Die sächsischen Blaufarbenwerke
Es gab eine Zeit, wo der Bergmann den Kobalt als etwas völlig Werthloses, ja selbst Schädliches, auf die Halden stürzte, und ihm, da er die Gewinnung des Silbers erschwerte, den Namen „Silberräuber“ beilegte, die Benennung „Kobalt“ erhielt das Erz von den giftigen Dämpfen, welche es bei der Bearbeitung aushaucht, und welche man damals dem bösen Berggeist „Kobold“ zuschrieb. Es wurde in den Bergkirchen zu Gott gefleht, daß er das Silber sich mehren und den bösen Kobalt verschwinden lassen möge. – Niemand ahnte, welche Schätze in diesem unscheinbaren, verachteten und gehaßten Gestein verborgen ruhten und Niemand dachte nur entfernt daran, welche große Rolle es einst in der Industrie spielen und welche reiche Erwerbsquellen es einst unserm Vaterlande eröffnen würde. Der Kobalt blieb so lange Zeit der Gegenstand der Verwünschungen des fleißigen Bergmanns.
Aber jedes Verdienst kommt doch einmal zur Geltung. Einem aus Franken nach Schneeberg eingewanderten, in der Scheidekunst wohl erfahrenen Bergmann, Namens Peter Weidenhammer, gebührt, nach Melzers Chronik von Schneeberg, die Ehre, zuerst die Nutzbarkeit des Kobalts entdeckt zu haben; um 1521 stellte er aus demselben eine blaue Farbe her und trieb damit einen bedeutenden Handel.
Ohngefähr 1540 trat Christoph Schürer auf, welchen man mit vollem Rechte den Vater der sächsischen Blaufarbenfabrikation nennen kann. Schürer war ein Glasmacher und lebte in der Eulenhütte bei Neudeck in Böhmen, wo er eine Glashütte besaß und mit seinen Fabrikaten Sachsen bereiste. Einst besuchte er auch Schneeberg und fand daselbst den verhaßten Kobalt in großen Massen unbenutzt auf den Halden aufgethürmt. Schürer fand bei näherer Betrachtung es nicht glaublich, daß dieses Erz so ganz nutzlos sein sollte, und um sich davon zu überzeugen, verschmolz er einige quarzreiche Stücke desselben und erhielt zu seinem Staunen ein schönes, blaues Glas. Bei fortgesetzten Versuchen fand Schürer endlich die unter dem Namen Smalte bekannte blaue Farbe und begann damit Handel zu treiben. Vorzugsweise gingen die blauen Farben nach Nürnberg und die allgemeine Aufmerksamkeit wendete sich alsbald auf den Erfinder; man besuchte ihn häufig in Neudeck, suchte ihn auszuforschen und bewog ihn endlich, nach Magdeburg zu ziehen, um daselbst mit Schneeberger Kobalterzen weitere Versuche anzustellen. Er erntete aber nur Undank, denn den Leuten war es allein darum zu thun gewesen, dem Erfinder so viel als möglich seine Geheimnisse zu entlocken und als dieses geschehen, schickte man ihn wieder fort. – Vorzüglich Holländer waren bemüht gewesen, sich des Geheimnisses der Blaufarbenbereitung zu bemächtigen, worauf sie in ihrem Vaterlande Farbenmühlen anlegten und ihren Bedarf von Kobalt aus Schneeberg bezogen.
Indessen war Schürer doch wohl weise genug gewesen, seine Erfahrungen nicht alle den Fremden Preis zu geben. – Er zog wieder nach Neudeck, wo er eine kleine Farbenmühle mit Schwungrädern baute, die er später aber an das Wasser verlegte.
