Die letzte Nacht
Sie sinkt, die Nacht! sie sinkt auf Mohn und Flieder,
im Grabgewand’, von Leichenduft umwebt,
ein kalter Schauder bebt mir durch die Glieder,
Indeß der freye Geist sich zu entfesseln strebt!
Verrauscht[1] der Freude goldnes Saitenspiel!
Kein Gott facht die verlosch’ne Flamme wieder
Im öden Busen an – ich bin am Ziel!
Ich hör’ im Sturme, der die hohe Eiche
Im dumpfen Schilfgeflüster, das am trüben Teiche
Sich traurig hin und her im Winde neigt,
Wie aus gebleichten Schädeln, hohl und düster,
Der Abgeschiednen Stimme: folge mir!
Zu mir heran, und hauchen: folge mir!
Ich folg’ euch gern! ach, an Unmöglichkeiten
verlosch des Lebens einst so schönes Licht! –
Wer zürnt dem Kranken, dem’s im Kampf mit seinen Leiden,
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Vernimm du, Wesen! das ich ewig liebe,
Dies Herz erträgt den bittern Kampf nicht mehr!
Vergebens rang es mit Vernunft und Liebe,
ihr Widerspruch wird seiner Kraft zu schwer!
dies bange Traumgebild, was soll es mir?
Wo einer lacht, wenn tausend andre beben;
Was kann ich lieben, wünschen – außer dir?
Ich eil’ hinaus, ins schaudervolle Oede!
Und glüht mir jenseits keine Morgenröthe,
Der Grabesnacht entblüht Beruhigung!
Ich lechze auf nach hellern Lebensblicken!
Gewißheit blüht aus der Verwesung Staub!
Zu lange war ich hier des Wahnes Raub!
Schon seh ich Thau aus jener Wolke sinken
Schon fühl ich mich vom Morgenhauch umbebt
Wenn dieses Sternes letzte Stralen blinken,
Anmerkung (Wikisource)
- ↑ Im Druck korrupt.