae Christus illuxit, et quae documenta fidei Christianae ceperunt, ad ius beati Petri et sacrosanctae Romanae ecclesiae – – – non est dubium pertinere.“ Der Englische König habe ihm mitgetheilt, dass er Irland erobern wolle, um dessen Laster auszurotten, er dafür aber dem hl. Petrus einen jährlichen Tribut von einem Denar für jedes Haus zahlen und die Rechte der Kirche jenes Landes aufrecht erhalten werde. Der Papst belobt dies und erklärt sich angenehm berührt, wenn er die Insel erobere und dem hl. Petrus die jährliche Abgabe zahle. Er möge das Volk bessern und der Kirche nützen.

Der Wortlaut dieses Schriftstückes wurde 1188 von Gerald Barry (Giraldus Cambrensis) in seiner Expugnatio Hibernica bekannt gemacht, nachdem ein Breve Hadrian’s bereits 1175 auf der Synode von Wexford verlesen und im Auszuge durch ein solches Alexander’s III. bestätigt war. Im 13. Jahrhundert hat es breitesten Boden erlangt und findet sich bei Brompton, Gervasius, Diceto, Hoveden, Matthaeus Parisius, Trivettus, Wendover und in der Sachsenchronik. So ging es fort; die Päpste Urban IV., Paul IV. und Johann XXII. scheinen darauf hinzudeuten.

Doch wegen der Ungeheuerlichkeit des Inhalts entstanden allmählich Zweifel. Da man die Acte selber aber noch nicht anzutasten [324] wagte, so schloss man auf Erlass in Folge falscher Vorstellungen, die dem Papste gemacht worden, weshalb sie rechtlich unverbindlich, inhaltlich ungültig sei. Einmal im Zuge, ging man weiter; alle Gegensätze, welche Irland in Liebe und Hass zerrissen, wurden in die Frage hineingezogen, bis man zu der Erklärung gelangte: das Breve sei überhaupt unecht, sei eine Fälschung. Jenseits des Canals sind die Hauptvertreter dieser Ansicht: Cardinal Moran (Irish Eccl. Rec. 1872 p. 62) und Dr. Yungmann (Dissertationes Selectae V, 228). In Deutschland suchte der Schreiber dieser Abhandlung 1889 (Zeitschrift für Kirchenrecht 1891) den Nachweis der Fälschung zu liefern und unabhängig von ihm kam Bellesheim (Gesch. der kathol. Kirche in Irland I, 367 sq.) zu dem gleichen Ergebnisse. Ohne diese Arbeiten zu kennen, hat S. Malone in der Irish Eccl. Rec. 1891, p. 865–881 eine ausführliche Untersuchung geliefert, in der er entschieden für Echtheit eintritt, und auch einige Aeusserungen F. Liebermann’s (DZG ’92, E58) neigen dieser Ansicht zu. Wir sehen uns deshalb veranlasst, noch einmal auf den schwierigen Gegenstand einzugehen.




Am 20. September 1172 erliess Papst Alexander III. ein sicher echtes Breve für König Heinrich II. von England (Jaffé 12 162), veranlasst namentlich durch Berichte Englischer Gesandten. Dasselbe ist weitgehend, enthält aber nichts Besonderes. Der Papst erklärt, wie er mit Freuden vernommen habe, dass Heinrich seine Macht gegen die verwilderten Iren ausdehne. Er danke Gott dafür und bitte ihn, dass diese durch den König wieder zu wahren Christen werden möchten, er ermahnt denselben, in seinem Beginnen fortzufahren. „Et quia, sicut tuae magnitudinis excellentia, Romana ecclesia aliud ius habet in insula, quam in terra magna et continua, nos eam de tuae devotionis fervore spem fiduciamque tenentes, quod iura ipsius ecelesiae non solum conservare velis, sed etiam ampliare et ubi nullum ius habet, ibi debes sibi conferre, magnificentiam tuam rogamus et sollicite commonemus, ut in praescripta terra iura beati Petri nobis studeas sollicite conservare et si etiam ibi non habet, tua magnitudo eidem ecclesiae eadem iura constituat et assignet.“ Also: weil die Römische Kirche ein anderes Recht auf Irland besitze als auf dem Festlande, so bittet der Papst den König, es zu bewahren und zu mehren.

