Die kleine Haselmaus, ihr Thun und Treiben und ihr Winterschlaf

Textdaten
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Autor: Adolf Müller
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Titel: Die kleine Haselmaus, ihr Thun und Treiben und ihr Winterschlaf
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 2, S. 44–47
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1883
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Die kleine Haselmaus, ihr Thun und Treiben und ihr Winterschlaf.

Von Gebrüder Adolf und Karl Müller.

Aus der Ordnung der Nager wählen wir heute für unsere Betrachtung den keinsten, niedlichsten Vertreter der Unterordnung Bilche oder Schlafmäuse (Myoxina), die kleine Haselmaus.[1]

Vielen bleibt das Thierchen zeitlebens unbekannt; denn es verfällt dem ausgesprochensten Winterschlafe, der bei normaler Witterung, das heißt in strengen Wintern, volle sieben Monate währt, wie der des Siebenschläfers, und auch während des Sommers pflegt es zu schlummern, so lange die Sonne am Firmamente steht. Es liegt, theils den Kopf unter die Brust oder den Bauch geschoben, theils seitwärts zusammengerollt, Tags über in einem Schlupfwinkel des Waldbodens oder in einem kleinen, sehr künstlich geformten runden Neste verborgen, und erst wenn die Abenddämmerung eintritt, beginnt das Schläferchen sich zu regen. Vorsichtig und furchtsam lugt dann das erwachte Mäuschen aus dem Verstecke heraus, windet nach allen Richtungen hin mit dem Näschen und weilt oft eine Minute lang, halb dem Schlupfwinkel entstiegen, vor dem Eingange seines Nestchens oder vor

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Die kleine Haselmaus. Originalzeichnung von A. Müller.

[46] einem Wurzelloche, bis es, sich sicher glaubend, aus seinem Winkel hervorkommt. Leichtfüßig und flüchtig durchmißt es die Umgebung. Bewundernswürdig entfaltet es seine Kletterkunst auf den Stauden und Sträuchern des Niederwaldes, besonders des Haselgebüschs, bis in das schwankendste Gezweig hinauf.

In seiner Wachperiode liebt es die Gesellschaft von Seinesgleichen, und der aufmerksame Beobachter des Waldlebens belauscht dann in der Abenddämmerung oder im Mondschein eine Anzahl dieser allerliebsten Naturturner. Unter einem Haselbusche eines von dem Thierchen besonders besuchten Waldortes gelang es uns manchmal, das Thun und Treiben vereinigter Haselmäuse zu beobachten. Wie die Schatten bewegter Blätter im Mondschein, so huschen diese Zwerge über den Beobachter dahin, und hier und dort heben sich die niedlichen Silhouetten ihrer Figuren gegen den klaren Abend- oder Nachthimmel ab. Noch im vorigen Sommer belauschten wir das anmuthige Treiben einer Familie Haselmäuse, welches wir in der anseitigen Illustration möglichst lebenstreu wiederzugeben versuchten.

Unweit der Försterwohnung auf dem Waldorte „Stoppelberg“ bei Wetzlar hatte sich an dem Wurzelstocke eines großen Haselstrauches ein Haselmauspaar eine Familienwohnung gegründet und seine Jungen erzogen. Eichhörnchen en miniature gleichend, kletterte, hüpfte und spielte das Völkchen auf dem Schauplatze seiner Kindheit umher. Im Nu war das eine Mäuschen wie ein vom Winde bewegtes Blättchen im Schlupfloch des Nestes verschwunden. Da setzte sich das andere, ein Männchen machend, mit schiefgeneigtem Köpfchen mit den großen, wie dunke Perlen glänzenden Augen auf die Warte eines schwanken Zweiges, um sogleich dem wieder zum Vorschein kommenden Gespielen entgegen zu springen und das neckische Spiel mit reizend aufgehobenem Vorderpfötchen wieder zu beginnen. Bisweilen jagte das Paar um den Wurzelstock herum oder die Zweige des Haselstrauchs hinauf.

