Textdaten
Autor: Moritz Busch
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Titel: Die heiligen zwölf Nächte
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aus: Die Gartenlaube, Heft 51, S. 851–853
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1875
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Die heiligen zwölf Nächte.
Von Moritz Busch.

Die Tage, wo der Weihnachtsbaum leuchtet und Sanct Sylvester seine Freunde um die Bowle versammelt, sind vor der Thür. Eine Schilderung von Glauben und Brauch, wie das Volk sie an die Zeit vom Christabend bis zur Nacht des Dreikönigstages knüpft, dürfte daher jetzt nicht unwillkommen sein. Ich glaube namentlich die Gestalten und Vorstellungen in’s Auge fassen zu müssen, welche den altheidnischen Hintergrund des deutschen Volkslebens in jenen Tagen bilden. Vieles davon ist heutzutage verblaßt oder ganz verschwunden, wenigstens in den Städten und da, wo die Eisenbahnen wirken. Anderes lebt fort, zumal unter Kindern und alten Leuten.

Die christliche Kirche feiert diese Zeit mit nächtlich erleuchteten Gotteshäusern, in denen unter Orgelschall die Lieder von der Geburt des Weltheilandes erklingen und dem frommen Gemüthe das heilige Kind in der Krippe, umgeben von seiner Mutter, den freudenvollen Hirten und den anbetenden und Gaben spendenden drei Weisen aus dem Morgenlande, erscheint. Früher allenthalben, jetzt nur noch hier und da schlossen sich daran die Umzüge der „Sternsänger“, die, mit geschwärzten Gesichtern und mit weißen Hemden und Goldpapierkronen von Haus zu Haus wandernd, in naiven Weisen dem Volke jene Bilder und Vorgänge vergegenwärtigten. Noch früher knüpften sich an die kirchliche Weihnachtsfeier und die ihr folgenden Feste förmliche Schauspiele, welche in Rede und Gegenrede und allerlei Gruppen die Begebenheiten der Evangelien, die uns von der Kindheit Jesu berichten, darzustellen bestimmt waren, und wo solche kleine Dramen sich nicht ausbildeten, wurde wenigstens unter Lobgesängen vor dem Altare das Christkind gewiegt.

Neben allen diesen Gebräuchen aber gingen andere her, die auf nichtchristliche Vorstellungen hindeuteten und in der That dem altgermanischen Heidenthume entstammten, das überhaupt noch Jahrhunderte nach der Zeit, wo die Deutschen sich Christen zu nennen begannen, im Denken und Empfinden der Seelen fortglimmte und noch heute in gewissen Volksheiligen, in gewissen Spukgestalten, namentlich aber in dem sich erhalten hat, was der Aberglaube in bestimmten Landschaften zu thun oder zu lassen gebietet.

In der Heidenzeit zogen die Götter in den nächsten Monaten nach der Ernte, entweder nur gedacht und in Visionen geschaut, oder durch Processionen dargestellt, segnend und Verehrung heischend durch die Lande: Wuotan, der Himmelsgott, auf seinem weißen Rosse, das die Sonne bedeutete, und mit seinem breiten grauen Hute, der die Wolkendecke versinnbildlichte; Berchta oder Frau Holle, die Erdmutter, die der Saat Gedeihen gab, die Bewahrerin der ungeborenen und früh gestorbenen Kinder, die Göttin, welche dem Hauswesen vorstand, hier und da wohl auch Donar, der Gewitterlenker, oder Fro, dessen Attribut, der goldborstige Eber, das Feld mit den reifen Gerstenähren darstellte. Allerhand Bräuche waren während dieser Annäherung der Gottheit an die Menschen zu beobachten. Große Schmäuse und Gelage fanden statt. Mancherlei Zauber wurde in diesen Wochen vorgenommen.