Das Breve trägt deutlich das Gepräge des gegebenen, bestimmten Falles. Die Englischen Prälaten, welche dem Papste die Zustände der Insel dargelegt haben, sind namhaft gemacht. Er führt die [325] Hauptübel der Iren an; weil sie verwildert sind, so ist er überzeugt, dass der Sieg der Engländer der päpstlichen Kirche, dem Englischen Könige und den Iren selber zum Segen gereiche.

Ziemlich der gleiche Gedankengang dieses Breve findet sich in zwei anderen von demselben Tage: eines an die Könige und Fürsten Irlands, eines an die Bischöfe der Insel (Jaffé 12 163. 12 164). In dem Schreiben an die Bischöfe heisst es: „Ut sicut prefatus rex tanquam catholicus et christianissimus princeps, nos tam in decimis, quam in aliis ecelesiasticis iusticiis vobis restituendis, et in omnibus, quae ad ecclesiasticam pertinent libertatem, pie et benigne dicitur exaudisse.“ Man sieht, diese beiden Briefe stützen ihrerseits wieder den an den König.

Nun hat Giraldus Cambrensis in seiner Expugnatio (Giraldi Cambr. Opera ed. Dimock V, 318) ein viertes Breve Alexander’s überliefert und zwar für den Englischen König, worin er „Adriani papae vestigiis inhaerentes… concessionem eiusdem super Hibernici regni dominio vobis indulto, salva beato Petro et sacrosanctae Romanae ecclesiae, sicut in Anglia sic et in Hibernia, de singulis domibus annua unius denarii pensione, ratam habemus et confirmamus“, damit er die „barbara natio“ zu guten Sitten zurückbringe und die Kirche dort wieder aufrichte.

Man sieht, das Schriftstück ist durchaus anderen Inhaltes, gehört aber in den Kreis der übrigen drei, weshalb es auch in Jaffé’s Regesten dorthin eingereiht wurde (Jaffé 12 174). Würde es älter sein als das andere für Heinrich ausgestellte, so würde man in dem späteren einen Hinweis auf das frühere erwarten und müsste man völlig veränderte Verhältnisse annehmen, Anfangs eine Schenkung des Papstes bezüglich Irlands mit Vorbehalt der Rechte des heiligen Petrus, eine jährliche Abgabe von einem Denar von allen Häusern in England und Irland; später ein bescheidenes Benehmen Alexander’s, indem er den König nur mit Gebeten und Wünschen begleitet und nur auf ein abweichendes apostolisches Rechtsverhältniss zu Irland hindeutet, welches der König ihm bewahren möge. Setzt man das ausgedehntere Breve später als das andere, so muss man sich wundern, wie dieses völlig ignorirt und direct auf das Hadrian’s zurückgegriffen wird, wie denn das bescheidene zwischen dem Hadrian’s und dessen Bestätigung auch gar nicht passt. Nun ist das bescheidene aber sicher echt, der Verdacht muss sich also gegen die Bestätigung und in weiterer Linie gegen den Erlass Hadrian’s richten.

Erhalten sind beide bei dem wenig zuverlässigen Giraldus Cambrensis, der für sie auf das Archiv von Winchester verweist (p. 316); beide nennen weder den Namen des Empfängers, noch bieten sie irgend [326] etwas von einer Datirungszeile[1], eine Uebereinstimmung, die schon nicht zu ihren Gunsten spricht. Die Kritik des am leichtesten Anhalt gewährenden Urkundenrahmens ist uns dadurch entzogen, wir müssen uns auf die des Hauptkörpers beschränken. Die Einleitung des Hadrianischen ist für ein Breve ungewöhnlich lang und besonders in dem ersten Satze schwerfälliger als die damalige Kanzlei zu schreiben pflegte. Manche Wendungen sind hier nicht üblich, wie sol iustitiae Christus, documenta fidei Christianae, plantationem fidelem et germen, sane Hiberniam u. a. m.