Nach solchen Touren pflegt sich die Familie zu putzen. Dabei sitzen die Kleinen bisweilen wie junge, eben erst ausgeflogene Vögelchen dicht gedrängt auf einem Zweige oder auf einer Wurzel und putzen sich ihre allerliebsten Gesichtchen, aus welchen schon kleine Schnurren hervorsprießen, mit den weißen feinen fingerartigen Zehen. Die Alten thun es den Jungen im Putzgeschäft zuvor, wobei sie manchmal selbst die Hinterfüße als Bürste zum Kämmen und ordnen des Pelzes gebrauchen.

Nicht minder anziehend als das Spiel gestaltet sich das Ernährungsgeschäft. Die Haselmaus weiß mit ihren feinen Nagezähnen Haselnüsse und Knospen wahrhaft künstlich durch eine verhältnißmäßig kleine Nagestelle auszuhöhlen. Dabei bleiben Nüsse wie Knospen an ihren Haftstellen hängen, sodaß es einer genaueren Untersuchung bedarf, um solche Pflanzenbestandtheile als angebohrte oder ausgehöhlte zu erkennen. An solchen Knospen stehen die Hüllen sternförmig aus einander, der zarteren inneren Theile vollkommen beraubt, während die Haselnüsse unter der unberührten grüngelben Hülse ein selten über fünf bis sechs Millimeter breites Nageloch in der unteren Spitze der Schale zeigen.

Wie oft haben wir das Nagegeschäft an unseren in Käfigen gehaltenen Haselmäusen belauscht! Es macht sich hörbar als ein im schnellsten Tempo erfolgendes leises Tremuliren und währt oft Stunden lang vom Abend bis zur Morgendämmerung. Der auffallende Umstand, daß unsere zahmen Haselmäuse ohne Unterschied wohl anfangs die Schale von Haselnüssen annagten, aber nie durchbrachen, sodaß wir den Thierchen die von der Schale befreiten Nüsse reichen mußten, die Wahrnehmung ferner, daß unsere Pfleglinge getrocknete Haselnüsse, Mandeln und Kerne von Welschnüssen in ihre Wassergefäße trugen, sowie daß sie vorzugsweise gern die genannten Nahrungsbestandtheile fraßen, wenn diese vorher in Flüssigkeit erweicht wurden – dies Alles bewies, daß die Thiere in der Natur gewiß die Nüsse in weicherem, noch nicht ganz gezeitigtem Zustande lieben und angehen. Und in der That verzehrt die Haselmaus im Freien vorzugsweise die noch nicht reifen Nüsse.

An unseren Thierchen beobachteten wir des Interessanten so viel, daß der uns hier gewährte Raum nicht ausreicht, alle geheimen Züge ihres Thuns und Treibens zu schildern. Nur die hervorragendsten und theilweise noch unbekannten mögen hier Erwähnung finden. So erweist sich die Behauptung, unser Thierchen tränke weder Wasser noch Milch, als irrthümlich. Mit hörbarem Schmatzen genossen unsere gefangen gehaltenen Mäuschen die Milch, und am Wassernäpfchen waren die Thierchen ebenso oft zu bemerken. Obgleich die keine Haselmaus in Bezug auf Temperament und seelisches Wesen das entschiedenste Gegentheil von ihren großen Verwandten ist, also nicht im Geringsten boshaft, listig oder stürmisch, sondern im Gegentheil sanft und höchst friedlich erscheint, so gelingt es doch nur sehr allmählich einem behutsamen, freundlichen Pfleger, den furchtsamen und scheuen Pflegling wahrhaft zu zähmen. Keines unserer gefangenen Thiere brachten wir dahin, daß es sich im Käfige mit der Hand hätte aufnehmen und offen davontragen lassen. Die Mäuschen duldeten zwar eine vorsichtige, stetige Annäherung des Gesichtes oder der Hand bis zum Gitter ihres Behälters, bei jeder weiteren, noch so leisen Annäherung aber flüchteten sie in ihre Verstecke.

Wenden wir jetzt unsere Aufmerksamkeit dem Winterschlafe der kleinen Haselmaus zu! Durch vieljährige Beobachtung ihres Freilebens haben wir im Gegensatz zu anderen Schriftstellern gefunden, daß sie nicht vereint mit mehreren von Ihresgleichen, sondern stets allein gewöhnlich in einem Kugelnestchen, zuweilen auch in einer Wurzelhöhlung ihren Winterschlaf hält.

