Die französische geheime Polizei in Deutschland
„Es muß in der deutschen Nation das Gefühl des Unwillens erhalten werden über den Druck und die Abhängigkeit von einem fremden übermüthigen Volke!“ Also rief Stein, „der Deutschen Edelstein“, als welchen ihn Arndt pries – „le nommé Stein“, „der Namens Stein“, wie das berüchtigte Aechtungsdecret des ersten Napoleon sagte – schon im Jahre 1808, und wer einen Blick auf die reiche Literatur wirft, welche gelehrt und populär die Zeit von Deutschlands größter Erniedrigung und endlicher Befreiung zum Gegenstand ihrer eindringlichen Schilderung gemacht hat, muß zugeben, daß die Mahnung des großen Patrioten und Staatsmannes nicht ungehört verhallt ist, sondern in einer Weise fort und fort gewirkt hat, die uns, den Enkeln, nunmehr die segensreichste und herrlichste Frucht verspricht.
Das nationale Bewußtsein unseres Vaterlandes ist auf das Lebhafteste angeregt; die Begeisterung, mit welcher Deutschland im Jahre 1813 den gewaltigen Kampf mit dem großen Würger Napoleon aufnahm und von der wir immer als von einer Sache erzählen hörten, die in ihrer wahren Größe und Herrlichkeit gar nicht gedacht werden, gar nicht mehr wiederkehren könne, hat die deutschen Herzen auf’s Neue ergriffen, die Zeiten der Zersplitterung und Schwäche sind vorüber, und Deutschland ist als Weltmacht wieder in die Geschichte eingetreten. Um diesen glänzenden Ideen zum dauernden Siege zu verhelfen, ist es – und das ist der Sinn der Stein’schen Worte – nicht die schlechteste Hülfe, den Blick selbst in sturmbewegter Gegenwart nach rückwärts zu wenden und in die Erinnerung gerade die traurigsten Blätter der Geschichte zurückzuführen auf denen die Folgen nationaler Entwürdigung mit unverlöschlicher Schrift geschrieben stehen. Es wird von Nutzen sein, in dem Augenblicke, da das französische Heer, die räuberischen, blutdürstigen, mordgierigen Horden Afrikas an seiner Spitze, zum Einbruch bereit an unseren Grenzen steht, sich jener Unbilden zu erinnern, die das deutsche Volk – Dank seiner Uneinigkeit – auf seinem eigenen Boden von den Franzosen erlitten, wie diese in unserem großen, aber machtlosen Vaterlande gehaust, geplünderte Städte zerstört, Landschaften verwüstet, die Unterdrückten mit Schmach und Hohn überschüttet und ganze Länderstriche vom deutschen Reiche losgerissen haben. Die Erinnerung solcher Schmach, die, wir wiederholen es, nur durch deutsche Zwietracht möglich wurde, muß unserem Volke nun zur Wohlthat werden, wenn sie seine Herzen mit Scham und Zorn erfüllt, und darum rollen wir heute, indem wir den vortrefflichen Arbeiten A. Tellkampf’s, dann Venturini’s und Anderer folgen, vor dem Blick unserer Leser ein Bild auf, das von der höchsten Verworfenheit Zeugniß geben soll, mit welcher die französische Gewaltherrschaft unsere Zustände vergiftete.
Die riesenhafte Größe der französischen Erpressungen in Norddeutschland ist bekannt; der Gesammtwerth derselben betrug, soweit solche durch Daru’s Hand gegangen waren, nach dessen eigener Angabe die Summe von 513,744,410 Franken und 90,483,511 Franken Werth an Lieferungen von Lebensmitteln, Bekleidungsgegenständen, Hospitalbedürfnissen etc., zusammen also 604,227,921 Franken, außer dem, was die einzelnen Orte und Einwohner den oberen Befehlshabern, den Officieren, Commissarien und Soldaten hatten geben müssen.