[79] Bald nahm sich die Regierung der Sache an. Der Blaufarbenhandel wurde gewerklich begründet und zwar fürs Erste dadurch, daß Kurfürst August die Abnahme der Kobalte für jede Zeche festsetzte; am 15. November 1575 ertheilte er seinem Kammersecretair Hans Jenitzsch und dem Kammermeister Hans Hever auf zehn Jahre das Privilegium zu alleiniger Aufbewahrung und zum ausschließlichen Ankauf der Kobalterze, Wismuthgraupen, wie man damals dieses Erz nannte. 1610 übernahm Kurfürst Christian II. den Handel mit Kobalt selbst und gründete die sogenannte Kobaltkammer. Er schloß mit den holländischen Kaufleuten einen Contract über Lieferung von Kobalterzen. Johann Georg I. überließ diese Kobaltkammer an den Berg- und Kammerrath Christoph Karl von Brandenstein, welcher jedoch erhebliche Verluste dabei hatte und deshalb das Previlegium mit Dank an den Kurfürsten zurückgab.
Einsichtsvolle Männer hatten während der Zeit den Kurfürst auf die Nachtheile des Verkaufs des Kobalts aufmerksam gemacht und Pläne zu dessen besserer Verwendung im Inlande entworfen, um namhafte Summen nach Sachsen zu ziehen. Das erste Resultat dieser Bemühungen war, daß der Kurfürst zwei Farbenarbeiter aus Holland kommen ließ, um in Sachsen Farbenmühlen einzurichten.
Seit 1611 entstanden nun nach und nach Farbenwerke am Grenzbach, in Pfannenstiel (1635), Schlema (1644), das schindlerische (1649), an der Sehma (1659), in Unterjugel (1665) und Zschopenthal (1680), welche im Laufe der Zeit oft verlegt oder in einander verschmolzen wurden und wir werden die weitere Geschichte derselben erwähnen, wenn wir die jetzt noch bestehenden zwei Blaufarbenwerke Ober-Schlema und Pfannenstiel näher besprechen.
Bei dem steigenden Bedarf von Kobalt wurde auch sein Abbau lebhaft betrieben und von 1620 bis 40, als die Silberausbeute gänzlich stockte, war es dieses sonst verachtete Erz ganz allein, welches den Schneeberger Bergbau unterhielt. Zugleich wendete sich die Aufmerksamkeit der Regierung immer mehr der vaterländischen Farbenbereitung zu und that Alles, sie zu heben: schon 1658 erließ der Kurfürst ein Verbot gegen den Handel mit Kobalt und setzte einen besondern Kobaltinspector ein, in Person des Johann Freistein, ihm die Instruction ertheilend, „auf die Kobalte sowohl in den Gruben, als in den Pochwerken und Kammern und auf das Rösten, Scheiden, Pochen und Stoßen derselben Acht zu haben, das Probiren derselben nebst dem Guardian zu besorgen u.s.w., vorzüglich aber auch darüber zu wachen, daß kein Kobalt ausgeführt werde.“
Am 22. Mai 1683 erließ Johann Georg III. ein noch strengeres und kräftigeres Verbot der Kobaltausfuhr und von diesem Zeitpunkt entfaltete sich dieser Industriezweig in Sachsen zur schönsten Blüthe.
Wenden wir uns nun zu näherer Betrachtung der Einrichtung der Blaufarbenwerke und der Farbenbereitung im Allgemeinen.
Bei den Gesammtblaufarbenwerken besteht die Einrichtung, daß kein Werk seine produzirten Farben für sich verkauft, sondern solche in die gemeinschaftlichen Lager nach Leipzig und Schneeberg sendet. Die gleichmäßige Absendung, Repartition der Farben, besorgt der in Schneeberg wohnende Communfactor. Die Ablieferung geschieht also von allen Werken in gleichen Theilen, so daß das Ganze als 5/5 betrachtet wird, von denen das königl. Werk Ober-Schlema als Doppelwerk 2/5, das Privat-Blaufarbenwerk Pfannenstiel aber, in welchem drei Werke vereinigt sind, 3/5 abliefert.
Diesen Werten steht das Recht zu, daß alle Kobalte, welche im Bereich des Königreichs Sachsen gefunden werden, allein an sie verkauft werden müssen. Deshalb stellen sich auch bei jedem Quartal Berg- und Blaufarbenwerkoffizianten in Schneeberg ein, um dort die Kobalterze chemisch zu untersuchen und nach dem Ergebniß den Werth der Kobalte an die Gruben zu bezahlen.