Dieses Winternestchen ist der näheren Betrachtung werth; denn es stellt ein wahres Kunstwerk dar. Im weitesten Durchmesser sammt seiner Umhüllung nicht mehr als sechs bis sieben Centimeter haltend, bildet es bei fünfzehn Centimeter starker Wandung eine regelrechte niedrige Kugel. Diese ist inwendig aus zarten Bandgrashalmen oder auch Bastschnürchen von weichem Holze geformt, welche nach außen durch etwas breiteres, stärkeres Material derselben Art ersetzt werden. Ueber diesen horizontal und vertical geführten Halmen- und Schnürenanlagen sind Blätter, gemeinlich von der Haselstaude, dicht- und glattanliegend mit dem Speichel der Maus ausgekittet; das zeigt insbesondere der oft an den Blättern und Halmen noch deutlich sichtbare, eingetrocknete und wie Schneckenschleim glänzende Speichel. Dieses Winternest fertigt die Maus in der Regel in der Laub- oder Moosdecke des Waldbodens auf einer rostartigen Unterlage von Gras, Moos oder Blättern.

Hier liegt die Maus nun, selbst zu einer Pelzkugel zusammengerollt, die unwirthliche Zeit des Jahres über in tiefem Schlafe erstarrt. Schon bei eintretender Kühle des October verkittet sich die Schläferin in ihrem Kugelneste und erwacht erst bei milderem Wetter des April.

Gewiß reizt es den wahren Forschertrieb nicht wenig, das Wesen dieses Zustandes zu erkennen. Aber gewiß auch ist es auffallend, daß bis jetzt diesem hochinteressanten Gegenstande nicht der nachhaltige Ernst und Fleiß gründlicher Untersuchung entgegengebracht wurde. Wohl sind einzelne gute Versuche an typischen Schläfern angestellt worden; allein diese stehen vereinzelt da, weil sie nicht ergänzt und erweitert wurden. Wir können selbstredend diesen Gegenstand hier nur seinen Hauptgrundzügen nach skizziren und erlauben uns im Uebrigen auf unser eben bei Th. Fischer in Kassel erscheinendes Werk: „Thiere der Heimath“ hinzuweisen.

Zieht man in Betracht, daß unsere Fledermäuse, diese meist ausgesprochenen Winterschläfer, aus Mangel ihrer ausschließlichen Insectennahrung an die Winterruhe gebunden sind, so begegnet man von vornherein einem scheinbaren Räthsel, warum Thiere aus der Gruppe der Nager, wie Murmelthiere, Siebenschläfer, Ziesel, Hamster und Haselmaus, in diesen Zustand gerathen, da sie doch mit den anderen Nagern an keine einseitige Nahrung gebunden sind. Sobald aber in das eigentliche Wesen dieser Schläfer, in die Summe ihrer Lebensbethätigungen, ihr ganzes Thun und Treiben aufmerksam und gründlich eingegangen wird, löst sich der angedeutete Widerspruch.

Es muß eine andere Ursache der Erscheinung der wahren Erstarrung zu Grunde liegen, und wir finden sie in dem äußerst erregten, reizbaren Wesen der Schlafmäuse. Ihr außerordentlich empfindliches Nervensystem, dessen hohe Spannung sich in ihrem ganzen Thun und Treiben während der Wachperiode kundgiebt, erzeugt zuletzt die gegentheilige Erscheinung, eine Lethargie, in welche der thierische Organismus zur Herstellung eines Gleichgewichts in der gestörten Harmonie der Lebenskräfte übergehen muß. Und in der That, das ganze Wesen der Erstarrung bringt uns die Kehrseite des Zustandes von wachen Thieren zur Erscheinung. Wie wir bei der Schlafmaus im wachen Zustande die größte Spannung der Lebenskräfte, den erregtesten Puls und eine lebhafte Respiration mit hochgradiger Wärme, kurz die sprechenden [47] Symptome der Schnelllebigkeit, gewahren, welche wir aufgezählt haben, so bekundet sich die Erstarrung in völlig zurückgetretener Thätigkeit des inneren Organismus. An der kleinen Haselmaus bemerkt man im Zustande normaler Erstarrung nur alle drei bis fünf Minuten einen Athemzug, und an einer unserer Haselmäuse konnten wir selbst noch zu Anfang des März mit bloßen Augen kein Athmen bemerken. Erst mit Hülfe der Loupe entdeckten wir die Athmung, welche sich innerhalb drei bis vier Minuten in einem ruckweisen Aufblähen der Bauchseiten verrieth, worauf wieder ein vollkommener Ruhezustaud eintrat. Wurde die Schläferin den Sonnenstrahlen ausgesetzt, so trat bald Leben in den Organismus, das in auffallend erregterem Athmen und Pulsschlage bemerkbar wurde.