Was aber außer dem Druck unerschwinglicher Kriegssteuern und anderer Erpressungen im nördlichen Deutschland die Gemüther am tiefsten gegen die fremde Gewaltherrschaft erbitterte, war die polypenartig durch die ganze Bevölkerung sich verbreitende, von Paris ausgehende und zum Theil direct von dorther geleitete geheime Polizei. Mit ihrer Hülfe hoffte Napoleon jede Regung zum Versuch, das ihnen verhaßte Joch abzuschütteln, bei den in Fesseln gehaltenen Deutschen schon im Keim ersticken zu können, und nicht leugnen läßt es sich, daß unter Fouché’s Leitung das Institut seiner geheimen Polizei mit der verrufenen spanischen Inquisition glorreich wetteiferte.
Mit besonderem Erfolge entfaltete sie sich im Königreiche Westphalen, wo ein Decret vom 27. Januar 1808 den Staatsrath Pothau zum Polizeipräfecten ernannte, dem am 18. September der Chevalier Legras de Bercagny als Generaldirector der haute-police nachfolgte. Dieser Bercagny, ein feingebildeter Franzose von umfassenden Kenntnissen, dabei ein schöner Mann, liebenswürdig, wenn er wollte, und von hinreißender Beredtsamkeit, war in hohem Grade leidenschaftlich und daher zu den ärgsten Gewaltsamkeiten geneigt. Der deutschen Sprache nicht mächtig, mußte er sich auf die französischen Rapporte und Uebersetzungen seiner Untergebenen verlassen, die oft voller Ungenauigkeiten und Entstellungen waren und daher das Maß seiner Ungerechtigkeit nur steigerten.
Zu seinem Generalsecretär wählte er einen gewissen Savagner, der früher bei einem Gerichtshofe in Straßburg gestanden hatte, aber seines unordentlichen Lebens wegen entlassen war. Bald wurde er der Liebling seines Chefs, da er unruhigen Geistes und immer geschäftig, alle Triebfedern der Maschine in unaufhörlicher Bewegung erhielt und als vollendeter Roué alle Elemente der sittlichen Verkommenheit aufzuspüren und in die Dienste der hohen Polizei zu ziehen wußte. Hierin unterstützten ihn zwei Subjecte gleichen Schlages, aber wo möglich noch gemeinerer Natur, der Polizei-Inspector Würtz und der Agent Kroschky.
Letzterer, ursprünglich Mitglied einer Gaunerbande und als solcher im Gefängniß, fand durch seine Concubine Gnade bei Savagner und Anstellung als Agent der geheimen Polizei. Er zeigte sich unerschöpflich in Berichterstattungen, die ihm um so leichter und geläufiger wurden, als er sehr sinnreich in Erdichtungen zum Verderben Anderer war. Mehr bedurfte es nicht, um Savagner ganz zu gewinnen. Am Ende verwickelte sich aber Kroschky in solche Verbrechen, daß er arretirt und criminell behandelt wurde. Nie war ein öffentliches Verhör von dem gegen ihn erbitterten Publicum so überlaufen wie das seinige. Er wurde mit einem unschuldigen Bürgermädchen confrontirt, welches er durch teuflische List zu verführen gesucht; nur ein Wunder ihrer Standhaftigkeit rettete sie noch, als er sie sogar schon bedroht hatte, daß, wenn sie sich nicht in seinen Willen und in seine höheren Zwecke fügte, ihr Vater seinen Erwerb bei Hofe und ihre ganze Familie ihr Brod verlieren sollte. Deshalb und noch anderer Streiche wegen verfiel er in Gefängnißstrafe, aus der er zwar mit Hülfe seines Gönners zum allgemeinen Entsetzen wieder Freiheit fand, doch gelang es der Vorstellung der Bürgerschaft, seine Entfernung endlich dauernd zu erwirken.