Der Kobalt wird vornehmlich aus den Gruben bei Schneeberg und Annaberg geliefert, aber auch hier in regelmäßiger Vertheilung, daß Ober-Schlema 2/5 und Pfannenstiel 3/5 der gewonnenen Erze zur Verarbeitung erhält.
Der Kobalt wird am häufigsten zur Herstellung des Safflors, der Smalte und des Zaffers benutzt und sind dazu folgende Hauptmaterialen nöthig: die Kobalterze, welche theilweise noch einer chemischen [80] Verbindung bedürfen; Potasche, Quarz und Arseniksäure als Zuschlag, welcher den Fluß der Beschickung befördert und als Correctionsmittel dient, daß keine schmutzigen und unreinen Farben zum Vorschein kommen.
Bisweilen sind die Kobalte schon in oxydirtem Zustande, wie z. B. der graue Erdkobalt, der Kobaltbeschlag, ist dieses nicht, so müssen sie erst durch Kunst oxydirt werden.
Alle Kobalterze werden erst aufbereitet und enthalten sie Wismuth, wie häufig der Fall, z. B. bei dem Spießkobalt, so wird derselbe durch Saigerung ausgeschieden.
Nun beginnt das Rösten oder Calciniren, eine wichtige Vorarbeit, welche in besonderen Oefen geschieht, von denen aus sogenannte Füchse oder Canäle in den Giftfang gehen, in welchen die sich entwickelnden Arsenikdämpfe und Gase ziehen. Sind die Erze völlig rein, so werden sie sogleich todt geröstet, enthalten sie aber fremde Metalle, so kann das Rösten nie vollständig geschehen, weil sonst später das Farbenglas dadurch verunreinigt werden würde. Fand nur eine unvollkommene Röstung statt, so zeigt sich bei dem Schmelzen eine Legirung, die Speise genannt, welche einen bedeutenden Handelsartikel bildet. Während des Röstens wird die Masse fleißig gewendet, bis keine Arsenikdämpfe sich mehr zeigen. Dann nimmt man die größesten Erze aus dem Ofen und ersetzt sie sogleich durch eine neue Masse. – Die Leute, welche das Rösten besorgen, heißen die Calcinirer.
Das geröstete Erz wird nun gesiebt und zu weiterer Behandlung aufbewahrt.
Von den übrigen Hauptmaterialen wird in der Vorarbeit der Quarz, zu dem man den weißesten wählt, auf besonderen Röstbetten mürbe gebrannt, und dann mit dem Pochstempel zerkleinert; die Potasche, auf deren Reinheit sorgfältig gesehen werden muß, wird nochmals calcinirt und dann gesiebt.
Die zweite Vorarbeit ist das Mengen, das Geschäft der Gemengmacher. Die zur Herstellung der Farben nöthigen Hauptmaterialen werden in hölzerne Kästen gebracht und dort gehörig gemischt.
Ist dieses geschehen, so beginnt die Hauptarbeit, das Schmelzen, welches in besonders eingerichteten Oefen geschieht. In diese Oefen sind Häfen oder Schmelztiegel aus festem, gutem Thon eingesetzt, in welche das Gemenge zu liegen kommt, um dort zu Glas verschmolzen zu werden. Das Schmelzen dauert gewöhnlich acht Stunden, nach welcher Zeit die Masse sich im Fluß befindet, worauf das Glas mit eisernen Löffeln aus den Häfen in einen danebenstehenden Trog mit Wasser geschöpft und dort abgeschreckt wird. Die Arbeiter, welchen das Schöpfen zugewiesen ist, heißen die Schürer.