An schlafenden Murmelthieren haben interessante Versuche stattgefunden, welche im Wesentlichen mit den von uns an der kleinen und großen Haselmaus wie dem Hamster angestellten Untersuchungen übereinstimmen. Ebenso finden sich dieselben bestätigt in den Beobachtungen Fr. Tiemann’s in Breslau an dem Ziesel. Nach dem Chemiker Regnault bedurften erstarrte Murmelthiere unter der Luftpumpe nur den dreißigsten Theil des Sauerstoffs zur Respiration, den sie im wachen Zustande verbrauchten; ihr normales Athmen erwies sich also in der Erstarrung dreißigfach vermindert, und ihre Körperwärme war 4° R. tiefer als die der umgebenden Luft. Eines der untersuchten Thiere erwachte unter der Luftpumpe und starb in der des Sauerstoffs entbehrenden Umgebung; ein anderes verharrte in der Erstarrung ohne Schaden, und es erwachte, außerhalb der Glocke der Luftpumpe gebracht, bei + 20° R. Seine Respirationsbewegungen verriethen sich alsbald dem bloßen Auge, welches das alle drei bis fünf Minuten nur einmal erfolgende Athmen in der Erstarrung nicht gewahren konnte. Die vermehrte Athmung brachte auch die Körperwärme auf die sehr hohe normale der Thiere bis zu + 33 und 34° R.

Diese Andeutungen mögen genügen zur Charakteristik des Erstarrungszustandes. Es ist aber noch die Frage aufgeworfen worden, ob die Winterschläfer während der Winterruhe an Körpergewicht ab- oder zunehmen. Von einigen Autoren ist eine Zunahme behauptet worden, aber an den Fledermäusen hat unser Freund Karl Koch – der bewährteste Kenner der heimischen Handflatterer – bereits seit längerer Zeit eine merkliche Abnahme von 1/6 bis 1/3 ihres Körpergewichts während ihres Winterschlafes nachgewiesen. An unseren Schlafmäuschen gewahrten wir gleichfalls eine beträchtliche Abnahme ihres Körpergewichts am Ende ihrer Winterruhe, welche Thatsache neuerdings auch von anderer Seite bestätigt wird.

Es erweist sich sonach die mancherseits aufgestellte Behauptung, daß die Schlafmäuse in Folge ihres lethargischen Zustandes Fett ansetzen, im gegenwärtigen Falle als nicht zutreffend.

Bei der Zerlegung der Körper von der kleinen und großen Haselmaus fiel uns kein nur einigermaßen nennenswerther Fettgehalt desselben auf. Wir fanden vielmehr alle Körperbestandtheile merklich trocken und die Thiere überhaupt abgemagert. Bei einigen Schlafmäusen und Fledermäusen waren auch die Magen sehr trocken und deren Wände eingeschrumpft. Die Verdunstung der Flüssigkeiten im Körper der Winterschläfer erklärt auch die oft beobachtete Thatsache, daß unsere Fledermäuse für ihre Winterquartiere gerne feuchte Umgebungen, sogar mit Wasser versehene Orte aufsuchen und überhaupt alle aus der Winterruhe erwachende Schläfer vorzugsweise gern Flüssigkeiten zu sich nehmen.

Wir schließen diesen Artikel mit einigen Ausführungen über das Wesen des Winterschlafes, welche wir unserm oben erwähnten Werke entlehnen.