In der Heidenzeit ferner feierten die deutschen Stämme in den Tagen, wo jetzt auf den Kanzeln die Geburt des Erlösers verkündet wird, das eine ihrer zwei größten Jahresfeste, das sich um die winterliche Sonnenwende gruppirte. Wieder stiegen die Götter zu den Menschen hernieder, wieder verbanden sich mit ihrem Erscheinen oder der Vorstellung ihrer Nähe allerlei religiöse Handlungen, Gebote und Verbote, Aufzüge und Opferschmäuse; wieder knüpfte sich an den Gedanken, daß die hülfreichen Gewalten dem Hülfesuchenden näher als sonst seien, der verschiedenste Zauber.

Das Christentum hat diese Gebräuche nicht ausrotten, nur verwandeln können, und dasselbe war der Fall mit den Gestalten der Götter, die mit ihnen verehrt wurden. Jene sind aus symbolischen Handlungen religiöser Natur zu bloßen Lustbarkeiten, mehr oder minder inhaltslosen Possen diese, wo sie sich nicht in Heilige umgestalteten, zu Gespenstern oder Fratzenbildern geworden. Die Feste nahmen andere Namen an, die Ernteschmäuse des Spätherbstes hießen jetzt Kirmsen, das Julfest, die Feier der Wintersonnenwende wurde zum Weihnachts- und Neujahrsfest, die Feier des neuen Sonnenscheins, der sich mit der Geburt Christi über die Welt ergossen hatte, aber eine Menge von Sitten, abergläubischen Meinungen und zauberischen Handlungen blieben bestehen als Denkzeichen daran, daß sowohl die Adventszeit wie die der Zwölf heiligen Nächte einst anderen himmlischen Gewalten geweiht gewesen waren als jetzt.

Der „Schimmelreiter“, eine Mummerei, die bei den Kirmsen verschiedener Gegenden Norddeutschlands und Schlesiens aufgeführt wird, ist nichts Anderes als der alte Gott Wuotan der „Bär“, welcher ihn begleitet, der Eber Fro’s (Bär heißt im Plattdeutschen das männliche Schwein), der „Klapperbock“, der in Pommern in seinem Gefolge ist, das Attribut Donar’s. Der heilige Martin und der fromme Bischof Nicolaus sind ebenfalls nichts als ehemalige Götter. Welches Kind im Meißnischen und Brandenburgischen, in Niederschlesien und Thüringen endlich hätte nicht die Bekanntschaft des „Knechts Ruprecht“ gemacht, der in den Wochen vor Weihnachten von Haus zu Haus geht, um brummend zu fragen, ob die Kleinen gefolgt haben, und zuletzt aus seinem Sacke Aepfel und Nüsse unter sie zu werfen? Ruprecht, Hruodperaht (Ruhmespracht), war ein Beiname Wuotan’s, des stolzen Götterkönigs, der hier freilich von seinem sturmschnellen Rosse gestiegen ist, statt des flatternden Wolkenmantels einen Zottelpelz trägt, statt des Schwertes die Ruthe schwingt und als bloße Kinderscheuche vor uns steht.

Ganz ebenso wie von der heidnischen Feier der Erntezeit haben sich auch von den Sitten und Vorstellungen, die sich mit dem Julfeste der alten Germanen ausbildeten, eine große Anzahl bis nahe an die Gegenwart und in manchen Gegenden bis in diese hinein erhalten. Dieses Fest war, wie bemerkt, einer der beiden höchsten Feiertage unserer Urväter oder vielmehr ein ganzer Kreis von Feiertagen. Die ganze Periode von der Stunde an, wo die Sonne dem Anscheine nach ihren Wendepunkt erreicht, bis zu der, wo sie nach dem Volksglauben wieder vorwärts rückt, in der einen Gegend die „zwölf Nächte“, in der anderen einfach die „Zwölften“, wieder anderswo die „Rauhnächte“ oder die „Loostage“ genannt, war geheiligt. Während derselben hielt man sich möglichst still, ruhten die Ackergeräthe, die Spindeln und die Waffen. Man brachte den Ueberirdischen Opfer, besprengte die Wohnungen um Mitternacht mit Wasser aus heiligen Quellen zündete Feuer zu Ehren der Götter an oder rollte brennende Räder, das Symbol der Sonne, nach welchem das Fest (Jul gleich Rad) seinen Namen bekommen hatte, von Anhöhen herab. Bei den Festschmäusen spielte ein Schweinskopf die Hauptrolle; bei den daran sich schließenden Trinkgelagen [852] legte man Gelübde ab und pries den Ruhm der Götter. Endlich wurde in dieser Zeit der Herd erneuert.

