Die inhaltsschweren Worte
[164] Die inhaltsschweren Worte. Im Jahre 1830 trat der erste Landtag des Königreichs Sachsen zusammen, oder wie man ihn damals noch nannte, der „Ständetag“. Man versprach sich außerordentlich viel von dieser Versammlung, und es war daher natürlich, daß sich auch die Mitglieder derselben eine außerordentliche Wichtigkeit beilegten. So kam es, daß die gewählten Mitglieder insgesammt beschlossen, sich ein Jeglicher portraitiren und das Portrait lithographiren zu lassen. Man konnte also durch Ankauf aller in gleichem Formate gehaltener Bildnisse sich für ein billiges Stück Geld eine schöne „Gallerie zukünftiger Berühmtheiten“ anlegen, und jeder Einzelne konnte seine Verwandten und Freunde mit seinem Bildnisse erfreuen. Jeder mußte seiner Unterschrift irgend ein schönes klangvolles Motto, womöglich mit den Worten eines großen Dichters, beifügen, und wer selbst in den Dichtern keinen rechten Bescheid wußte, der zog einen Litteraturkundigen zu Rathe. Das Ständemitglied Neumann, ein tüchtiger Bauer, aber sonst kein Schriftgelehrter, gerieth an einen Spaßvogel, und auf dessen Rath schrieb er unter sein Porträt: „Drei Worte nenn’ ich Euch inhaltsschwer: Johann Gottfried Neumann!“ K. B.