Alle diese Merkmale, welche wir aufgezählt haben, bieten hinlänglichen Stoff zur Erklärung, wie es unter unseren Schlafmäusen auch der kleinen Haselmaus ermöglicht ist, die sehr lange Epoche der Winterstarre ohne Nahrung zu bestehen. Der äußerst geringe Verbrauch des Sauerstoffs hängt selbstredend mit dem verlangsamten Athmen, also mit dem sehr verminderten Verbrennungsproceß des Kohlenstoffs im Körper zusammen. Die während des Sommers im Körper angehäufte Fettmenge giebt aber hinlänglichen Kohlenstoff zu dem geringen Verbrennungsprocesse in den Lungen ab und schützt den Schläfer vor Erfrieren.

Dieser Zustand flößt uns im Verlaufe seiner ganzen Erscheinung Verwunderung ein und fordert den Forschergeist zum regsten Nachdenken auf. Es ist kein eigentlicher Schlaf, diese Erstarrung; der Anblick eines in Lethargie versunkenen Thieres erzeugt eher den Eindruck eines Todten als eines Schlafenden. Wiederum aber bieten die Glieder und der ganze Körper nicht die langgestreckte Form der Todesstarre.

In eine Kugel zusammengedrückt, weilt der Körper regungslos, sodaß der unter die Brust und zwischen die Vorderbeine herabgezogene Kopf mit der Nase den vier auf einen Punkt vereinigten Pfoten begegnet und insbesondere der Schwanz unserer Haselmaus im Kreise, dicht an den zusammengezogenen Bauch gedrückt, nach vorn über die Stirn sich biegt. Das Gesicht der Maus liegt in starren Falten, und die Schnurren strecken sich abwärts wie ein zusammengelegter Fächer zu den Seiten der Schnauze bis zu den Flanken herab. Die Hinterpfoten sind zusammengeballt und die Vorderpfoten fest an die beiden Wangen gedrückt, sodaß sie nach der Winterruhe daselbst kahle Stellen zurücklassen.

Es ist ein Verharren zwischen Leben und Tod, oder besser zwischen Schlaf und Tod; denn der eiskalte Körper verharrt in einem ganz eigenthümlichen Stadium, näher dem Tode als dem Schlafe, in dem Scheintode. In diesem Zustande gewaltsam getödtete Thiere bleiben vollständig in ihrer Lage, wie mehrere Beispiele uns überraschend zeigten. Nichts ändert sich an diesen scheinbar schon todt Gewesenen, und selbst im Tode ist uns der Cadaver solcher Thiere noch ein Räthsel: er entbehrt der Todesstarre. Ebenso merkwürdig tritt an dem Körper der im Winterschlafe getödteten Thiere eine andere Erscheinung auf: die Leichen kleiner und großer Haselmäuse, die wir uns zu Modellen für Zeichnungen verschafften, zeigten trotz der herrschenden Ofenwärme kein Anzeichen der Fäulniß. An das Ofenfeuer gebracht, vertrockneten die Cadaver zu Mumien, ohne merklichen Geruch.

So steht der Forscher vor dieser merkwürdigen Erscheinung in der Thierwelt, wie vor einem unentschleierten Geheimniß, einem noch ungenügend gelösten Räthsel, und er muß auch hier der Worte des großen Dichters gedenken:

     „In’s Inn’re der Natur dringt kein erschaffe’ner Geist.“

Adolf Müller.

  1. Zum Unterschiede von dem Contingente der kurz- und langgeschwänzten oder der eigentlichen und Wühlmäuse ist diese Thiergruppe von der Wissenschaft zwischen die Eichhörnchen und Mäuse gebracht worden. Alle zu ihr gehörenden Arten zeichnen sich durch eine mausähnliche Körperform aus; sie sind mit einem Eichhornschwanze versehen. Die keine Haselmaus wird zum Unterschiede von ihrem größeren Verwandten, der großen Haselmaus oder dem Gartenschläfer (Myoxus nitela), in der Kunstsprache Muscardinus avellanarius benannt. Die erwachsene kleine Haselmaus erreicht die Größe von 7,5 Centimeter, den Schwanz eingerechnet; ihre Hautfarbe ist röthlichgelb, und nur die Brust und die Kehle sind weiß.