Dramatische Preisausschreibungen

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Titel: Dramatische Preisausschreibungen
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aus: Die Gartenlaube, Heft 14, S. 236
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1887
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[236] Dramatische Preisausschreibungen. Der deutsche Bühnenkartellverein, der Verein der Intendanten und Direktoren, hat bei seiner letzten Sitzung einen Preis für das beste Lustspiel oder Schauspiel ausgeschrieben, welcher darin bestehen soll, daß alle Bühnen des Vereins verpflichtet sind, das preisgekrönte Stück aufzuführen. Hierin liegt ein offenbarer Fortschritt gegenüber den Bestimmungen bei früheren Preisvertheilungen, welche meistens nur die Ohnmacht der Preisrichter und ihre Unfähigkeit an den Tag legten, irgend einen Einfluß auf das Theater der Gegenwart auszuüben, da die Bühnen die durch solchen Richterspruch ausgezeichneten Stücke einfach nicht aufführten.

Es ist viel über derartige Preisausschreibungen und zwar für und wider gesprochen worden: einer der eifrigsten Gegner war Karl Gutzkow. Besonders als der Berliner Schiller-Preis für das beste in den letzten drei Jahren veröffentlichte dramatische Werk festgesetzt wurde, erhob er seine warnende Stimme: er protestirte dagegen, daß man widerwillig vor Gericht geschleppt und abgeurtheilt werden solle. Bei den anderen Preisausschreibungen handelte es sich um eingesandte Stücke, von denen das beste gekrönt wurde: das kann jeder Dichter ignoriren und seine eigenen Wege gehen; er brauchte ja bloß kein Stück einzusenden. Doch beim Berliner Schiller-Preise gab es kein Entrinnen; hatte man in den letzten drei Jahren ein Stück zur Aufführung gebracht oder im Buchhandel erscheinen lassen, so war man dem Gericht verfallen. Ein solcher Preis erinnerte an den Primus in der Elementarschule, der beim Examen die große Bretzel erhält. Gutzkow sprach von irgend einem Alfred Timpe, dem obskuren gekrönten Dichter der Zukunft; und der erste an Albert Lindner für sein Römerdrama „Brutus und Collatinus“ ertheilte Preis schien ihm Recht zu geben; denn Lindner war damals ein gänzlich unbekannter Poet in den thüringischen Bergen.

Im Uebrigen haben die Berliner Preisrichter durchaus nicht nach etwa verborgenen Schätzen gegraben: sie krönten zumeist namhafte Dichter, anfangs wegen einzelner Stücke, später wegen ihrer Gesammtleistungen, wozu ihnen ein Paragraph der Statuten das Recht gab: so erhielten Hebbel, Geibel, Wilbrandt, Heyse, Wildenbruch nach einander den Schiller-Preis. Einzelne gekrönte Stücke, wie Geibel’s „Sophonisbe“, Nissel’s „Agnes von Meran“ wurden von zwei oder drei Bühnen aufgeführt, von den anderen ad acta gelegt.

Daneben hatten einzelne Theater, die Hoftheater von Wien und München, die Stadttheater von Frankfurt am Main und Mannheim, gelegentlich Preisausschreibungen veranstaltet, auch die besten eingesandten Stücke gekrönt; doch abgesehen von Hippolyt Schauffert’s „Schach dem König“, welches an der Burg und in Folge der dortigen erfolgreichen Aufführung an vielen Bühnen gegeben wurde, waren die übrigen Preisvertheilungen ein Schlag ins Wasser. Selbst der Hauptpreisträger der westdeutschen Konkurrenzen, Richard Voß, sah nur seine „Patricierin“ an mehreren Bühnen ersten Ranges aufgeführt; seine „Luigia Sanfelice“ blieb ein todtgeborenes Kind.

Diese ablehnende Haltung der deutschen Bühnen machte die Entscheidungen der Preisrichter wirkungslos; selbst das von der preußischen Regierung eingesetzte Schiller-Komité war vollkommen machtlos, und Herr von Hülsen, einer der Preisrichter, führte mehrere preisgekrönte Stücke an seinem eignen Hoftheater nicht auf. Dergleichen wäre in Frankreich unmöglich, wo die akademischen Auszeichnungen hohen Werth haben. Was nützt es aber einem deutschen Dramatiker, wenn er sein Preisdiplom in der Tasche hat und von allen Theatern bei Seite geschoben wird?

Das haben die Direktoren jetzt selbst eingesehen: daher die Verpflichtung zur Aufführung des vom Bühnenkartellverein preisgekrönten Stückes für alle Mitglieder desselben. Erleichtert wird dies dadurch, daß es sich um ein Lustspiel oder Schauspiel handelt; denn ein Trauerspiel wäre doch für die kleineren Direktoren eine zu harte Nuß. †