Betrachten wir den Inhalt: einem Inselkönige zu schreiben, dass alle Inseln dem Rechte des heiligen Petrus zugehören, ist kaum verständlich. Eine Tributzahlung an den Papst hat nicht stattgefunden. Gerald sagte deshalb auch zum Könige Johann, dass die Eroberung Irlands ein Misserfolg gewesen, weil der versprochene Peterspfennig nicht gezahlt worden, er solle ihn dem Wortlaut des Privilegiums gemäss erlegen und dadurch Gottes Segen erwirken. Im Breve Hadrian’s steht man einem Geschäfte gegenüber: der Papst heisst die Eroberung gut und dafür versteht sich der König zu einer colossalen Abgabe. Warum dies? Der König besass von Irland nicht mehr und weniger, als was seine Waffen unterwarfen, der Einfluss des Papstes auf Irland war äusserst gering, und wenn er vorhanden, so ist kaum erklärlich, weshalb der König von dem Breve nicht den geringsten Gebrauch gemacht hat, weder auf der Reichsversammlung von 1155, wo Heinrich einen Zug nach Irland in Vorschlag brachte, noch 1177 gegen das feindliche Auftreten des Cardinals Vivian, noch sonstwo. Ohne dass ihm thatsächlich geholfen wird, soll der König die gewaltige Abgabe gestattet haben, den Anspruch des Papstes auf alle Inseln, folglich auch auf England, und das alles nach eigenem Wunsche (desiderium), auf eigene Bitten (petitionem)! Der Papst spricht von Irland fast, als ob es sich um ein heidnisches Land handle, wo der christliche Glaube zu pflanzen sei (plantetur – – – fidei Christianae religio), dabei war Irland seit 6 Jahrhunderten christlich und besass seine Bischöfe und Erzbischöfe. Nicht das Christenthum, sondern der Katholicismus hätte betont werden müssen; die Päpste haben die Irische Kirche stets als christliche anerkannt und haben mit Irischen Geistlichen Briefe gewechselt. Die niedergelegten Anschauungen widersprechen ausserdem denen, die Hadrian in einem Briefe an Ludwig VII. von Frankreich äusserte, und bietet ihm sonst nicht eigene [327] Grundsätze. Dort heisst es: „Die Besitzergreifung eines fremden Landes ohne Einvernehmen mit den Regenten und dem Volke ist unvorsichtig und gefährlich“ (Bellesheim I, 373). Man sieht, der Inhalt des Hadrian-Breves für Irland schwebt völlig in der Luft. Erst lange nach Hadrian’s Tod, erst 1171 überzog König Heinrich die Insel mit Krieg, und da nicht etwa in Folge päpstlicher Verleihung, sondern weil sich ihm die Verhältnisse geradezu aufdrängten. Lappenberg (Ersch und Gruber, Encykl. II, 24, 63) wusste sich deshalb auch nicht anders als mit der Annahme zu helfen, dass Heinrich den Inhalt des Schriftstückes geheim gehalten habe, wo man dann wieder nicht begreift, weshalb es erbeten und erlassen wurde. Mit solchen Gründen wird nur umgangen, nicht fester Boden geschaffen.

So weit scheint nun alles einfach, jetzt erhebt sich aber eine Schwierigkeit. Der gleichzeitige Johann von Salisbury gibt nämlich an, Hadrian „ad preces meas – – – Henrico II concessit et dedit Hiberniam iure haereditario possidendam, sicut literas (!) ipsius testantur in hodiernum diem“. Das scheint zunächst sehr bindend, doch in dem uns vorliegenden Schriftstücke steht weder etwas von den Bitten Johann’s, noch von erblichem Besitze, auch findet sich nicht die Wendung „concessit et dedit“. Die Päpste liebten es, ihre Schriftstücke „ad preces“ dessen und dessen auszustellen, dies ist für sie ebenso eine Urkundenwendung, wie „concessit et dedit“. Ueberdies ist nachweisbar, dass Heinrich II. weder König noch Lord von Irland gewesen, sich auch nicht so genannt hat. Damit liegt die Annahme nahe, dass Johann ein anderes Schriftstück meint, als das uns vorliegende, oder dass die Stelle unzuverlässig ist; sei es, dass Johann ruhmredig Gewünschtes als Geschehenes meldet, sei es, dass sie von anderer Hand und in anderem Geiste eingeschoben wurde. Für letzteres haben sich bedeutende Kritiker von Lynch bis auf Cardinal Moran und Sybel entschieden (Histor. Zeitschr. 1880, Bd. 44, 66). Namentlich der Schlusssatz, dass bis auf den gegenwärtigen Tag Briefe des Papstes die Thatsache bezeugen, erscheint verdächtig, denn er passt mehr für eine spätere Zeit als für einen Mithandelnden, für ein zeitlich ganz nahe liegendes Ereigniss.