Zahlreiche Spuren dieser Jul-Feier dauern, wenn auch meist verstümmelt und durch Zuthaten verunstaltet, in den Gebräuchen fort, die sich im Norden oder Süden Deutschlands an die heiligen zwölf Nächte knüpfen. Noch heute will in manchen Gegenden der Aberglaube des Landvolks, daß in dieser Zeit alle Arbeit und vorzüglich die der Spinnerinnen ruhe. Es darf nicht gewaschen werden, und kein Wagenrad soll sich drehen. Das Haus mußte sauber gefegt und gescheuert sein, wenn die heilige Zeit nahte, und noch jetzt wissen alte Frauen in den steierischen Bergthälern, daß auf den Höfen, die in der Weihnachtswoche nicht in Ordnung gehalten werden, die Kinder wegkommen. Diese Stille muß gewahrt werden, und wer in den heiligen Nächten die Thür zuschlägt, daß es Lärm macht, hat im folgenden Sommer den Blitz zu fürchten. In gewissen Strichen am Niederrhein geht unter altgläubigen Leuten die Sage, daß in der Nacht vor dem ersten Weihnachtsfeiertage während einer Minute, welche der Kundige wahrzunehmen weiß, alles Wasser Wein ist, daß das in dieser Nacht geschöpfte Wasser sich das ganze Jahr hindurch frisch erhält und gut gegen das Fieber ist, und daß in ihr die Glocken aller versunkenen Kirchen und Capellen ihr Geläute hören lassen. In Schwaben heißt es, daß die Sonne in der Christnacht zwei Freudensprünge thue und darauf ihren Lauf ändere, in welchem Augenblicke das Vieh in den Ställen und das Wild im Walde, auf den Knieen liegend, bete. Wer in Tirol in dieser Nacht um zwölf Uhr auf den Kirchhof geht und sich eine Handvoll frischer Graberde auf das Herz legt, befreit sich von Brustleiden. Holz am Weihnachtsabend gehauen dorrt nicht ein; alles, was an ihm gesäet wird, muß gedeihen; wer an ihm geboren ist, der sieht die himmlischen Geister.

An die Julopfer erinnert die schwäbische Sitte, nach welcher man zu Weihnachten eine Garbe für die Vögel auf eine Stange steckte, noch deutlicher aber der bei Alpach in Tirol noch vor einigen Jahrzehnten herrschende Gebrauch, am Christabend die Elemente zu füttern, wobei man Mehl in die Luft streute, etwas von einer Speise in die Erde vergrub, etwas in den Brunnen und etwas in das Feuer warf.

Die Ausbesserung des Herdes ist in folgenden Bräuchen erhalten geblieben. An der Sieg wurde noch vor zwei Jahrzehnten zu Weihnachten ein Klotz aus Eichenholz, gewöhnlich ein Wurzelstummel, in die Feuerstelle eingesenkt oder in einer dazu bestimmte Nische unter dem Haken angebracht, an dem der Kessel hing. Der Klotz glimmte, wenn Feuer angezündet wurde, mit, verbrannte aber kaum binnen Jahresfrist ganz. Seine Kohlen wurden, wenn er durch einen neuen ersetzt wurde, zu Pulver zerstoßen und auf die Felder gestreut.

Die Julfeuer, die das deutsche Heidenthum auf Bergen lodern ließ, erhielten sich am längsten in gewissen niederrheinischen Orten und zu Schweina in Thüringen, wo die Jugend auf dem Döngelsberge eine Pyramide aus Feldsteinen errichtete, zu welche man am Weihnachtsabend mit Fackeln hinaufzog, Weihnachtslieder sang und zuletzt die Fackeln auf einen Haufen warf.