Ein College und Nebenbuhler des Generalsecretärs Savagner war der Schweizer Schalch, früher Commis in einer Galanteriewaaren-Handlung in Paris, der sein Geschäft aber mehr als jener im großen Styl zu behandeln wußte und sich weniger in das schmutzige Detail der niedrigen Region einließ. Er selbst genoß sein Sündenbrod größtentheils in Unthätigkeit; denn er ließ nur immer Andere handeln, setzte sich alsdann zu Gericht, verdammte oder sprach frei, band und löste nach Willkür, oder theilte sich in den Raub, den ihm seine dienstfertigen Geister zugeführt hatten. Am längsten und liebsten verweilte er in dem Hintergebäude des Hôtels der Polizei, wo die geheimen Sachen im strengsten Sinne des Wortes geschmiedet und betrieben wurden und dessen Schwelle kein Fuß eines Profanen betreten durfte. Hier beschäftigte man sich mit Dechiffriren, mit geheimen Beantwortungen, mit Fabrication von erdichteten Briefen, die, bald von einem reisenden Kaufmanne, bald unmittelbar aus London datirt, in dem westphälischen Moniteur als echt aufgetischt und aufgedrungen wurden.
Es mag an der Vorführung der hier genannten Werkzeuge [520] der Napoleonischen Polizei genügen, um wenigstens an einzelnen Beispielen zu zeigen, welche Subjecte in jener schmachvollen Zeit der Gewaltherrschaft dazu verwendet wurden, mit der Ehre und Freiheit, ja mit der ganzen Existenz der Unterdrückten ein so ruchloses Spiel zu treiben, daß die Feder sich scheut, die Einzelheiten nach dem Berichte der glaubwürdigsten Zeugen wiederzuerzählen.
Unterstützt wurde die hohe Polizei des westphälischen Reiches durch den Obersten Bongars, der als Oberstlieutenant und Maréchal des logis dem Könige Jerome aus Frankreich gefolgt war, und der später, nach Bercagny’s Beseitigung, als General-Inspector der Gensd’armerie an die Spitze der hohen Polizei des Königreichs gestellt wurde. Dieser Bongars, ein Mann von hohem, stattlichem Wuchse und bedeutungsvollen Zügen, hatte die Verstellung so in seiner Gewalt, daß sein Gesicht im schlichten, bürgerlichen Leben nie ohne Anmuth war und selbst zur Stunde der furchtbaren Inquisition etwas Zutrauenerweckendes behielt. Er war also vermöge seines Charakters und des Aeußern ganz für die Stelle geeignet, mit welcher ihn das Vertrauen des Königs belehnt hatte. Als geborener Franzose redete er das Deutsche sehr schlecht, d. h. nur gebrochen. Verhöre pflegte er nach Fouché’s Muster gar nicht anzustellen. Hatte er aber Männer zur Inquisition, welche entweder Muth und Entschlossenheit genug besaßen, um sich dreist gegen ihn zu erklären, oder bei welchen er Geistesgegenwart und Kenntnisse genug voraussetzte, um wohlgegründete Einwürfe von ihnen erwarten zu müssen, so hielt er einen Troß seiner Gesellen in der Nähe, welche bald zugegen sein mußten, wenn er den Hauptinhalt der Anklage auftischte, bald im Zimmer auf und nieder schritten, den Verhafteten strenge in’s Auge fassen und vom Kopfe bis zu den Füßen in dem Augenblicke fixiren mußten, wo seine Vertheidigung beginnen sollte.
[521] Daß die Pariser Polizei mit der westphälischen in genauer Verbindung stand, ist eine bekannte Sache; aber bemerkenswerth ist es, daß unter den Kasseler Polizei-Officianten sich mehrere von Frankreich besoldete Individuen befanden, die von allen Vorfallenheiten am westphälischen Hofe nach Paris Bericht erstatten mußten, und es ist zu vermuthen, daß hierin großentheils der Grund der Geringschätzung des Kaisers gegen seinen ganz charakterlosen Bruder lag. Zu diesen geheimen Referenten, die ein doppeltes Gehalt bezogen, gehörte namentlich der oben erwähnte Savagner, und die endliche Entdeckung seines doppelgängigen Spiels mußte denn zuletzt auch seinen Sturz herbeiführen. Er wurde des Landes verwiesen, Bercagny aber, der den Unwissenden spielte, mußte seine Stelle an Bongars abtreten.