Gehen wir zum Breve Alexander’s III. über. Wenn das Hadrian’s gefälscht, so ist es natürlich auch die Bestätigung, denn die Fälschung eines Schriftstückes vom vorangegangenen Papste würde man in der Kanzlei sofort entdeckt haben. Nun ist aber das zweite Breve gar keine eigentliche Bestätigung, sondern greift viel weiter. Schon schwer lässt sich aus Hadrian’s Erlass so viel heraus lesen, um nachher sagen zu können: „concessionem super Hibernici regni dominio – – – confirmamus“, noch auffallender aber erscheint, dass dort nur von einem [328] Denar für jedes Haus in Irland, hier von einem für jedes Irische und Englische Haus die Rede ist. Hinzu kommen Wendungen, welche in der päpstlichen Kanzlei nicht üblich sind; und zwar noch deutlicher als schon im Hadrian-Breve; z. B. desiderii fructum, barbara natio, morum venustatem, formam hactenus informi; dann Hibernici regni, da der Papst ja in einem Briefe an die Könige Irlands schreibt. Als „regnum“ lässt sich das zerrissene Irland mit seinen Keltischen und Skandinavischen Staaten nicht bezeichnen, wie es denn auch in den echten Briefen des Papstes nicht geschehen ist. Auch der Stil ist bei „salva b. Petro“ nicht in Ordnung, während echte Breven dieser Zeit gut stilisirt zu sein pflegen. Schliesslich war es Sitte, in der päpstlichen Kanzlei sich bei Bestätigungen möglichst an den Wortlaut der Vorlage zu lehnen, was hier nicht der Fall; und nicht Sitte war es, von einer Bestätigung zu sprechen und etwas ganz Neues einzufügen, nicht, für die doch im Grunde gleiche Sache, die Besitznahme Irlands durch den Englischen König, zwei so verschiedene Erlasse auszugeben, wie es Alexander III. gethan haben müsste. Merkwürdig oder bezeichnend: schon die Abschreiber des Giraldus waren kritisch gegen das Bestätigungsbreve gesonnen, indem sie das betreffende Capitel theilweis verstümmelten und in „De Instr. Princ. 53“ der Zusatz gemacht wurde: „(privilegium) a quibusdam impetratum asseritur aut confingitur; ab aliis aut unquam impetratum fuisse negatur“, wozu der Herausgeber die Anmerkung machte: es sieht wie eine Marginalnote aus, die freilich vielleicht schon von Giraldus herrührt. Kurz, mit dem Bestätigungsbreve steht es so schlecht, dass es schon aus formalen Gründen als unecht bezeichnet werden muss. Ist es aber unecht, so erscheint dies wieder von übler Bedeutung für Hadrian’s Erlass.

Gegen Echtheit der Breven spricht auch eine gewisse Anwendung des Stabreims, z. B. Hadrian: „populum legibus et vitiorum plantaria inde exstirpanda“, oder „illius terrae illibata et integra“, oder „prosequentes et petitioni tuae benignum impendentes“, oder „salva B. Petro et sacrosanctae R. E. de singulis“, u. a. Ebenso steht es mit Alexander’s Schriftstück: „venerabilis Adrianae papae vestigiis inhaerentes, vestrisque“, oder „salva B. Petro et sacrosanctae R. E. sicut in Anglia sic“, oder „in formam hactenus informi finium“ etc. Diese Geziertheit erinnert an den Stil Gerald’s, auch die Ausdrucksweise über die Iren, wie: „illius spurcitiis, barbara natio“ u. a. Gerade das Wort „barbarus“ liebt er bezüglich der Nachbarkelten. Unmöglich wäre deshalb nicht, ihn selber als Verfasser der Briefe anzusehen, jedenfalls darf ihre Entstehung nicht in Rom gesucht werden.

[329] Nach den Angaben Johanns von Salisbury, Roberts du Mont und dem Verlesen auf der Synode von Wexford kann ein echter Brief Hadrian’s ausgestellt sein, doch entsprach der Wortlaut dann nicht dem unsrigen. Die Irischen Annalen kennen keinen Erlass jenes Papstes.