Ein anderer an heidnische Sitte gemahnender Festbrauch war das Verwachen der Christ- oder der Neujahrsnacht. Sogar die Hausthiere durften sich dem Schlafe nicht überlassen, ja in Thüringen pflegte man in den Zwölften selbst die Obstbäume aufzurütteln und ihnen zuzurufen „Bäumchen, schlaf’ nicht! Frau Holle ist da.“

Besonders zahlreich haben sich die Beispiele von Nachklängen der alten Julfeier erhalten, nach denen man meinte, in der mit göttlichen Kräften erfüllten Zeit der zwölf heiligen Nächte, namentlich aber in der Christnacht die Zukunft erforschen und durch Zauberwerk sich Glück sichern zu können.

Wenn man sich im Ober-Innthale, während es zur Christmette läutet, unter drei Brücken das Gesicht wäscht, so sieht man Alles, was das nächste Jahr bringen wird. Wenn man am heiligen Abende auf Kork schwimmende Lichtchen in Wasser setzt, so kann man an der Dauer ihres Brennens erkennen, ob man noch lange leben wird, oder nicht. Noch jetzt gehen hier und da Abergläubische in dieser Nacht in die Wintersaat, um die Geister von kommenden Dinge reden zu hören. In der Christnacht gießen in verschiedenen Gegenden die Mädchen Blei, um den Stand ihres Zukünftigen zu erfahren. Wenn man im Eisackthale wissen will, was das nächste Jahr Einem bescheeren wird, so muß man in der Christnacht Schlag zwölf Uhr mit einem Mörser voll Mohn auf einen Kreuzweg gehen und mit der Keule dreimal zustoßen, worauf man in dumpfe Tönen hört, was Einem Wichtiges passiren wird. Was man in Kalw bei Stuttgart in den zwölf Nächten träumt, das wird in den zwölf Monaten des folgenden Jahres wahr. In thüringischen Dörfern horchen die Mägde in der Weihnacht auf der Schwelle des Pferdestalles, und wenn ein Hengst wiehert, so glauben sie, daß bis zu Johanni ein Freier bei ihnen erscheinen wird. Andere schlafen um zukünftige Dinge zu erfahren, in der Pferdekrippe. Wieder Andere lauschen an Kreuzwegen und Marksteinen; vermeinen sie Schwertergeklirr oder Roßgewieher zu vernehmen, so prophezeien sie für das nächste Frühjahr Kriegsnoth.

Diese Beispiele eines aus der Heidenzeit stammende Aberglaubens, der in den Zwölften prophetische Versuche anstellt, ließen sich noch durch Dutzende vermehren. Noch zahlreicher aber sind die, wo der Abergläubige in dieser Zeit sich Zauberkräfte zu verschaffen bemühte. In der Christnacht um die zwölfte Stunde gossen und gießen dann und wann noch jetzt die Jäger Freikugeln, die Alles treffen sollen, was man wünscht, sei es auch meilenweit entfernt. Zu derselben Zeit grub man die Springwurzel, die durch bloße Berührung Schloß und Riegel öffnete, schnitt man die Wünschelruthe, welche verborgene Schätze verrieth, und suchte man den unsichtbar machenden Farnsamen. Im Pusterthale versuchten die Wildschützen sich „gefroren“, das heißt kugelfest zu machen, indem sie das Lamblbrod aßen, das während der Christmette gebacken werden mußte und zwar aus während derselben gemahlenem Mehle und dem Blute eines ebenfalls während derselben geschlachteten Lammes. Kugelfest und unsichtbar zugleich sowie überdies befähigt Diebe herbeizubannen, wird man zu Trens in Tirol, wenn man in der Christnacht, sobald es auf Zwölf aushebt, in einen Kirchthurm geht, sich ein Stück vom Glockenstrange schneidet und, bevor es ausgeschlagen hat, wieder in’s Freie läuft. Doch muß man dabei allein sein und kein Wort sprechen, was auch geschehe. Ebendaselbst kann man sich in der Christnacht eine Sense verschaffen, die niemals ihre Schneide verliert. Zu diesem Ende setzt man sich in der Tracht, die Adam vor dem Falle trug, auf den Dachfirst, um zu dengeln. Sobald man hier auf der Sense einen Gang gemacht hat, erscheinen allerlei Spukgestalten, das wilde Heer, Leute ohne Köpfe, Hexen, Lastwagen von Ameise gezogen, Reiter auf Heupferden, zuletzt der Teufel in eigener Person. Läßt der Dengler sich dadurch verblüffen und in die Flucht treiben, so fährt der Böse mit ihm in die Hölle, bleibt er aber ruhig, so nimmt jener die Sense und wetzt sie ihm.