Aber die französischen Gewalthaber in Deutschland begnügten sich nicht mit der ihnen zu Diensten stehenden Einwirkung der hohen Polizei, sondern trafen, wo es ihnen genehm war, selbsteigene polizeiliche Verfügungen im großartigsten Styl. Bekannte Beispiele davon sind die empörenden Verhaftungen und Hinrichtungen des Buchhändlers Palm in Nürnberg und des Herrn von Finkh in Oldenburg. Ein drittes giebt das Verfahren der Franzosen in Braunschweig durch Einmischung des Marschalls Davoust. Dort, wo seit dem Herbste 1811 das wegen seiner Bedrückungen, Bravaden, Anmaßungen und thätigen Verunglimpfungen verhaßte dritte französische Kürassierregiment garnisonirte, war der Citronenhändler Claus beschuldigt worden, den Kürassiercapitain Gaignemaille wegen ehebrecherischen Umgangs mit seinem Weibe erschossen zu haben. Claus ward, ohne Eingeständniß des Mordes, vom Criminalgerichtshofe des Ocker-Departements zum Tode verdammt und in Braunschweig hingerichtet, wogegen sich Niemand setzte. Dennoch fand der Marschall Davoust nothwendig, ein Truppencorps von sechstausend Mann nach Braunschweig zu senden, alle Thore der Stadt zu sperren, geladene Kanonen mit brennenden Lunten auf den Hauptplätzen gegen die Straßen richten, sämmtliche Bürgerschaft entwaffnen, viele schamlos Beschuldigte gefänglich einziehen und unter Mitwirkung des westphälischen Kriegsministers eine Militärcommission anordnen zu lassen, welche beauftragt wurde, über die Verbrechen und Unternehmungen gegen die Sicherheit der großen Armee in Braunschweig militärisch zu richten. Nachdem man provisorisch einige westphälische Soldaten, die Händel mit Franzosen auf dem Tanzboden gehabt, zum schreckenden Exempel todt geschossen, fand sich bei genauerer Untersuchung, daß alle Verbrechen gegen die große Armee auf lügenhafte Berichte schändlicher Buben (worunter sich auch der Obrist des dritten Kürassierregiments und einige nichtswürdige Polizeispione befunden haben sollen) hinausliefen und jenes gewaltig angekündigte Strafexempel gänzlich unnöthig sei.
Inzwischen waren die Braunschweiger, besonders ihr Maire, dergestalt eingeschüchtert worden, daß Bekanntmachungen und Ermahnungen in Menge, gedruckt und ungedruckt, ergingen: „sich doch, um des eigenen Besten willen, ja keiner Beleidigung des französischen Militärs schuldig zu machen und dadurch wohl gar den Zorn des großen Kaisers oder den Grimm seines Oberfeldherrn Davoust auf die arme Stadt Braunschweig zu ziehen.“
Als durch solche Gräuel, deren die Einwohner des Fulda- und Werra-Departements schon mehrere früher erfahren, des Schreckens eiserner Thron fest gegründet zu sein schien, nahm man sogar die geheime Meinung und deren trauliche Mittheilung in gesellschaftlichen Cirkeln in Anspruch. Unterm 1. August 1812 erließ nämlich Bongars in alle Departements den Befehl, daß jeder, weß Standes und Ranges er auch sei, der sich erlaubte, Nachrichten über die Lage der Armeen im Norden zu verbreiten, welche nicht officiell und durch die im Umfange des Königreichs erlaubte öffentlichen Blätter bekannt gemacht worden, auf der Stelle arretirt, nach Kassel zur Rechenschaft gebracht und dort so lange in Verwahrung gehalten werden sollte, bis er denjenigen angegeben, von dem er die Nachricht erhalten habe. Der Polizeispione wurden täglich mehr; Männer und Weiber, vornehmen und geringen Standes, traten nun in Sold der geheimen Polizei. Das Wort, der Blick, die Mienen sogar wurden beobachtet; an öffentlichen Orten mußte vollends jeder Ausdruck bewacht werden. Auf den Pässen hatte man geheime Signalements, um sämmtlichen französischen und westphälischen Polizeibehörden jeden Reisenden gleich als unschädlich, verdächtig oder der Bewachung würdig zu bezeichnen. So ward des Schreckens Herrschaft gegründet, die Volksmoralität in ihren geheimsten Quellen vergiftet und das Landvolk selbst durch fremde und einheimische Buben, die sich dazu hergaben, bewacht. Jeder Polizeispion freute sich, wenn er irgend etwas auszuwittern vermochte, was als gefährlich nach Kassel gemeldet werden konnte, und es ist ebenso unglaublich als erwiesen, daß Väter und Mütter selbst ihre Söhne [522] fürchteten, die im Solde der Kasseler hohen Polizei standen, und mit angstvoller Heimlichkeit vertraute Freunde ermahnten, jedes Wort ja zu erwägen, wenn der spionirende Herr Sohn Polizei-Agent mit von der Gesellschaft sei.
