Die freigebigen Juden (Gräve, 1839)

Textdaten
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Autor: Heinrich Gottlob Gräve
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Titel: Die freigebigen Juden
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aus: Volkssagen und volksthümliche Denkmale der Lausitz, S. 70–71
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Erscheinungsdatum: 1839
Verlag: F. A. Reichel
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Erscheinungsort: Bautzen
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Quelle: MDZ München, Commons
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Siehe auch Bautzen
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XVI. Die freigebigen Juden.

Auf dem Protschenberge bei Budissin befindet sich auf der gegen das Schloß Ortenburg liegenden Seite, eine Art, anfänglich schmaler, nachher aber sich erweiternden, etwa acht Schritt in den Berg hineingehende Höhle – gegenwärtig der Fledermäuse Residenz – die Judenschule genannt, von welcher man sich erzählt:

Zur Zeit der Judenverfolgungen sollen ihrer Sicherheit wegen, und um nicht in ihren Religionsübungen gestört zu werden, sich mehrere Juden daselbst versammelt und feierlich angelobt haben, daß, wenn sie unentdeckt bleiben und unbehindert mit ihrem Vermögen nach Polen gelangen, sie dieses nie vergessen, vielmehr jährlich an einem bestimmten Tage an diesem Orte reichlich Spenden vertheilen würden.

Ihr Abgang muß ungehindert geschehen seyn; denn, als einst im 16ten Jahrhunderte eines Sonntags (soll der Erlösungstag aus der babylonischen Gefangenschaft gewesen seyn) nach der Frühkirche, ein ehrsamer Bürger Budissins, Namens Gotthelf Arnst, in dieser Gegend lustwandelte, trieb ihn die Neugierde an, diese Höhle zu besuchen. Er trat hinein und – wahrscheinlich war sie zu jener Zeit geräumiger, als gegenwärtig – erblickte sieben Männer in polnischer Judentracht, mit ehrwürdigen, weißen Bärten, sitzend um eine runde Tafel und in Goldstücken wühlend. [71] Bestürzt über diese ungewöhnliche Erscheinung wollte er zurückgehen, allein man rief ihm zu: „Fürchte dich nicht! denn wir sind nicht hier, um Böses, sondern Gutes zu thun!“ worauf man ihm denn erzählte, was der geneigte Leser bereits weiß, nämlich ihre ungestörte Reise nach Polen vor einigen hundert Jahren und daß ihre abgeschiedenen Geister jährlich an diesem Tage hier zusammenkämen und den, der sie träfe – aus Dank für ihre Rettung – beschenkten. „Nimm daher – fuhren sie fort – so viel du kannst und willst; denn nur einmal ist es Jedem zu kommen erlaubt; jedoch beeile dich, denn bald ist sie verronnen die Zeit, während welcher es uns vergönnt ist, hier auf Erden zu weilen.“

Arnst nahm sein Taschentuch, packte des Geldes ein so viel er vermochte und begab sich dankend aus der Höhle.

Als er mit seiner Geldlast den Berg erklommen hatte, vernahm er einen dumpfen Knall, welches – wie er später erfuhr – das Verschwinden der freigebigen Juden bedeutete. Mit dem Gelde soll er sich Häuser und Feld und darunter auch den unfern Budissin gelegenen sogenannten Weinberg, welchen späterhin ein gewisser Steinberger ausbaute, erkauft haben und als ein wohlhabender Mann gestorben seyn. Ob irgend ein Anderer nach ihm wiederum diese Höhle besucht habe und ebenfalls so glücklich gewesen sey, davon schweigt die Sage.