Von den Tagen nach dem 25. December weist gleich der nächstfolgende, jetzt dem heiligen Stephan geweiht, deutlich auf altheidnischen Brauch hin. In Schwaben und am Niederrhein heißt er im Volksmunde der „Pferdstag“, indem man hier an ihm, wie anderwärts zu Pfingsten, in Schaaren von Ort zu Ort reitet und eine Art Wettrennen anstellt. Das soll vor Hexerei und Seuche schützen. Früher schlug man an diesem Tage den Pferden eine Ader, auch nagelte man ihnen Roßhufe über die Stallthüren zur Abwendung von Zauberei.

Eine Erinnerung an die Schmause und Gelage der Julzeit haben wir in der sogenannten Johannisminne oder dem Johannissegen vor uns, einem in katholischen Gegenden Schwabens sowie in Tirol noch üblichen Gebrauche. Beim Julfeste leerte man auf das Gedächtnis der Götter feierliche Becher, und noch heute wird am 27. December in der Nachbarschaft von Eßlingen von jedem Gliede der Dorfgemeinde ein Maß Wein zur Kirche gebracht, dort vom Pfarrer geweiht und hierauf zu Hause getrunken, indem man meint, daß dies vor allem Schaden bewahre. Im Lechthale sichert es vor dem Blitze, im Pusterthale vor dem „Vermeintwerden“, in anderen Strichen Tirols giebt man von dem Johannissegen den Brautleuten bei der Trauung zu trinken. Ein anderer Rest der Julschmäuse ist der Eberkopf, der in vielen Gegenden Englands am Christfeste herkömmlich auf den Tisch kommt, sowie die Eberform, die in Schweden das Weihnachtsgebäck hat. Weitere Ueberbleibsel des heidnischen Julfestes in der Speisekarte der zwölf Nächte mögen wir in dem schwäbischen [853] Huzelbrod, in den Neujahrskuchen, die man zu Neujahr im Bergischen bäckt, in den Christstollen Mitteldeutschlands, in den Pfeffernüssen in Mecklenburg und Pommern, in den Knödeln mit Heringen, die im Saalfeldischen nothwendige Sylvesterspeise sind, in dem Hirsebrei, den man in Dresden in Häusern von altem Schrot und Korn am Neujahrstage zu essen pflegt, damit es im begonnenen Jahre nicht an Gelde fehlt, mit ziemlicher Bestimmtheit vermuthen. Andererseits aber giebt es auch Gerichte, die in den Zwölften nicht genossen werden dürfen, und zwar gehören hierher Erbsen, Linsen und Bohnen. Wer dieselben in dieser Zeit dennoch genießt, bekommt, wenn der Aberglaube der Rockenphilosophie Recht hat, Krätze, Schwäre und Ungeziefer.