Der gehässige, leidenschaftliche Ton der beiden Schriftstücke weist auf einen Engländer als Verfasser, einen Feind und Verächter der Iren, die grosse Tributzahlung, die Art ihrer Anerbietung durch den König spricht für einen papstfreundlichen Autor; beides würde auf Giraldus Cambrensis in vollem Sinne zutreffen. Dass die beiden Urkunden von dem gleichen Fälscher herrühren, wird nahe gelegt durch das Fehlen des Namens (oder doch Anfangsbuchstabens) des Empfängers, das Fehlen des Datums durch Haltung und Ausdrucksweise des Textes. Giraldus veröffentlichte die Stücke zuerst und zwar in der bestimmten Absicht, daraus das Recht des Englischen Königs auf die Eroberung Irlands zu beweisen. Im nächsten Capitel nennt er die königlichen Rechtstitel, als letzten und schwerwiegendsten die päpstliche Autorität: „quod solum sufficere posset ad perfectionis cumulum, et absolutae consummationis augmentum, summorum pontificum, qui insulas omnes sibi speciali quondam iure respiciunt, totiusque Christianitatis principum et primatum, confirmans accessit auctoritas.“ Wir haben hier Gerald’s Gesinnung; möglich natürlich ist auch, dass er bereits getäuscht wurde.

Es bleibt, noch die Gründe zu untersuchen, welche für Echtheit des Hadrian-Erlasses angeführt sind, mit dem der Alexander’s von selber fällt. Malone meint p. 866: „Die Gewalt, die der Papst Heinrich übertrug, war durchaus ausführbar und nicht weitgehender als die Anderen unter gleichen Umständen verliehene.“ Als Beweis dieser Behauptung hat er nur das Diplom Urban’s II. für Roger I. von Sicilien und dessen Bestätigung durch Paschal. Nun walten aber zwischen der Curie und Sicilien bekanntlich ganz bestimmte Verhältnisse ob, die für Heinrich II. nicht in Betracht kamen, und ausserdem enthält die Urkunde auch ganz andere Verfügungen. Das Bezeichnende der unsrigen sind ja: der Anspruch auf alle Inseln und die colossale jährliche Abgabe.

„Wenn Hadrian 1159 auch verweigerte, seine Einwilligung zu einer Eroberung Spaniens an König Ludwig von Frankreich zu ertheilen, so kann er sie doch für die Irlands an Heinrich gegeben haben, weil hier andere Gründe obwalteten.“ Zum Vergleich werden beide Briefe neben einander gestellt, der an den Französischen und den Englischen König. Dies beweist nichts, denn beide Briefe lauten eben verschieden. Die Möglichkeit, dass der Papst sich einmal so, [330] ein andermal anders verhielt, ist vorhanden, mehr aber auch nicht, nicht einmal die Wahrscheinlichkeit.

„Die Constantinische Schenkung bewirkte den Passus über die Inseln.“ Ganz recht, aber schwerlich dürfte ein Papst einem Heinrich von England gegenüber wagen, ihn ohne weiteres als selbstverständlich aufzunehmen; er enthielt für den Inselkönig ja fast politischen Mord.

„Auch Robert du Mont weiss von einem Privilegium Hadrian’s.“ Damit ist nicht gesagt, dass es das unserige ist. Die Berufung auf Johann von Salisbury wurde bereits erörtert.

„Peter von Blois bestätigt, dass Heinrich Irland seinem erblichen Herrschaftsgebiete zugefügt hatte.“ Was besagt das aber für Hadrian?

Der deutliche Beweis für Echtheit, den Alexander’s Bestätigung enthalten soll, ist, wie wir sahen, nicht vorhanden.

„Verwandtschaften zwischen den echten Briefen Alexander’s und dem Hadrian’s.“ Solche sind bis zu einem gewissen Grade richtig, doch auch nicht mehr; ihre Hauptmenge läuft auf die Verwilderung Irlands und die Besserung der kirchlichen Zustände auf der Insel hinaus, welche einem Fälscher geradezu auf der Hand lagen. Dabei ist keineswegs ausgeschlossen, dass er nicht die echten, offenbar weithin bekannten Briefe benutzt hat. Die Zusammenstellung der Rechtstitel auf alle Inseln ist bei näherem Zusehen völlig missglückt; sie zeugt eher für das Gegentheil.

