Die neueste Klatschgeschichte
[308] Die neueste Klatschgeschichte. (Mit Abbildung S. 296 und 297.) Sie haben sich begegnet, zum guten Glück begegnet, die eifrigen Helfershelfer der Frau Fama, ehe Sie in das Schloß zur alten Herzogin-Witwe und Er zum Diner bei Seiner Excellenz dem Oberhofmeister getragen wird. Denn, o welch herrlicher Skandal schwebt in der Luft, eine Geschichte, so pikant, so köstlich, ein solches Kompromittirtsein hoher, ja sehr hoher Personen, daß einem vor Vergnügen das Herz im Leibe lachen muß. Nur ist es dringend nothwendig, alles so genau als möglich zu erfahren, darum schnell: Niedersetzen! die Sänftendeckel auf! – und nun beginnt oben in freier Luft, trotz der in dem engen Kasten unbequem geneigten Kniee, ein genußreicher Austausch der gleichgestimmten Seelen. Diesmal ist Er der besser unterrichtete, er hat es aus den zweifellosesten Quellen – die feingepflegte Hand in der Spitzenmanschette dozirt eifrig, aber mit gemessener Grazie. während der vorsichtige Lästermund nur in Andeutungen spricht, die indessen dem angenehmen Gegenüber im seidenen Schleppkleide mit der Coiffure à 1a Candeur und den kunstvoll gemalten Wangen durchaus verständlich sind. Die Minuten fliegen, eine Viertelstunde geht vorüber, die dicke Quaste, welche zuerst über dem Haupt des Barons schwungvoll pendelte, hängt längst unbeweglich herab – die beiden in ihrer Vertiefung merken nichts vom Flug der Zeit.
Anders freilich die Herren Lakaien. Das müßige Herumstehen sind sie gewohnt und vollbringen es den langen Tag über mit der Aufopferung guter und getreuer Knechte. Aber hocherhabenen Armes viertelstundenlang Sänftendeckel halten – dafür danken Johann und Fritz ergebenst, besonders, wenn vor ihren Augen die drei „Brettelhupfer“ der gräflich H … schen Equipage in seliger Ruhe vorübergondeln. Das ist eine andere Herrschaft, die Wagen und Pferde hält, wie sich’s gehört, und nicht in einer armseligen Sänke zu Hofe rückt – pfui Teufel! Fritz schwelgt in dem Gedanken, plötzlich seinem „Alten“ den Sänftendeckel auf den tadellosen Puderkopf fallen zu lassen; einstweilen erlaubt er sich ein halblautes Gähnen als Mahnung und wird diesem im Bedarfsfall ein lautes folgen lassen – sein Herr weiß wohl, warum er es mit ihm nicht verderben darf!
Voll stiller Ergötzung schaut auf diese europäische Dreistigkeit und auf den geschwätzigen Greis im Kasten der kleine mopstragende Neger des Hoffräuleins. Er amüsirt sich über die Weißen nicht im geringsten weniger als sie sich über ihn, den kleinen Hassan!
Und ruhig betrachtet die heimkehrende Marktfrau das Duett in der Sänfte wie eine ganz gewohnte Erscheinung. Sie weiß es eben nicht anders, als daß die Herrschaften nur zu ihrem Vergnügen leben, daß gemeine Leute arbeiten und der ehemalige Soldat nun als armer Krüppel dort an der Ecke sein Brot erbetteln muß.
Mit feinem und satirischem Humor hat unser Künstler dieses Bild
aus der „guten alten Zeit“ festgehalten. Wir sehen sie leibhaftig vor uns,
freuen uns an der gelungenen Darstellung – und denken zum Schluß:
das Beste daran ist, daß sie vorüber ist! Bn.