Wie bei den Festen der Erntezeit, deren Nachklänge sich jetzt um Martini und andere Tage des Spätherbstes gruppiren, so stellten sich in den Nächten des Mittwinterfestes die Götter ein, bald in milder, freundlicher Gestalt, bald nach ihrer erhabenen oder furchtbaren Seite, und auch hiervon zeigen die Tage der Zwölften deutliche Spuren. Ruprecht und Frau Holle sind bereits erwähnt worden. Jetzt treffen wir in dem alten Tübingen das Attribut Fro’s, des Gottes der Fruchtbarkeit, als weißes Schwein, welches in der Geisterstunde der Christnacht aus dem Kornhause an der Ammer die Marktgasse entlang bis an die krumme Brücke lief und dann verschwand. Der Böse ferner, der in verschiedenen Gegenden denen, die ihn citiren, erscheint, um ihnen Freikugeln, Farnsamen, stets schneidende Sensen und dergleichen zu geben, wird schwerlich ein Anderer sein, als Wuotan der „Wunschverleiher“, von der Kirche zum Teufel verwandelt.

Ganz vorzüglich aber gehört in diesen Zusammenhang der Umzug des „wilden Heeres“, welches in Westfalen gewisse Landstriche als „wilder Jäger“, „Buddejäger“, „Jäger Jap“ oder „engelske Jagd“ unsicher macht, und in Schwaben schon durch die Bezeichnung „Muotisheer“ oder „Wuotesheer“ als der Heereszug desjenigen Gottes bezeugt ist, welchem das Julfest in Deutschland vor Allem gegolten zu haben scheint. Bald als riesenhafter Reiter auf einem Schimmel, bald als rasselnder Wagen, bald als langer Gespensterzug braust schwäbischer Sage zufolge in der Weihnachtszeit und zu Neujahr dieser grausenvolle Spuk über das Land hin. Er hat seine bestimmten Wege, in Immenhausen und Pfullingen die Heergasse, in Undingen die Muotesgasse. Bisweilen läßt das wilde Heer eine wohlklingende Musik, auch Gesang von vielen hundert Stimmen hören. Ein gewaltiger Sturmwind saust vor ihm her. Kommt es einem im Freien entgegen, so thut man, um sich vor Gefahr zu sichern am besten, sich mit dem Gesicht auf den Boden zu legen, den Kopf zwischen ein Wagenrad zu stecken oder in ein Fahrgeleis zu treten. In Wurzacherried hörte es ein Hirtenknabe hoch in den Lüften kommen, wie wenn Hunderte von Kuhschellen läuteten. Bald war es wunderschöne Wolkenmusik, bald fürchterliches Lärmen. Klostermägde von Maria-Kirchheim im Ries gingen einmal noch spät Abends in’s Baierische hinüber, wo sie etwas auszurichten hatten. Auf einmal hörten sie ein Toben, Sausen und Brausen, Pfeifen, Geigen und Gesang. Die Mädchen legten sich augenblicklich in Gräben wobei sie die Arme kreuzweise über die Brust schlugen. Eine aber fand nicht schnell genug Platz, und so wurde sie von dem wilden Heere ergriffen und zwei Stunden weit durch die Lüfte mit fortgeschleppt, bis die Unholden sie bei einem Brunnen fallen ließen, wo ihre Gefährtinnen sie später bewußtlos auffanden. Bei Huldstetten muß man, wenn das „Muodersheer“ im Anzuge ist, die Augen schließen, weil man sonst erblindet, auch reitet ihm hier ein Mann auf einem weißen Pferde voraus, der auf einem Horne bläst und die Leute durch den Ruf: „Aus dem Wege! Aus dem Wege!“ warnt, und welchen man schlechtweg den „Schimmelreiter“ nennt.

Der wilden Jäger aber oder das wüthende Heer ist Niemand anders, als der zu einem Gespenste gewordene alte Heidengott Wuotan mit der Schaar der nach Walhalla geladenen Helden, der an seinem Feste durch die Lande zieht. Wäre daran noch ein Zweifel gestattet, so müßte er bei der Betrachtung des Umstandes schwinden, daß der Anführer des Geisterzuges in einigen Landstrichen geradezu der „Breithut“ heißt, was dem Beinamen „Sidhöttr“ entspricht, den Odhin, der skandinavische Wuotan, in der Edda führt.