„In einem Erlasse Paul’s IV. heisst es, dass die Englischen Könige die Herrschaft über Irland vom apostolischen Stuhle erlangten.“ Was besagt solch’ allgemeine Wendung für den besonderen Fall, und nun gar im Jahre 1558? Wenn auch erst Heinrich VIII. den Titel eines Königs von Irland annahm, so sprach doch bereits Heinrich III. von seinem „Königreiche Irland“.

„Eine ganze Anzahl von Schriftstellern des 13. Jahrhunderts kennt das Privilegium Hadrian’s.“ Das beweist niehts, nachdem es durch den weitverbreiteten Giraldus veröffentlicht war. Spätere Autoren, selbst Päpste, verschlagen noch weniger. Oft genug haben Päpste alte unechte Erlasse anerkannt.

Völlig unbeweisend ist auch, wenn 1221 gesagt wurde, dass die Engländer nach Irland durch die Direction des apostolischen Stuhles kamen.

Fast naiv klingt Malone’s Eifer: „Wenn Könige, Päpste und eine ganze Nation die Verwilligung Hadrian’s bezeugen, so erscheint unverständlich, wie verständige Kritiker sich dagegen aussprechen können.“ Ja, die bösen Kritiker, sie verlangen eben bisweilen viel tiefere Beweise als solche Massenzeugnisse, die ausserdem nur sehr bedingt vorhanden sind.

[331] Als Kernschuss am Schlusse dient der nochmals hervorgehobene, 400 Jahre jüngere Satz Papst Paul’s IV. Er erscheint Malone als unwidersprechlicher Beweis. Wenn er solchen kritischen Grundsätzen anhängt, so vermögen wir allerdings nicht mit ihm zu rechten.

Bei weitem kürzer, darum aber nicht beweiskräftiger sind Liebermann’s Gegenbemerkungen (DZG 1892 Bd. 7 p. E58[WS 1]). Der Bericht steht bei Johann von Salisbury, der Wortlaut bei Diceto und im Book of Leinster. Bereits in meiner Abhandlung in der Zeitschrift für Rechtsgeschichte ging ich auf Johann’s Angabe ein; ob eine Handschrift zeitgenössisch ist oder nicht, lässt sich nur auf Jahrzehnte, nur ungefähr bestimmen; Schlüsse daraus zu ziehen, ist nur unter besonders günstigen Umständen zulässig. Diceto gehört dem 13. Jahrhunderte an, das Buch von Leinster ist noch jünger. So gut diese beiden Werke genannt wurden, hätte es mit anderen auch geschehen können.

Gegen unsere Untersuchung des Erlasses von Gregor VII., die zu dem Ergebnisse einer Fälschung kam, ist bisher kein Widerspruch ausser ebenfalls durch Liebermann erhoben (l. c.). Er meint: aus dem Breve erhelle keine Englische Tendenz, über dem nicht passenden Ort Sutri stehe in einem Ms. Marino. Antwort: es braucht keine Englische, sondern kann Römische Tendenz sein, Marino ist offenbar nur einer der in England und Irland so häufigen Glossenzusätze. Viel unzulässiger erscheint die Annahme, dass ein Name stand, den man für Sutri oder Marino lesen konnte; dagegen spricht die Grundverschiedenheit dieser Namen, die sonst correcte Abschrift und die Art des Zusatzes: einfach übergeschrieben. Halten wir uns denn doch an Marino, so erfolgt die Erwiderung: Marino ist kein Ort des Papstitinerars dieser Zeit, sondern wird es erst weit später. Nähmen wir ihn an, würde er ganz besonders für Fälschung zeugen. Aber was besagt solch’ eine jüngere Angabe!

Das Endergebniss bliebe mithin: die Breven Gregor’s VII., Hadrian’s IV. und Alexander’s III. sind alle drei unecht.

J. v. Pflugk-Harttung.     

Anmerkungen

  1. Das „Romae“ bei Jaffé ist späterer Zusatz, wie sich schon daraus ergibt, dass Alexander nicht so allgemein zu datiren pflegte, sondern genauer: Laterani, Romae apud S. Mariam novam, apud S. Petrum u. dergl.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Bd. 8 p. E58