In dem unteren Theil der Häfen befindet sich die Speise (Kobaltspeise), eine Verbindung von Arsenik mit Nickel und Schwefel, sowie etwas Kobalt, Eisen, Zink, Kupfer, Wismuth, Silber u.s.w., welche, leichter fließend und flüssiger als die Glasmasse, nicht mit ausgeschöpft wird, sondern nachdem man die Glasmasse in den Trog gebracht, läßt man die Speise in eiserne Eingüsse ab, welche in Form von Schüsseln dicht an dem Ofen angebracht sind; ist die Speise sehr silberhaltig, so wird sie später amalgamirt.
Die in den Trog geschöpfte Glasmasse ist blau; sie wird nun aus dem Wasser genommen, gepocht und durch ein Durchwurfsieb geworfen.
Die gesiebte Glasmasse kommt nun in die Mühle und wird dort auf Steine gebracht, welche sich in mit Wasser gefüllten Mühlfässern bewegen, und so gemahlen. Nach einigen Stunden wird der Farbenschlamm aus den Mühlfässern abgezapft und in die Waschfässer geschüttet, wo die feineren Theile abgesondert werden, die gröberen aber, das sogenannte Streublau, wieder auf die Steine kommen.
Die Farbe läßt man in dem Waschfaß fünfzehn bis dreißig Minuten ruhig stehen, worauf man sie in ein zweites Waschfaß abzapft, wo sich die Farbe niederschlägt. Die noch stark gefärbte, über dem Niederschlag stehende Flüssigkeit wird in das Eschelfaß abgelassen, wo man den Eschel gewinnt. Sowohl die gewonnene Farbe als auch der Eschel werden mehrere Male gewaschen, bis alle Unreinigkeiten entfernt sind. Zuletzt setzt das Wasser vom Verwaschen des Eschel die schlechteste Sorte, den Sumpfeschel, ab, welcher wieder in das Gemenge gebracht und von neuem verarbeitet wird.
[81] Die gewonnenen Farben und Eschel werden nun in geheizten Trockensälen oder auch an der Luft in den Trockenhäusern getrocknet, dann gerieben, gesiebt und endlich zum Versenden verpackt.
Alle diese Arbeiten stehen unter Aufsicht der Farbenmeister, welche für das Gelingen derselben verantwortlich sind.
Die Nuancen der Smalte und Eschel sind sehr mannigfach und werden nach normalen Mustern hergestellt. Der Farbenmeister muß die Probe der gewonnenen Farbe an den Communfactor in Schneeberg einsenden, welcher sie approbirt. Ist die Probe nicht mit dem Muster übereinstimmend, so ist der Farbenmeister verpflichtet, die Masse nochmals zu bearbeiten und so herzustellen, bis sie mustermäßig ist, und passiren darf.
Die oberste Behörde der Blaufarbenleute ist das Finanzministerium, sie stehen unter dem Oberbergamt und verkehren mit dem Bergamt.
Die Beschäftigung der Farbenarbeiter ist oft eine anstrengende und wegen der sich entwickelnden giftigen Dämpfe und Gase für die Gesundheit sehr nachtheilig und es hat selten einer auf hohes Alter oder ungestörte Gesundheit zu hoffen; die flüchtigen Theile des Giftes, die der Arbeiter einathmet und denen er nicht ausweichen kann, wirken zwar langsam, aber zerstörend auf den Körper.
Gleich den Bergleuten haben auch die Blaufarbenarbeiter bei Paraden ihre besondere Tracht. Dann tragen sie einen weißen Leinwandbergkittel mit blauem Steh- und Hängekragen und gleichfarbigem Aufschlag, weiße Leinwandhosen, blaue Schürze, schwarzen Schachthut mit der vaterländischen Cocarde. Dieser Hut hält zugleich die weiße Schleppe, mit breiten Barben geziert, fest. Während der Parade tragen die Arbeiter eins ihrer Werkzeuge, z. B. die Calcinirer ihre Krücke, die Schürer den Schöpflöffel u.s.w.; bei Abendparaden ziehen sie mit Fackeln oder Grubenlichtern auf. Die Offizianten tragen die Uniform der Bergoffizianten. Gleich dem Bergmann grüßen auch die Blaufarbenarbeiter mit dem herzlichen „Glück auf.“ Ihre Insignien sind Krücke und Kratze.