Ueber die Wirksamkeit der geheimen Polizei in Magdeburg haben Papiere des dortigen General-Polizeicommissärs Schulze, eines Schlesiers von Geburt, Aufschluß gegeben, deren man habhaft wurde, als die französische Garnison (1814) abziehen mußte. Sie bewiesen, wenn es überhaupt dazu eines schriftlichen Beweises bedurfte, wie die Einwohner der so arg gemißhandelten Stadt bei jeder ihrer Klagen über den Druck, unter dem sie seufzten, bei dem leisesten Wunsche, dem Staate wieder anzugehören, unter dessen Regierung sie so glückliche Tage verlebt hatten, der Gefahr bloßgestellt waren, von irgend einem feilen Buben angeklagt und ihrer Aemter, ihres Vermögens, ihrer Freiheit beraubt zu werden. In jenen Papieren erstattet Schulze Bericht von dem, was seine Helfershelfer gegen ihre Mitbürger ausgespäht hatten. Zur Empfehlung des Einen sagt er: „Sein Geschäft verpflichtet ihn, den ganzen Tag über am Packhofe gegenwärtig zu sein, und hat er mithin Gelegenheit, die Gesinnungen der Kaufleute, Handlungsdiener, Schiffer, Schiffsknechte, Fuhrleute, Packhofsarbeiter zu erforschen.“ Zur Empfehlung eines Zweiten: „Er besucht täglich die von den Bürgern der Mittelclasse frequentirten Tabagien und Weinkeller, sowie die vier ersten Freudenhäuser etc.“ Er lieferte ferner eine Charakteristik von sechsundsiebenzig Einwohnern Magdeburgs und deren Umgebungen aus der Zahl der Staatsbeamten, Domänenpächter, Gutsbesitzer und angesehener Kaufleute. In dieser Schilderung, welche doch nur die Tendenz hatte, den Chef des Polizeiwesens von ihren Gesinnungen gegen König und Staat zu unterrichten, sprach er auch von ihren Vorzügen, Mängeln und Gebrechen in Beziehung auf Kopf und Herz; ja, er mischte sogar dasjenige ein, was von diesen Personen, deren Frauen und Töchtern die scandalöse Chronik sagte. Dadurch setzte er aber seinem niedrigen Geschäfte die Krone auf, daß er vorschlug, ob man nicht Domestiken zu Agenten der geheimen Polizei annehmen und ihnen zur Pflicht machen wollte, die dem Staate nachtheiligen Aeußerungen ihrer Herrschaften und der sie Besuchenden zu referiren.
Anfangs wurden die Agenten der geheimen Polizei – vereidigt. In diesem Eide hieß es unter Anderm: „Ich – schwöre: daß ich laut der vom Herrn Maire mir gegebenen Vocation und Instruction dem Könige, dem Staate und der Stadt gewissenhaft dienen, mit Klugheit und Vorsicht auf Entdeckung aller Verbrechen gegen König und Staat mich legen will, – so wahr mir Gott helfe und ich selig zu werden wünsche.“
Einige Staatsbeamte und andere Einwohner einer westphälischen Stadt feierten 1813 den Geburtstag des Königs von Preußen. In der Nacht des 27. August wurden sie verhaftet. Man führte sie nach Kassel, warf sie in’s Castell und ließ sie unter Beraubung aller Bequemlichkeiten wochenlang im Kerker schmachten. Unstreitig würden sie nach Frankreich abgeführt worden sein und dort ein hartes Schicksal erfahren haben, wenn sie nicht durch die am 28. September unter dem Befehl des Generals Tschernischef in Kassel eingerückten russischen Truppen befreit worden wären. Später hat es sich aufgeklärt, daß ein in ihrem Wohnorte angestellter Staatsbeamter – ein Agent der geheimen Polizei – ihr Ankläger gewesen war. Von der stattgehabten Geburtstagsfeier hatte er nicht nur dem General-Polizeicommissär Moisez, sondern auch gleichzeitig dem Chef der Polizei in Kassel Anzeige gemacht, damit der erstere doch ja nicht die Frevler mit einer Warnung entlasse, welche Milde er bei ähnlichen ihm gemachten geheimen Anzeigen beobachtet hatte.
