Die sterbende Meduse
Die sterbende Meduse.[WS 1]
Ein kurzes Schwert gezückt in nerv’ger Rechten,
Belauert Perseus[WS 2] bang in seinem Schild
Der schlummernden Meduse Spiegelbild,
Das süße Haupt mit müden Schlangenflechten.
Des jungen Wuchses athmende Geberde –
„Raub’ ich das arge Haupt mit raschem Hiebe,
Verderblich der Verderberin genaht?
Wenn nur die blonde Wimper schlummernd bliebe!
Die Mörderin! Sie schließt vielleicht aus List
Die wachen Augen! Sie die grausam ist!
Durch weiße Lider schimmert blaues Licht
Und – zischte dort der Kopf der Natter nicht?
Der Menschen schöner Liebling der sie war,
Bevor die Stirn der Göttin Angebinde
Verschattet ihr mit wirrem Schlangenhaar.
Mit den Gespielen glaubt sie noch zu wandern
In blüh’ndem Reigen regt sie mit den Andern
Die freudehellen, die beschwingten Füße,
Ihr Antlitz hat vergessen, daß es tödte,
Es glaubt, es glaubt an die barmherz’ge Lüge
Der weich melodisch zieht durch seine Züge.
In unverlorner erster Lieblichkeit.
Der Mörder tritt an ihre Seite dicht
Ihr ist, sie habe Haß empfunden schon,
Vor sich geschaudert, dumpf und bang gelitten,
Die Menschen habe scheu sie erst geflohn,
Dann ihnen nachgestellt mit Meuchlerschritten –
Daß sie dem eignen Leben feind geworden
Und andres Leben sich ergötzt zu morden –
Sie sinnt umsonst. Ihr hält’s der Traum verhehlt.
Die grause Larve, die sie lang geschreckt,
Das Graun ist aufgelöst in Seligkeit,
Begonnen hat der Seele Feierzeit.
Der Dämmer herrscht. Das harte Licht verblich.
Als eine der Erlösten fühlt sie sich.
Sie weiß, die Qualen kommen nimmermehr,
Nein, nimmermehr, und nun ist Alles gut!
Sie liegt, den Hals gebogen, auf dem Rasen,
Sie hört die Hirtenflöte wieder blasen