Das Wichtigste unter den dem General-Polizeicommissär Schulze abgenommenen Papieren war ein von ihm geführtes Journal, woraus sich ergab, welcher Personen er zur Ausforschung der Stellungen der Verbündeten und ähnlicher Kundschafterei, zur Beförderung von Briefen nach auswärtigen Oertern etc. sich bedient hatte. Die Zahl der deshalb zur Untersuchung gezogenen Personen belief sich auf fünfzig. An Douceurgeldern hatte er mehr als fünftausend Thaler in Ausgabe gebracht. Diesen Fond erhielt er theils vom Gouverneur, theils aus der Stadtcasse, theils vom französischen Hauptspionsbureau, welches in Dresden seinen Sitz und vom 1. Januar bis 8. September 1813 die Summe von 259,823 Franken verausgabt hatte.
Nirgends aber war die hohe Polizei Napoleon’s sorgfältiger organisirt als in Hamburg, wo man den geheimen Verbindungen Deutschlands mit England auf die Spur zu kommen suchte. Hier, wo der Marschall Davoust, Fürst von Eckmühl, als General-Gouverneur seit 1810 residirte und d’Aubignosc – früher in Hannover – zum Generaldirector der hohen Polizei ernannt war, hatte ein Conseil spécial die ausdrückliche Bestimmung, dem geheimen Verkehr mit England nachzuspüren, ihn zu unterdrücken und alle englischen Waaren verbrennen zu lassen. Freilich hinderte dies nicht, daß dieselben in Menge eingeschmuggelt wurden, da Bourienne, der als ministre plénipotentiaire in Hamburg weilte, seine Stellung vortrefflich zu seiner Bereicherung zu benutzen wußte, indem er für klingende Münze Erlaubnißscheine zum Eingang der Waaren ausstellte.
Am schlimmsten erging es den Angeklagten unter den deutschen Bewohnern Hamburgs, seit man der Generaldirection der hohen Polizei von Paris aus zwei Subjecte als Gehülfen zugesandt hatte, die wegen Mißbrauchs ihrer Stellung entlassen waren, einen gewissen Verteuil und Lassaussay, früher Unterpräfect zu Nantes. Diese beiden nur auf Raub ausgehende Menschen, denen die verworfensten unter den subalternen Agenten der Polizei sehr bald ihren eifrigsten Beistand leisteten, wußten Befehle zu Arrestationen und Confiscationen zu erschleichen und erlaubten sich alle möglichen Bedrückungen bei Ausführung der Maßregeln gegen den englischen Handel, sowie unter dem Vorwande, Verschwörungen und die Verbreitung aufrührerischer Schriften zu wittern.
Doch es sei genug an den angeführten Beispielen, um zu zeigen, wie das Institut der hohen französischen Polizei vor Allem das nördliche Deutschland umsponnen und überall die verworfensten Subjecte zu seinen Diensten hatte. Ein Glück, daß, von der Noth getrieben, für seine Familie Brod zu erwerben, auch mancher rechtliche Mann zu einem Polizeiamte sich bequemen mußte, wo er Gelegenheit fand, durch Rath und Warnung Viele vor Verfolgung und Unglück zu schützen und überhaupt die Härten der von Paris vorgezeichneten Maßregeln in der Ausführung nach Möglichkeit zu mildern.